Web

Anstieg an rechtsextremen Websites

Rechtsextremisten nutzen zunehmend die Möglichkeiten des Web 2.0. Aber nicht nur, um sich zu vernetzen, sondern auch um Jugendliche mit ihrer Propaganda für sich zu gewinnen.
Die gemeinsame Stelle der deutschen Bundesländer für den Jugendschutz, jugendschutz.net, verfolgt eine Doppelstrategie, mit der einerseits versucht wird Rechtsextremen die Plattformen zu entziehen und andererseits Jugendliche über die Gefahren aufzuklären. Im Rahmen des Onlinemonitoring, das im vergangenen Jahr durchgeführt wurde, stellte jugendschutz.net einen neuen Höchstwert an Websites mit rechtsextremen Inhalt fest. Waren es 2008 noch 1.707 Internetseiten, so konnten 2009 bereits 1.872 deutschsprachige, rechtsextreme Seiten ausfindig gemacht werden. Dieser Anstieg von zehn Prozent ist ein eindeutiges Indiz für die verstärkte Netzaktivität, die vor allem von rechtsextremen Parteien (Zuwachs um 82 Angebote) und aus dem Neonazispektrum (Zuwachs um 60 Angebote) zu verzeichnen war.

Mehr als zwei Drittel der Angebote wurden über deutsche Server verbreitet. Deutschsprachige Angebote außerhalb von Deutschland wurden zu 80 Prozent über US-amerikanische Server verbreitet. Während 2008 noch sechs Prozent der rechtsextremen Inhalte über österreichische Server verbreitet wurden, waren es 2009 nur noch vier Prozent.

Anstieg rechtsextremer sozialer Netzwerke

Nicht nur die Anzahl rechtsextremer Blogs, sondern auch jene von sozialen Netzwerken aus dieser Szene sind deutlich angestiegen. Mit mittlerweile 97 Neonazi-Communities hat sich die Zahl im Vergleich zum Jahr davor fast verdreifacht. Immer häufiger gründen Neonazis soziale Netzwerke, da ihre rechtsextremen Beiträge von deutschen Plattformen gelöscht werden. 70 Prozent der strafbaren Inhalte, die von Neonazi-Communities verbreitet wurden, wurde über US-amerikanische Server verbreitet. In 92 Prozent aller unzulässigen Fälle handelte es sich um strafrechtlich relevante Inhalte, wovon 72 Prozent Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, in 25 Prozent volksverhetzende Inhalte und in drei Prozent Holocaust leugnende Beiträge verbreitet wurden.

Rechtsextreme Inhalte in sozialen Netzwerken

Rechtsextreme nutzen aber auch bestehende soziale Netzwerke, um ihre Propagandabotschaften zu verbreiten und um sich zu vernetzen. So bot etwa die NDP ihre Schulhof-CD auf Twitter zum Download an. Auch Videoplattformen werden immer wieder mit den Musikvideos von rechtsextremen Bands, Demonstrationsvideos und Filmen aus der Zeit des Nationalsozialismus bespielt und erreichen dadurch ein Millionenpublikum. Jugendschutz.net dokumentierte 500 unzulässige rechtsextreme Beiträge in sozialen Netzwerken und auf Videoplattformen. Als Aufhänger für ihre rassistischen, antisemitischen und demokratiefeindlichen Propagandabotschaften wird dabei gerne auf aktuelle Themen zurückgegriffen, die vom Krieg in Afghanistan bis zu Umweltschutzfragen reichen.
Das Internet wird von Rechtsextremen aber nicht zur Vernetzung in- und außerhalb des Internets genutzt. So finden sich immer wieder Informationen zu rechtsextremen Veranstaltungen, die sich direkt an Jugendliche richten auf diversen Websites. In diesem Bereich verzeichnete Jugendschutz.net 44 eigenständige Webangebote.

Handel mit rechtsextremen Devotionalien

Nicht nur die Internetpräsenz in sozialen Netzwerken hat zugenommen, sondern auch der Handel mit rechtsextremen Materialien. 177 Verkaufsplattformen dokumentierte Jugendschutz.net, von denen die meisten aus Sachsen (23) und Nordrhein-Westfalen (18) stammten. Der Verkauf von volksverhetzender Musik und Schriften und nationalsozialistischen Devotionalien erfolgt zwar über ausländische Plattformen, auf diese wird allerdings in Blogeinträgen und in Tweets aufmerksam gemacht.

