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Technologie

"Japan braucht Innovation von außen"

Neben Kooperationen mit dem Austrian Institute of Technology (AIT) und heimischen Technik-Universitäten – es sollen vermehrt japanische Studenten in Österreich studieren - war jüngst auch der Veranstalter des Pioneers Start-up-Festival, Andreas Tschas, in Japan, um mehr über die japanische Startup-Szene zu erfahren. Geplant ist, dass Japan beim Pioneers-Festival 2016 einen speziellen Stellenwert erhält, so etwas wie ein Gast-Land ist. Bis dahin soll auch eine „Start-up-Brücke“ zwischen den beiden Ländern gebaut sein. Dass japanische Konzerne durchaus Interesse an heimischen Start-ups haben können, zeigt sich nicht nur darin, dass Konica-Minolta einer der Pioneers-Partner ist, sondern sich im vergangenen Jahr am Salzburger Augmented-Reality-Start-up Wikitude beteiligt hat.

Innovation ist die Macht der Masse

Start-ups haben es in Japan ähnlich schwer wie in Österreich, vielleicht sogar schwerer. Es gibt keine vorhandene Venture Capital Szene, nur wenige Start-ups, die sich aus Universitäten bilden, haben die Chance auf öffentliches Geld, das die Universitäten beisteuern. Privates Geld gibt es selten, die wenigen VCs sind bekannt und sind meist selbst Unternehmer (gewesen), die im Silicon Valley erfolgreich waren. So wie etwa William Saito. Der Verschlüsselungsspezialist hat sein Unternehmen an Microsoft verkauft und ist an mittlerweile mehr als zwei Dutzend Unternehmen beteiligt. In Japan fehlen Mentoren für junge Startups, die wären wichtig, um die junge Innovation voranzutreiben. Musterfirmen, die eine solche Rolle ausüben könnten, gäbe es, wie etwa der japanische Telekommunikations- und TV-Konzern Softbank oder der Online-Shop Rakuten.

Innovation von außen gefragt

„Die Konzerne sehen es mittlerweile ein, dass sie auch Innovation von außen brauchen, dass die Konzern-interne Innovationen nicht ausreichen, um sich gegen Mitbewerber abzuheben bzw. am Markt mitzuspielen“, sagt Außenhandelsdelegierter Otter. Sony sei so ein Beispiel. Vor einigen Jahren noch sehr überheblich und gegen Innovationen und Ideen von außen resistent, ist jetzt auch einer der bekanntesten Hightech-Konzerne Japans offen für Neues. Otter: „Es gibt eine neue Schicht von Managern und Verantwortlichen, die Leuten und Ideen von außen eine Chance geben.“ Aber auch heute noch gilt: Es muss eine Person aus dem zumindest mittleren Management sein, der den Wert einer Innovation erkennt und weiß, wie sie ins Unternehmen getragen werden kann. Otter: „Was uns bewusst sein sollte, eine der österreichischen Stärken ist die Nische.“

eGovernment, Games & Smart City

Mit seiner Vision „Japan 20/30/40“ hat er 14 Themenbereiche beschrieben, die von österreichischen Unternehmen mitgestaltet werden können. Japanische Konzerne sind offener für Innovationen aus dem Ausland und auch an heimischen Entwicklungen interessiert. So etwa der eGovernment-Bereich. Seit 2003 gibt es in Japan Richtlinien und Absichtspapiere zur stärkeren Nutzung von eGovernment. Otter sieht große Chancen, dass österreichischen Technologien wie die eID oder die eSIG exportiert und für Japan adaptiert werden könnten. Auch der Gaming-Markt sei einer, in dem heimische Firmen mitspielen könnten. „Spiele und Apps made in Europe und allgemein aus dem Ausland sind – oft nach einer entsprechenden Anpassung an japanische Geschmäcker – äußerst beliebt“, so Otter. Und bei Smart City-Themen könnten sich heimische Firmen ebenfalls gut positionieren, hat Japan das Ziel, bei den Olympischen Spielen 2020 mit Tokio als Parade-Smart-City zu punkten.

