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Interview

Cisco: "Brauchen Regeln für Umgang mit Daten"

Sie sagen, dass erst ein Prozent dieser Welt connected ist, wie wollen Sie die verbleibenden 99 Prozent verbinden?
Seit 2013 gibt es mehr Mobiltelefone als Menschen, aber künftig werden verschiedenste Produkte, Maschinen, Tiere miteinander verbunden werden. Das ist nicht Science Fiction. Sie kennen das Nike FuelBand, das Fitness-Band, das am Handgelenk protokolliert, wie viele Schritte man geht, wie viele Kalorien man verbrennt. Das ist ein perfektes Beispiel vom Internet der Dinge. Wir sind mitten drinnen in dieser Ära. Den Rest der 99 Prozent der Welt zu verbinden, wird ein, zwei Jahrzehnte dauern.

Wie wird die Gesellschaft auf dieses Internet of Everything reagieren?
Das wird die größte Herausforderung sein, dass die Gesellschaft hier mitgestaltet. Die Technologie gibt es, nun müssen Regelungen und Gesetze zu Privatsphäre und Datenschutz gefunden werden.

Europäer sind, was Datenschutz anlangt, sehr heikel.
Ich war heuer beim World Economic Forum bei einer Arbeitsgruppe, in der es um Datennutzung und Datenschutz ging. In der EU sind diese Themen ja strenger reguliert. Im vergangenen Jahr wurde über das Daten sammeln diskutiert, welche Daten dürfen gesammelt werden. Heuer ging es darum, wie wir es gesetzlich regeln können, wie die Daten genutzt werden.

Wer soll diese neuen Regelungen schaffen?
Wir starten mit dem Internet-of-things-Forum. Wir werden uns im Oktober in Barcelona treffen, wo Vertreter der Industrie und Wissenschafter diskutieren. Es wird nicht leicht, hier Regelungen zu finden, aber erinnern Sie sich an die Zeit, als eCommerce begann. Damals wollten die Konsumenten nicht ihre Kreditkartendaten ins Web tippen. Heute machen das alle.

Sie sind sehr optimistisch, dass wir wirklich Kontrolle über unsere Daten haben werden?
Ich bin optimistisch, dass wir Regelungen schaffen, aber ich gebe auch zu bedenken, dass das auch eine Herausforderung für die Sicherheitsexperten bei den Unternehmen sein wird. Denn es wird immer Cyber-Attacken geben und böse Menschen, die Technologie als Waffe sehen.

Ist eine Diskussion über Datenschutz in einer Zeit, in der PRISM bekannt wurde, nicht ohnehin obsolet? Wir werden ohnehin ausspioniert, so die landläufige Meinung?
Fakt ist, dass Daten über uns gesammelt werden. Uns müssen Möglichkeiten gegeben werden, zu wissen, was mit unseren Daten passiert und was man mit ihnen macht. Darauf müssen sich die Datenschutz-Regelungen konzentrieren. Firmen, Industrien und User müssen ein Bewusstsein für Datenschutz und Privatsphäre aufbauen. Im Zusammenhang mit Prism will ich betonen, dass wir an der Diskussion darüber nicht teilnehmen und zu Kunden und Technologien keine Stellungnahme abgeben. (Cisco muss aufgrund der US-Gesetze in ihre Hardware Schnittstellen integrieren, damit US-Behörden leichter Zutritt in die Systeme erlangen können, Anm.)

Einer Ihrer Mitarbeiter sagte in einem Vortrag: Der Fehlerrate des Menschen liegt bei zehn Prozent, die der Automatisierung bei Null. Das würde bedeuten, dass das Ziel ist, die ganze Welt zu automatisieren, um Fehler zu minimieren und Menschen durch Maschinen zu kontrollieren?
Wenn man mehr Automatisierung und mehr Robotik hat, dann braucht der Arbeiter, der künftig höher ausgebildet sein wird, keine langweiligen, monotonen Arbeiten bei schlechtem Licht und in miesen Arbeitsverhältnissen verrichten.

