Übernahme-Motiv

Time-Warner-Deal: AT&T will bei Inhalten mitverdienen

Seit Jahren klagen Telekom-Konzerne, die Internet-Firmen verdienten das Geld in ihren Netzen, während ihnen selbst die Rolle einer "dummen Pipeline" drohe. Jetzt ist der amerikanische Telekommunikations-Riese AT&T bereit, sich die TV-Sender und Filmstudios von Time Warner 108,7 Milliarden US-Dollar (99,85 Mrd. Euro) kosten zu lassen. Diese Summe setzt sich aus dem Kaufpreis von 85,4 Milliarden Dollar und der Übernahme der Schulden von Time Warner zusammen.

Videos und Mobilität

Dabei geht es nicht nur darum, die Zukunft von AT&T in der neuen Online-Welt abzusichern. Das Ziel ist auch, neu zu ordnen, wer und an welcher Stelle das Geld mit Videoinhalten verdient, auch wenn der Deal sehr stark auf die Besonderheiten des US-Marktes zugeschnitten ist.

"Die Zukunft des Mobil-Geschäfts ist Video, und die Zukunft von Video ist mobil", fasste AT&T-Chef Randall Stephenson die Räson hinter dem Übernahmeplan in einer Telefonkonferenz zusammen. Die allgegenwärtigen Mobil-Geräte wie Smartphones haben für viele Nutzer erst den PC ersetzt. Jetzt wird über sie auch immer mehr Video geschaut - allein die Zahlen von Facebook sind ein klarer Beleg dafür.

Inhalte aus eigenem Haus

AT&T, nicht zufrieden mit der Rolle eines reinen Telekom-Anbieters, setzte bereits im vergangenen Jahr mit dem Kauf des Satelliten-TV-Anbieter DirecTV für ebenfalls stolze 50 Milliarden Dollar auf das Fernsehgeschäft. Im Ergebnis ist AT&T jetzt der größte Anbieter von TV-Anschlüssen in den USA und die Nummer zwei im Geschäft mit Internet-Zugängen fürs Zuhause. Und der größte Mobilfunk-Anbieter des Landes nach Verizon Wireless.

Jetzt will sich AT&T-Chef Stephenson mit Time Warners Sendern wie dem Bezahlkanal HBO ("Game Of Thrones", "Sopranos", "Sex And The City", um nur einige Hit-Titel zu nennen) auch die passenden Inhalte für die Leitungen ins Haus holen. Der Kabel-TV-Anbieter Comcast ging diesen Weg bereits 2011 mit der damals heftig diskutierten Übernahme von NBCUniversal mit den NBC-TV-Sendern und dem Hollywood-Studio Universal. Vorheriger Besitzer war der traditionsreiche Mischkonzern General Electric.

Kontrollverlust

In Deutschland wollen die Telekom-Konzerne ihren Kunden zwar auch TV-Zugänge aus einer Hand bieten - Beispiele sind die Übernahme von Kabel Deutschland durch Vodafone oder das Entertain-Angebot der Deutschen Telekom. Um exklusive Fernsehinhalte geht es in dieser Dimension aber nicht.

Der amerikanische TV-Markt tickt allerdings auch anders - und ist im Wandel. Traditionell lief es so, dass Anbieter von Kabel- und Satelliten-Anschlüssen den Zugang zu den großen TV-Kanälen kontrollierten. Wer nicht 50 bis 100 Dollar im Monat - je nach Sender-Paket - zahlt, bekommt wenig zu sehen. Doch inzwischen gewinnt die Bewegung der sogenannten "Cord-Cutter" an Fahrt - Leuten, die ihre Kabel-Abos kappen und stattdessen auf das Internet ausweichen. Die Sender stellen sich stärker auf diesen Lebensstil ein.

Viel Arbeit für Wettbewerbshüter

So gibt es bei HBO einen Zugang zum Programm des Abo-Kanals jenseits vom klassischen Kabel-Abo für Nutzer von Apples iPhones, iPads und der TV-Box Apple TV für 15 Dollar im Monat. Und die Senderketten NBC, Fox und Disneys ABC betreiben das Portal Hulu, auf dem in den USA Fernsehserien in Internet angesehen werden können - samt Abo-Version mit mehr Programm.

Die Übernahme von Time Warner durch AT&T dürfte die Strukturen auf dem Markt noch weiter umkrempeln, und Branchenbeobachter rechnen damit, dass die Wettbewerbshüter locker ein Jahr brauchen könnten, um die Folgen abzuwägen. Der Deal zwischen Comcast und NBCUniversal ist zwar ein klarer Präzedenzfall - aber seine Auswirkungen dürften jetzt auch noch einmal gründlich durchleuchtet werden. Eine weitsichtige Bedingung für die Übernahme-Erlaubnis war damals, dass NBC die Kontrolle über die Hulu-Website aufgibt.

Die 5 größten Übernahmen 2016

Mit dem mehr als 100 Milliarden US-Dollar (91,9 Mrd. Euro) hohen Kaufoffert für den US-Medienriesen Time Warner zieht der Telekom-Konzern AT&T an der deutschen Bayer AG vorbei. Das sind die bisher größten geplanten Unternehmensübernahmen 2016:

1. AT&T/TIME WARNER: Am Samstagabend gaben die US-Unternehmen mit einer Kaufsumme von mehr als 85 Mrd. Dollar - inklusive übernommener Schulden sogar fast 109 Milliarden - die bisher höchste Übernahme 2016 bekannt. Angesichts der hohen Marktmacht, die die Konzerne gemeinsam hätten, dürfte der Deal von den Kartellwächtern allerdings noch sehr kritisch geprüft werden.

2. BAYER AG/MONSANTO: Im September verkündete der Leverkusener Chemieriese Bayer den Kauf des US-Gentechnikkonzerns Monsanto um rund 66 Mrd. Dollar. Es ist die bisher größte Übernahme durch ein deutsches Unternehmen.

3. BAT/REYNOLDS: Nur einen Tag vor AT&T sorgte der Tabakriese British American Tobacco (BAT) mit einem 58 Mrd. Dollar schweren Offert für den Camel-Hersteller Reynolds für Aufsehen. BAT hält bereits 42,2 Prozent an Reynolds und will sich jetzt die noch ausstehenden Anteile einverleiben.

4. CHINA NATIONAL CHEMICAL CORP/SYNGENTA: Im Februar machte der größte Chemiekonzern Chinas mit einem rund 47 Mrd. Dollar schweren Angebot für den schweizerischen Agrarchemie-Anbieter Syngenta Schlagzeilen.

5. ENBRIDGE/SPECTRA ENERGY CORP: Kanadas größter Pipeline-Betreiber Enbridge schluckte im September für 43 Mrd. Dollar den US-Konkurrenten Spectra Energy.

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Kommentare