Vorgehen gegen unzulässige Inhalte
Maßnehmen gegen die Verbreitung von rechtsextremen Inhalten im Internet zu setzen, ist, ob der Masse der Plattformen und der hohen Flüchtigkeit von Inhalten, ein schwieriges Unterfangen. Bereits 2008 wurde der Rahmenbeschluss 2008/913/J1 des Europäischen Rates zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit vom Rat angenommen. Dieser sieht eine Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften in allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union vor. Als Strafdelikte geltende folgende Verhaltensweisen, sofern sie in rassistischer und fremdenfeindlicher Absicht begangen werden:

!
- Aufstachelung zu Gewalt oder Hass gegen eine nach den Kriterien der Rasse, Hautfarbe, Abstammung, Religion oder Weltanschauung oder nationalen oder ethnischen Herkunft definierte Gruppe von Personen oder gegen ein Mitglied einer solchen Gruppe;

- öffentliche Verbreitung oder Verteilung von Schriften, Bild- oder sonstigem Material mit rassistischen oder fremdenfeindlichen Inhalten;

- das öffentliche Billigen, Leugnen oder gröbliche Verharmlosen von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen im Sinne des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs (Artikel 6, 7 und 8) und Verbrechen nach Artikel 6 der Charta des Internationalen Militärgerichtshofs, wenn die Handlung in einer Weise begangen wird, die wahrscheinlich zu Gewalt oder Hass gegen solch eine Gruppe oder gegen ein Mitglied solch einer Gruppe aufstachelt.

!

Die vorsätzliche Verbreitung von rassistischen und fremdenfeindlichen Materialien über Computersysteme steht in Österreich nicht ausdrücklich unter gerichtlicher Strafe. Wer hierzulande im Internet auf Inhalte, die den Tatbestand der nationalsozialistischen Wiederbetätigung nach dem Verbots- und Abzeichengesetz erfüllen, stößt, der kann diese bei der Meldestelle für NS-Wiederbetätigung oder der Meldestelle stopline.at melden. Im vergangenen Jahr gingen 222 solcher Meldungen ein, die mit einer Ausnahme, alle als zutreffend qualifiziert wurden. Heuer sind bis September bereits 280 Meldungen eingegangen, von denen 53 als einschlägig zutreffend qualifiziert wurden.

Die deutsche Bundesregierung hat im August dieses Jahres zwei Gesetzesentwürfe zur Ratifizierung und Umsetzung zur Cybercrime-Konvention des Europarates beschlossen, die eine Kriminalisierung "rassistischer und fremdenfeindlicher Handlungen", die über Computersysteme begangen werden, vorsieht. Einige Länder wie die USA haben sich jedoch aus Angst vor Eingriffen in die Meinungsfreiheit gegen die Ratifizierung dieses Zusatzprotokolls entschieden. In Deutschland wurde Anfang Oktober die Kampagne "Soziale Netzwerke gegen Nazis" gestartet, die unter anderem von MySpace und Google, jedoch nicht von Facebook, unterstützt wird.

Jugendschutz.net sucht im Kampf gegen die Verbreitung von rechtsextremen Inhalten im Internet nicht nur den Kontakt zu Internetprovidern im In- und Ausland, sondern auch der Kommission für Jugendmedienschutz und Partnern aus dem International Network Against Cyber Hate (INACH). Werden unzulässige Inhalte ausfindig gemacht, wird versucht gegen diese Vorzugehen. Dies kann von der Indizierung, die bewirkt, dass die indizierten Webadressen nicht mehr als Suchergebnisse angezeigt werden, bis zur Löschung reichen. Diese konnte etwa in Zusammenarbeit mit Netzwerken wie Facebook und schülerVZ, aber auch mit YouTube erreicht werden. So wurden seit Beginn der Kooperation von Jugendschutz.net und Google 2.500 Videos mit rechtsextremen Inhalten gelöscht.

Wie dieses Beispiel zeigt, sind internationale Kooperationen unerlässlich, wenn es darum geht, nachhaltig gegen die Verbreitung von rechtsextremen Inhalten im Internet vorzugehen. Während in Österreich die Verbreitung und Verherrlichung von nationalsozialistischem Gedankengut unter gerichtlicher Strafe steht, ist dies in anderen Ländern wie etwa Großbritannien oder in den USA ist dies nicht der Fall. Die fehlenden gesetzlichen Bestimmungen in diesem Bereich erschweren mitunter die Verfolgung und das Setzen von Gegenmaßnahmen, die im Zusammenhang mit der Verbreitung von rechtsextremen Gedankengut im Internet erforderlich sind.

Nicht nur die Politik, sondern auch Medienpädagogen müssen in die Verantwortung genommen werden und zur Aufklärung über die Gefahren die von der Verbreitung rechtsextremer Propaganda ausgehen, hinzuweisen, damit Minderjährige nicht rechtsextremen Gruppierungen zum Opfer fallen.

(futurezone)

!
An diese Stellen kann man sich wenden, wenn man auf unzulässige Inhalte im Internet stößt:
Stopline
- Meldestelle für NS-Wiederbetätigung: ns-wiederbetätigung@mail.bmi.gv.at

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Kommentare