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Kaspersky

Bankomat-Trick: Geld abheben, Kontostand bleibt gleich

Nach einer im Vorjahr aufgedeckten ausgeklügelten Angriffswelle auf mehr als 100 Finanzinstitute weltweit berichtet Sicherheitshersteller Kaspersky Lab auf dem Security Analyst Summit nun von neuen Methoden, mit denen Banken um zig Millionen Euros gebracht werden. In Russland schafften es Cyberkriminelle, die Schadsoftware "Metel" (auch unter dem Namen "Corkow" bekannt) in 30 Bankennetzwerke einzuschleusen.

Von Bankomat zu Bankomat

In der Nacht schlugen die Angreifer zu. Sie hoben in verschiedenen Städten an Bankomaten Geldbeträge ab. Der Trojaner sorgte dafür, dass die Abbuchung vom System jedes Mal als "nicht durchgeführt" wieder auf das Konto zurückgebucht wurde, obwohl die Kriminellen das Bargeld erfolgreich ergattert hatten. In nur einer Nacht wurde eine Bank mit dem Trick um Hunderttausende Euro betrogen. Die Attacke wurde erst bemerkt, als die Fremdbanken, über deren Bankomaten das Geld abgehoben wurde, auf die Überweisung des Geldes durch die geschädigte Bank pochten.

Wie die Carbanak-Gruppe, die mittels ausgeklügelten Angriffsmethoden bis zu eine Milliarde US-Dollar von Banken entwenden konnte, setzte die "Metel"-Gruppe ebenfalls auf zielgerichtete E-Mail-Attacken und das Ausnutzen von Browserschwachstellen. Die ursprüngliche Infektion passierte über Spear-Phishing-E-Mails, also dem Versand von Schadsoftware an gezielte Personen bzw. Organisationen. Die Installation des Trojaners wurde durch das Öffnen eines vermeintlichen Dokumentenanhangs erreicht, der sich als Malware entpuppte.

Kontrolle über Buchungs-PCs

Über installierte Software-Tools, die eigentlich die Verwundbarkeit des Netzwerks testen sollen, verbreitete sich der Trojaner im Netz. Er erschlich sich entsprechende Kontrollrechte und machte die Computer ausfindig, die dezidiert für Bezahl- und Transaktionsprozesse von Bankomatkarten verwendet werden. Nachdem die Kontrolle über diese übernommen war, konnte der Bankomatencoup durchgeführt werden.

Kaspersky zufolge ist unklar, ob auch Banken außerhalb Russlands betroffen sind. Die Metel-Gruppe treibe definitiv noch ihr Unwesen, selbst wenn die ursprüngliche Infektion beseitigt wurde. "Dass die Beträge derzeit noch überschaubar sind, hängt damit zusammen, dass dies erst der Anfang der Angriffswelle ist", sagt Kaspersky-Analyst Sergey Golovanov zur futurezone. "Auch die Carbanak-Gruppe begann zunächst in der Ukraine, bevor die Angriffe auf verschiedenste Länder weltweit ausgeweitet wurde - mit einem Schaden von einer Milliarde Dollar. Die Attacke kann problemlos auch bei Banken in anderen Ländern durchgeführt werden", erklärt Golovanov.

GCMAN-Gang

Eine zweite Gruppe, von den Kaspersky-Sicherheitsexperten als "GCMAN"-Gang bezeichnet, ging ähnlich wie die "Metel"-Kriminellen vor. Der harmlos scheinende Word-Datei-Anhang im E-Mail entpuppte sich als RAR-Archiv, nach dessen Öffnen sich die Malware installierte. Um durchs Netzwerk zu wandern, hängte sich die Malware an Testwerkzeuge wie Putty, VNC und Meterpreter. Über diese spähte die Software die PCs aus, die mit Finanztransaktionen zu tun haben, und übernahm die Kontrolle.

Ein Script, das erst eineinhalb Jahre (!) nach der ursprünglichen Infektion aktiv wurde, sorgte schließlich dafür, dass jede Minute 200 Dollar an elektronische Zahlungsservices wie Bitcoin und PayPal abgeführt wurden. Die Bank bekam von diesen Transaktionen nichts mit, endeckte nach Tagen allerdings verdächtige Netzwerkaktivitäten, womit der Betrug schließlich aufflog. Die Kaspersky-Recherchen ergaben zudem, dass die Angreifer auch versuchten, das Admin-Account des Bank-Servers zu hacken, aber auch hier sehr geduldsam vorgingen. Die Versuche fanden nur drei Mal pro Woche und hauptsächlich an Samstagen statt, um wenig Aufsehen zu erregen.

Carbanek 2.0

Nachdem es zunächst so aussah, als ob die Gruppe nicht zuletzt durch die Ermittlungserfolge und Medienberichte in der Versenkung verschwunden war, habe man Ende des Jahres wieder Aktivitäten nachweisen können. Kaspersky zufolge hat die Gruppe ihre Strategie angepasst und zielt nun nicht mehr nur auf Banken, sondern generell auf Bereiche in großen Konzernen ab, die mit Buchhaltung und Geldtransaktionen zu tun haben. Wie zuvor werden die in diesem Bereich verantwortlichen Mitarbeiter nach einer Infektion des PCs ausgespäht und deren Verhalten studiert.

Hat der Angreifer verstanden, wie die internen Prozesse ablaufen, schlägt er mit Transaktions-Anweisungen und ähnlichen Manipulationen zu, die auf den ersten Blick nicht auffallen. In einem Fall änderte der Angreifer auch den Namen eines großen Anteilseigentümers einer Firma und setzte statt dessen eine Briefkasten-Finanzfirma als Eigentümer ein. Welchen Schaden die Kriminellen mit dieser Aktion anrichten wollten, sorgt selbst bei den Sicherheitsfachleuten für Rätselraten.

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Martin Jan Stepanek

martinjan

Technologieverliebt. Wissenschaftsverliebt. Alte-Musik-Sänger im Vienna Vocal Consort. Mag gute Serien. Und Wien.

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