Das unsichtbare Netz der Datenhändler
Das unsichtbare Netz der Datenhändler
© /NicoElNino/iStockphoto

Studie

Wer im Netz Milliarden mit unseren Daten macht

Sie wissen alles über uns, aber wir wissen so gut wie nichts über sie: Firmen und Netzwerke, die Daten über uns sammeln, mit anderen Datenhändlern austauschen und einsetzen. Da ist zum Beispiel die britische Firma „Visual DNA“. Sie sammelt Daten in Form von Persönlichkeitstests durch Online-Quizzes wie „Wer bin ich?“. 40 Millionen Menschen haben daran bereits freiwillig teilgenommen. „Visual DNA“ hat laut eigenen Angaben bereits Daten von 500 Millionen Menschen kategorisiert. Die Informationen werden allerdings nicht nur für Marketingzwecke verwendet, wie manche glauben, sondern auch für Kredit- und Risikobewertungen. Was man in einem Online-Quiz angibt, kann also auch Auswirkungen darauf haben, ob man später einen Kredit bekommt.

Intransparenz

Bei vielen Persönlichkeitstests, die online angeboten werden, lässt sich aber gar nicht herausfinden, wer dahinter steckt und wozu die Daten wirklich verwendet werden. „Die komplette Intransparenz der Firmen ist ein großes Problem. Man könnte vermuten, dass das andere auch machen, aber wir wissen es einfach nicht“, erklärt der Wiener Forscher Wolfie Christl im futurezone-Gespräch.

Wolfie Christl

Christl hat zusammen mit der WU-ProfessorinSarah Spiekermannumfangreich untersucht, wie unser Alltag von Firmen digital durchleuchtet wird. „Es passiert ohne Wissen der meisten Menschen und ohne bewusste Zustimmung. Wir wissen außerdem wenig darüber, wie umfangreich diese Sammlungen sind“, erklärt der Forscher. „Diese Firmen entscheiden, welche Angebote wir online sehen, welche Preise wir angezeigt bekommen oder wie lange wir in einer Telefonwarteschleife warten.“ Das Geschäft mit den Daten ist zudem ein lukratives, es geht hier um Milliardenbeträge.

Zu den ganz großen Datenhändlern dieser Welt zählt auch die US-Firma Oracle, die eigentlich das größte Software-Unternehmen der Welt ist und deren Programme in vielen Firmen eingesetzt werden. Oracle hat Profile von drei Milliarden Menschen erstellt, die sie über 15 Millionen verschiedene Websites eingesammelt hat. Dies geschieht mittels kleiner Dateien, die im Hintergrund laufen, wenn man eine Seite im Netz aufruft. Außerdem hat Oracle Zugriff auf das Einkaufsverhalten bei rund 1000 großen Handelsunternehmen und arbeitet mit Facebook zusammen. 700 Millionen Datensätze stammen aus sozialen Netzwerken. Daneben kooperiert der US-Konzern auch noch mit anderen Datenhändlern und Kreditauskunfteien.

Identifikation

„Firmen wie Oracle arbeiten daran, eindeutige Identifikationsnummern für Menschen zu erstellen, um sie immer und überall zuordnen und identifizieren zu können, über Geräte, Plattformen und Lebensbereiche hinweg“, erklärt Christl. Ähnliches macht auch die Firma Lottame, die drei Milliarden Cookies eingesetzt und zwei Milliarden Geräte-IDs von Smartphones gesammelt hat. „Von diesen Firmen gibt es sehr viele und sie übernehmen die Kontrolle über unsere Daten.“

Richtig bedenklich wird es, wenn Firmen wie Cambridge Analytica aus den USA diese Sammlungen auch dazu nutzen, gezielt personalisierte Wahlwerbung zu fabrizieren und damit Menschen bei ihren Entscheidungen manipulieren. „Das ist eine grundsätzliche Bedrohung für die Demokratie, wenn Menschen auf Basis ihrer individuellen politischen Einstellung mit unterschiedlichen Varianten von politischen Inhalten versorgt werden“, sagt Christl.

Was tun?

Die Daten von Google, Facebook und Amazon sind nur kleine Puzzle-Teile in einem großen Netzwerk. Christl will mit der Studie vor allem Bewusstsein schaffen. Rechtlich bewegen sich die Datensammler oft in Grauzonen, wehren kann man sich als Einzelner nur schwer. Gesetze und Regulierungen ließen lange Zeit auf sich warten und auch jetzt noch gibt es etwa in der EU-Datenschutzverordnung Schlupflöcher, die diese Geschäftsmodelle nicht zerstören. „Wir müssen als Gesellschaft erst wieder die Handlungsmacht zurückgewinnen“, meint Christl.

"Einzelne Menschen würden nie zustimmen ihren kompletten Tagesablauf, alle Kontaktadressen und ihre Bewegungen an eine ihnen unbekannte Person weiterzugeben. Mit der Benutzung unseres Mobiltelefons machen wir das aber jeden Tag. Was bedeutet das für uns persönlich und uns als Gesellschaft? Wir wollen hier mit unserer Studie für mehr Transparenz und Bewusstsein sorgen."

„Networks of Control“ heißt die Studie, die Wolfie Christl zusammen mit der WU-Professorin Sarah Spiekermann am Freitag in einem Buch veröffentlicht (Facutlas Verlag, ISBN 978-3-7089–1473-2) und als PDF online veröffentlicht. Die beiden haben jahrelang zum Thema geforscht und legen nun eine umfassende Untersuchung vor. Das Buch zeigt anhand zahlreicher Beispiele, wie heute fast in jedem Lebensmoment Informationen gesammelt werden. Am Freitag wird in Wien auch das "Privacy & Sustainable Lab" an der WU Wien veröffentlicht. Dort stellen die beiden die Studie erstmals offiziell vor.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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