Robotik und Produktionstechnologien

Mit Firmen wie FANUC, Yaskawa, Motoman, Denso Robotics oder Kawasaki Robotics ist Japan das führende Land der Robotertechnologie. Wie wichtig Japan als Technologieführer in diesem Bereich ist, hat etwa das Technikum Wien erkannt. Seit Mai 2014 laufen Gespräche über eine Forschungskooperation mit Kawada Robotics. Das Austrian Institute of Technology wiederum arbeitet mit japanischen Forschungseinrichtungen wie dem NAIST zusammen. Für Kooperationen sei die japanische Industrie durchaus offen. Bis 2020 soll der japanische Markt der Roboterindustrie auf 17,5 Milliarden Euro wachsen. Im Jahr der Olympischen Spiele soll es auch eine Roboterolympiade geben.

Transporttechnologien

Österreicher gelten als Tunnelbauer schlechthin, der Tunnelbau ist eine der Export-Technologien schlechthin in diesem Bereich, freilich ist sie auch in Japan gefragt. Infrastruktur und Verkehr haben enormes Potenzial für mehr Exporte in Österreich – sei es für die Automobil-Industrie (mit mehr als 5,5 Millionen Beschäftigen ist das einer der gefragtesten Bereiche in Japan), für die Eisenbahnindustrie oder die Raumfahrt. „Österreichische Firmen wie RUAG Space exportieren bereits nach Japan, TTTech oder Siemens Convergence scharren in den Startlöchern“, so Otter.

Energiewende

Ein heikles Thema, das sei der Nuklearkatastrophe in Fukushima aktueller ist denn je, ist der Energiebereich. Bis zum Reaktorunfall 2011 war die Steigerung der Atomkraft am gesamten Energiemix erklärtes Ziel der Regierung. „Alternative Energieformen waren exotische Randerscheinungen“, meint Otter. Nach Fukushima hat Japan zwar die Energiewende und den totalen Auszug aus der Atomkraft angekündigt, doch nach dem Schock der Katastrophe und nachdem die wirtschaftsfreundliche LDP die Regierungsmehrheit geschafft hatte, begann die Wende von der Wende. Atomkraft soll in absehbarer Zukunft etwa 20 Prozent des Stroms liefern, erneuerbare Energien – Biomasse, Sonnenenergie, Windenergie und Wasserkraft - sollen stark gefördert werden. Hier könnten österreichische Firmen mit ihrem KnowHow ebenfalls punkten.

LifeScience und Pharma

Eines der großen Probleme Japans ist die Überalterung, auch wenn die Jugendkultur in Tokio sehr auffällig, ja fast einmalig ist. Die Geburtenrate geht zurück, die Zahl der Menschen, die pflegebedürftig sind, steigen. Daher ist Japan auch eines jener Länder, in dem die Entwicklung von Pflegerobotern forciert wird. Doch darüber hinaus sollen auch Umwälzungen im Pharmabereich die Kosten eindämmen, der Genehmigungsprozess für neue Medikamente soll stark beschleunigt werden. „Japan wird auf absehbare Zeit betrachtet sowohl für Medizintechnik als auf für Arzneimittel der zweitgrößte Markt der Welt bleiben“, erklärt Otter. Der gesamte Gesundheitsmarkt wird mit 500 Milliarden Euro beziffert. „Vor diesem Hintergrund eröffnen sich für österreichische Unternehmen mit innovativen Produkten und Dienstleistungen exzellente Chancen.“ Bei implantierten Hörgeräten sei Österreich bereits auf dem Radar japanischer Unternehmer. „Unser Ziel ist, Österreich als LifeScience-Land stärker im Bewusstsein der japanischen Pharmaindustrie zu verankern“, so Otter. „Aber ich bin generell überzeugt, dass Österreich in den kommenden Jahren bedeutender wird.“ Wichtig sei aber, dass die heimischen Unternehmen diese Chance auch als solche erkennen und aktiv werden. „Wir stehen ihnen hier in Tokio jedenfalls hilfreich zur Seite.“

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