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Österreich

"Der Markt für YouTube-Stars ist noch sehr klein"

"Wir leisten Pionierarbeit", sagt Sandra Thier. Vor knapp einem halben Jahr rief die frühere Fernsehmoderatorin gemeinsam mit dem Medienunternehmer Rudi Kobza unter dem Dach ihrer Agentur Diego5 Österreichs erstes Multi-Channel-Netzwerk ins Leben. So nennt man den Zusammenschluss von mehreren YouTube-Kanälen, um sie gemeinsam zu vermarkten.

Die Stars des Netzwerkes heißen Celina Blogsta, Fancyrella, Catow Beauty, Bluefish Productions oder Joanna Zhou, sie sind zwischen 15 und 33 Jahre alt und geben Schmink- und Modetipps, reißen Witze oder spielen Computergames. 32 "Creators", wie die vorwiegend jugendlichen Videoproduzenten genannt werden, hat das Netzwerk mittlerweile unter Vertrag.

Joanna Zhou, die erfolgreichste unter ihnen zählt auf auf ihren beiden YouTube-Kanälen "Cute Life Hacks" und "Maqaroon" mittlerweile insgesamt fast 400.000 Abonnenten. Ein Video, in dem die 31-jährige Schmuckdesignerin zeigt, wie man aus Schokoladeaufstrich Lippenbalsam macht, wurde bislang mehr als vier Millionen Mal abgerufen.

"Der Markt ist sehr klein"

Im Vergleich mit internationalen Größen, sind die Abruf- und Abo-Zahlen der heimischen YouTube-Stars bescheiden. In Deutschland zählt der Vorzeige-YouTuber LeFloid mehr als 2,8 Millionen Fans, internationale Größen wie der Schwede Felix Kjellberg (PewDiePie) haben mehr als 40 Millionen regelmäßige Zuseher. Österreich hinke auf dem Gebiet eben hinterher, sagt Thier. Der Markt sei sehr klein, entwickle sich aber durchaus positiv.

Rund 2,7 Millionen Österreicher rufen pro Monat Videos bei YouTube ab. YouTube-Kanäle würden auch längst nicht mehr nur von Teenagern für Teenager produziert, meint die Diego5-Gründerin. In Österreich seien etwa 77 Prozent der Zuseher älter als 25 Jahre. Dass auch ältere Leute zunehmend auf YouTube reüssieren könnten, beweise etwa der deutsche Manager Horst Lüning (mehr als 20.000 Abonnenten), der vor laufender Kamera Whisky verkostet.

"Brücke zur Wirtschaft"

Ihr Unternehmen verstehe sich als Brücke zur werbetreibenden Wirtschaft, so die Netzwerk-Chefin. Neben Product Placement, bei dem Produkte in den Clips platziert werden, gebe es auch noch die Möglichkeit des Sponsorings. YouTuber können aber auch für Testimonials eingesetzt werden und stehen auch für eigene Clips auf Unternehmens-Webseiten zur Verfügung. Thiers Agentur geht Firmen auch bei der Konzeption und Produktion solcher Filme zur Hand.

In Österreich kann, von wenigen Ausnahmen abgesehen, kein YouTuber von seinen Clips alleine leben. Über Verdienstmöglichkeiten will Thier ebenso wenig Auskunft geben, wie über die Verteilung der Werbeeinnahmen zwischen Diego5 und seinen vorwiegend jugendlichen Klienten. "Geld sollte nicht das wichtigste Motiv sein", sagt Thier. "Man fängt an aus Spaß etwas zu machen und die Community entscheidet ob es erfolgreich ist oder nicht."

Diego5 berät seine YouTuber auf Wunsch auch bei der Produktion der Clips und in rechtlichen Fragen oder bietet Coaching zu Moderation, Schnitt und Kamera an. Daneben werden auch Netzwerktreffen veranstaltet. "Wir bieten eine Plattform, wo sich die YouTuber austauschen können", erzählt Thier. Die Leute lernen sich kennen, reden darüber welche Themen gut im Netz ankommen und machen auch gemeinsam Videos."

"Wichtig sind gute Inhalte"

Anfangs habe man YouTuber gezielt ausgewählt, sagt die Agenturchefin. "Mittlerweile kommen viele zu uns." Wichtig seien gute Inhalte, bei denen man lacht , etwas lerne oder einfach gut unterhalten werde.

Ist Fernsehen nur noch etwas für ältere Leute? "Es gibt noch TV-Formate, die auch bei jungen Leuten gut funktionieren", sagt Thier unter Verweis auf die deutsche Seifenoper "Gute Zeiten, schlechte Zeiten". Früher habe es nur das Fernsehen gegeben, heute würde man sich Inhalte aus unterschiedlichen Quellen zusamensuchen, so die ehemalige Moderatorin, die selbst fast 17 Jahre in Österreich und Deutschland für Radio und TV tätig war. "Es wird sich vieles ändern. Heute wachsen Kleinkinder mit Smartphones und Tablet auf. Da schaut keiner mehr Fernsehen."

In anderen Ländern werden YouTube-Stars mittlerweile auch von der Politik ernstgenommen. Als die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel im heurigen Sommer der YouTube-Größe LeFloid ein Interview gewährte, war die Aufregung groß. Auf die Frage, wie lange es noch dauern werde, bis auch ein österreichischer Bundeskanzler einem YouTuber Rede und Antwort stehe, meint Thier: "Wenn wieder eine Wahl ist und wenn er bei den Jungen punkten will."

Die Themen, die auf YouTube Zuseher anlocken, sind in fast allen Ländern die selben. Neben Lifestyle-, Mode, Schönheits- und Basteltipps werden auch Actionsport, Spiele, Musik oder Comedy gerne gesehen. Der nach Abonnentenzahlen derzeit wohl populärste österreichische YouTuber KsFreak sammelte etwa mit Brachialkomik mehr als 550.000 Fans auf YouTube.

Fast 330.000 Leute sehen dem 18-jährigen Rafael, der sich auf der Online-Videoplattform „VeniCraft“ nennt, beim Computerspielen zu. Auch Hip-Hop und Heavy-Metal-Musik sind beliebt. Die Labels Damestream Records und Napalm Records zählen jeweils mehr als 300.000 Abonnenten. Der mit mehr als 4,7 Millionen Abonnenten größte österreichische YouTube-Kanal kommt nicht aus dem Kinderzimmer, sondern von einem Weltkonzern. Der Getränkehersteller Red Bull zeigt dort Sport- und Action-Clips. Detaillierte Rankings österreichischer YouTuber können auf der Plattform Socialblade abgerufen werden.

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Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

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