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Alphabet

Google mit Science Fiction und Steuertricks am Börsenthron

Die erste Quartalsbilanz, die Google nach der Umstrukturierung unter der neuen Dachmarke Alphabet veröffentlicht hat, hat Anleger am Montagabend in euphorische Stimmung versetzt: Alphabet hat im nachbörslichen Handel eine Unternehmensbewertung von 568 Milliarden US-Dollar (rund 520 Milliarden Euro) erreicht und damit Apple (mit einem Marktwert von 535 Milliarden Dollar) zumindest kurzfristig als wertvollsten Konzern der Welt abgelöst.

“Das jeweils wertvollste Unternehmen der Welt sagt auch immer etwas darüber aus, was uns als Gesellschaft aktuell am stärksten beschäftigt”, meint Monika Rosen-Philipp, Chefanalystin bei Bank Austria Private Banking, zur futurezone. Mit Google hat erstmals ein Unternehmen, bei dem Güterproduktion nicht zum Kerngeschäft gehört, den Thron der wertvollsten Konzerne erklommen. "Das waren in der Vergangenheit Dinge wie Öl, dann Pharma und zuletzt Apple mit seiner Hardware. Jetzt hat es einen Wechsel von diesen Hardware-Firmen zu Google gegeben, das mehr auf Online-Dienste bzw. -Dienstleistungen fokussiert ist”, sagt Rosen-Philipp.

Steueroasen helfen

Der wichtigste Treiber von Alphabets Kursanstieg ist nach wie vor das Geschäft mit der Online-Werbung, das vor allem von Google erwirtschaftet wird, auch wenn Android und YouTube mittlerweile einen Teil dazu beitragen. Trotz sinkender Preise im Geschäft mit der Internet-Reklame konnte Alphabet den Konzernumsatz im vierten Quartal 2015 im Vergleich zum Jahr davor um 18 Prozent auf 21,33 Milliarden US-Dollar (rund 19,55 Milliarden Euro) steigern und die Erwartungen der Analysten so deutlich übertreffen.

Der Gewinn ist ebenfalls gestiegen, auf 4,92 Milliarden Dollar (4,51 Milliarden Euro). Das weiter wachsende Werbevolumen, gesunkene Infrastrukturausgaben und eine niedrige Steuerquote von effektiv nur 17 Prozent, die durch (auch unter anderen Firmen weit verbreiteten)Steueroasen-basierten Konstruktionenmit wohlklingenden Namen wie “Double Irish” oder “Dutch Sandwich” erreicht wurde, haben die Gewinne ermöglicht und trotz des Drucks durch den starken Dollar stabilisiert.

Science-Fiction-Unternehmungen

Die neue Konzernstruktur erlaubt erstmals auch einen Einblick in die Entwicklung von Googles Zukunftswetten, zu denen etwa selbstfahrende Autos, Heimautomatisierung, das Glasfaserprovidergeschäft und Internet-Ballons gehören. Diese Prestigeprojekte haben im gesamten Jahr 2015 einen Verlust von 3,6 Milliarden Dollar gemacht, bei einem Umsatz von 448 Millionen Dollar.

Mehrmals mussten die Fahrer mussten eingreifen, damit kein Unfall passiert
Das hat die Investoren nicht abgeschreckt, was am Erfolg des Kerngeschäfts, das 2015 einen Gewinn von 28 Milliarden Dollar erwirtschaftet hat, liegen dürfte. Die hohen Risiken, die Google mit Wetten auf Roboter und selbstfahrende Autos eingeht, könnten sich, wenn die Geschäfte im Werbegeschäft irgendwann nicht mehr so gut laufen, negativ auf den Börsenkurs von Alphabet auswirken. Ob und wann diese Technologiewetten Geld abwerfen werden, ist schließlich äußerst ungewiss.

Von Apple abhängig

Die strukturelle Trennung dieser sogenannten "Moonshot"-Projekte vom Kerngeschäft, die Investoren schon länger gefordert hatten, ist jedenfalls gut angekommen. Die Anleger scheinen Google zuzutrauen, auch in Zukunft ein Technologieführer zu bleiben. Die tatsächlichen Kennzahlen des Unternehmens rechtfertigen die hohe Unternehmensbewertung jedoch nicht, der Kursgewinn ist auf übertroffene Erwartungen, den Reiz von an Science-Fiction erinnernden Ideen und die Schwäche der Konkurrenz zurückzuführen.

Ob Alphabet weiter das wertvollste Unternehmen bleibt, hängt auch von Apples Aktienkurs ab. Der Aktienkurs des iPhone-Herstellers schwächelt derzeit, weil die Nachfrage nach Apple-Produkten zurückgeht. Sinkende Preise im Online-Werbegeschäft, ein strengeres Vorgehen von Staaten gegen Steuerflucht und ein mögliches Platzen der Technologieblase - etwa durch ein Abflauen der Smartphone-Nachfrage oder die mangelhaften Geschäftsmodelle junger Tech-Unternehmen - sind Szenarien, die Googles Höhenflug beenden könnten. Solche Entwicklungen würden aber auch Apple und anderen US-Technologieriesen zusetzen. Der Kampf um den Thron bleibt also spannend, auch wenn er jeglicher Verbindung zur unternehmerischen Realität entbehrt.

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Markus Keßler

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Claudia Zettel

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futurezone-Chefredakteurin, Feministin, Musik-Liebhaberin und Katzen-Verehrerin. Im Zweifel für den Zweifel.

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