Wird unsere Welt nicht zu digital? Eine Cisco-Aussage lautet: Im Jahr 2020 wird ein Computer, der die Leistung des menschlichen Gehirns hat, 1000 Dollar kosten. Das klingt bedrohlich.
Die Computer machen das, was wir ihnen sagen. Wir programmieren sie. Smarter heißt, dass sie die Prozessdaten schneller bekommen. Aber sie werden nicht den Intellekt haben, sie werden nicht Emotionen zeigen können. Da wir an der Technologie arbeiten, wird es auch einen smarten Weg geben, diese Technik zu kontrollieren.

Laufen wir nicht Gefahr, das Denken zu vergessen?
Da gibt es ein Für und Wider. Heute nehme ich Off-Tage, ich nenne sie Digital Detox-Days. Ich male, schreibe Gedichte, koche mit der Familie, um meine Batterien aufzuladen. Das ist ein Abschalten der Technologie, um zurückzukommen. Das ist auch wichtig, damit man nicht von der Technologie vereinnahmt wird. Man muss lernen, sich anzustecken und sich auszuklinken.

Das schaffen Sie als eine der wichtigsten CTOs der Welt?
Ich beantworte keine Mails und Telefonanrufe - abgesehen von jenen der Familie.  Ich habe mit diesen Detox-Tagen vor eineinhalb Jahren begonnen, weil ich gesehen habe, dass ich praktisch immer gearbeitet habe. Und wenn ich am Wochenende so beiläufig ein Firmenmail geschrieben haben, haben sich die Mitarbeiter verpflichtet gefühlt, darauf zu antworten. Dabei war das nicht so gemeint. Seit ich „ausgesteckt“ bin, sind es auch meine Mitarbeiter und die genießen das.

Stichwort digitales Leben: Was sind Ihre Ideen zu eLearning und eHealth
Es wird neue Lernmethoden geben müssen, denn die Lernsysteme sind oft nicht mehr zeitgemäß. Der Frontalunterricht mit Lehrer, Professor oder wie  bei mir in Indien mit Guru hat sich nicht fundamental geändert. Ich finde die Khan Academy großartig. Der Lehrer beobachtet seine Schüler und kann jedem einzelnen über seine Hürden drüber helfen. Wir haben viele Partnerschaften mit Universitäten rund um den Globus, an der Duke-University haben wir eine Telepresence-Lösung installiert, wo Professoren der  Klassen an anderen Orten unterrichten können und Professoren außerhalb der Uni können Klassen unterrichten. Es wird Plattformen geben, auf denen Lerninhalte geteilt werden. In meiner Jugend gab es noch die Studiergruppen, die sich regelmäßig getroffen hat, um gemeinsam an Projekten zu arbeiten, jetzt kann man das online machen. Ich glaube fest daran, dass Technologie das ganze System des Lernens transformieren wird. Das gibt Menschen Möglichkeit, sich zu bilden, die keinen Zugang zu Schulen haben. Wie etwa ländliche Gegenden in Indien oder Afrika. Es gibt ja viel zu wenige Lehrer für viel zu viele Schüler.

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Zur Person

Evangelist und eine der mächtigsten Frauen
Padmasree Warrior (52) wurde in der indischen Stadt Vijayawada geboren und schloss ihr Studium am Indian Institute of Technology in Delhi ab. In den 80er-Jahren kam Warrior in die USA, wo sie von 1984 bis 2007 bei Motorola beschäftigt war, zuletzt als CTO (Chief Technology Officer). In dieser Funktion war sie für 26.000 Mitarbeiter zuständig. 2007 wechselte sie zum führenden IT-Ausstatter Cisco, bei dem sie ebenfalls die Funktion des CTOs und auch die Rolle des "Technologie-Evangelisten" übernahm, also sich nicht nur Gedanken um die Zukunft zu machen, sondern andere von Cisco-Entwicklungen zu überzeugen. Vom Magazin Fortune wurde sie auf die Liste der mächtigsten Frauen gesetzt und war zu Barack Obamas erster Amtszeit Kandidatin für den CTO der US-Regierung. Warrior ist mit Mohandas Warrior verheiratet, der Chef der US-Firma Alfalight ist. Gemeinsam haben sie einen Sohn, Karna (20). Sie gilt als eine der „most social ladys“, sie hat fast 1,5 Millionen Twitter-Follower.

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