Ein erfolgreicher Österreicher im Silicon Valley - der Vorarlberger Andreas Wendel arbeitet seit Sommer 2013 im geheimen Forschungslabor Google X am Google Self-Driving Car mit
Ein erfolgreicher Österreicher im Silicon Valley - der Vorarlberger Andreas Wendel arbeitet seit Sommer 2013 im geheimen Forschungslabor Google X am Google Self-Driving Car mit
© Gordon De Los Santos

SERIE - Teil 7

Der mit den Google-Autos spricht

Andreas Wendel ist ein Googler, aber ein ganz besonderer – um seinen Job beneiden ihn wohl die meisten seiner ehemaligen Studienkollegen. Nicht nur, weil er bei einem der wohl hippsten Technologie-Konzerne der Gegenwart arbeitet, sondern weil er einer der wenigen Auserwählten ist, die bei Google X arbeiten. Und Google X ist ebenfalls etwas Besonderes, nämlich Googles geheimnisumwittertes Forschungslabor.

Das Geheimlabor Google X

Dort wird unter der Leitung eines der beiden Google-Gründer, Sergey Brin, an fünf oeffentlich bekannten und wahrscheinlich einigen unbekannten Projekten gearbeitet, mit denen die wirklichen Probleme dieser Welt gelöst werden sollen. Was sich genau hinter den Mauern dieser Forschungsanlage nahe dem Google-Campus im kalifornischen Mountain View befindet, weiß kein Journalist und wird auch nicht verraten. Wer dort arbeitet, unterliegt den strengsten Verschwiegenheitsverpflichtungen, die eine Firma ihren Mitarbeitern wohl auferlegt. Angeblich, so hat einmal die „New York Times“ geschrieben, laufen dort Roboter frei herum, gibt es Teller, die via Web übermitteln, was man gerade isst, gibt es Kühlschränke, die mit dem Online-Supermarkt verbunden sind und selbstständig ordern etc. Ob das stimmt?

Bestätigt sind Google X-Projekte wie Loon – solarbetriebene Heißluftballone, mit denen Entwicklungsländer und Katastrophengebiete mit Internet versorgt werden soll; Google Glass – die intelligente Brille; die smarte Google Kontaktlinse, die mit winzigen Sensoren die Blutzuckerwerte misst und diese Daten an eine App im Smartphone schickt; oder Self-Driving Cars, also allein fahrende Autos. Und bei letzterem Projekt arbeitet der Österreicher federführend mit. Wendel, geboren in Vorarlberg und Absolvent der Technischen Universität Graz, ist einer der Robotik- und Computer-Vision-Experten der Gegenwart.

2004 hat Wendel in Graz mit seinem Telematik-Studium begonnen, das er nicht nur in kürzester Zeit, sondern mit den Bestnoten abschließen konnte. Kommende Woche kommt er deshalb nach Graz, wo an der Uni seine Promotion „Sub auspiciis Praesidentis“ gefeiert wird.

Google Self-Driving Car - Andreas Wendel

Einer der Besten der Besten

Wendel ist einer dieser so oft zitierten „Besten der Besten“. Aber das hört der 30-Jährige gar nicht gern, denn Zurückhaltung und Bescheidenheit sind zwei Tugenden, die einem auffallen, wenn man ihn das erste Mal persönlich trifft. Er ist ein „klassischer“ Österreicher – war Skilehrer, spielt Trompete in einer Blasmusikkapelle und ist zur Draufgabe noch Rettungstaucher. Er hat bislang 14 Auszeichnungen erhalten, an 34 Publikationen mitgearbeitet und war u.a. Software-Entwickler bei Microsoft . An der TU Graz war er zuletzt Universitäts-Assistent und Leiter der Aerial Vision Group.

Wenn man mit ihm über das spricht, was er gerne macht, kommt er ins Schwärmen, erzählt er seine noch kurze, aber dennoch spannende Lebensgeschichte. Während seines Studiums ging er von Graz zuerst an die kanadische McMaster University in Hamilton und anschließend an eine der berühmtesten Roboter-Forschungsstätten der Welt, ans Robotics Institute der Carnegie Mellon University in Pittsburgh. Dort entwickelte er mit den beiden Professoren Martial Hebert und Drew Bagnell eine selbstfliegenden Drohne, die durch einen dichten Wald fliegen und durch eine von ihm entwickelte Objekterkennungsmethode Hindernisse erkennen und Zusammenstöße verhindern konnte.

Er lernt Computern denken

„Ich versuche Computern beizubringen, Zusammenhänge aus Bildern zu erkennen, diese zu verstehen und darauf richtig zu reagieren“, schildert Wendel. Im Falle von Drohnen, die alleine fliegen, ist es wichtig, diesen beizubringen, ein Bild anhand von verschiedenen korrespondierenden Punkten, die optisch mit Kameras oder Laser wahrgenommen werden, richtig in 3D zu interpretieren. „Hinzu kommt noch, dass das alles eine möglichst kleine Recheneinheit schaffen muss, weil ja auf einem so kleinen Fluggerät nicht sehr viel Platz ist.“

Wendels Knowhow begeisterte nicht nur die Professoren in den USA, sondern später auch Google, die den Österreicher an Bord haben wollten. Es folgten die üblichen Interviews – sechs an der Zahl – und – wenig überraschend – das Engagement. Seit Sommer 2013 lebt er mit seiner Frau Julia, die an der deutsch-amerikanischen Schule in Menlo Park unterrichtet, in Mountain View.

Algorithmen sind seine Welt

Mit dem Rad fährt er zur Arbeit und dann lässt er sich chauffieren. Wendel bringt Autos bei, wie sie alleine fahren können. Über seine Arbeit darf er – schade für Journalisten - nur das erzählen, was von den offiziellen Stellen Googles freigegeben wurde, er ist ein Geheimnisträger, denn auch andere Konzerne wie Audi, General Motors oder Toyota arbeiten an selbstfahrenden Autos. „1,2 Millionen Menschen sterben jährlich weltweit bei Verkehrsunfällen“, sagt Wendel, „für 90 Prozent der Unfälle sind die Menschen verantwortlich. Den Unfallfaktor Mensch sollte man in Zukunft ausschließen können.“

Die Prius- und Lexus-Flotte

Die Version 1 der Self-driving cars kündigte Google bereits 2010 an – Autos der Marke Toyota Prius und Lexus mit einem markanten Aufbau am Dach, in dem die Technik eingebaut ist – Sensoren, Kameras, Radar. Im Inneren sehen diese Autos wie normale Autos aus, mit einem normalen Armaturenbrett, Lenkrad, Schalthebel etc. Diese Fahrzeuge werden seit zwei Jahren auf den Straßen Kaliforniens getestet, die Technik könnte in absehbarer Zeit in Serienfahrzeuge eingebaut werden. „Das wird die Mobilität revolutionieren“, sagt Wendel, „der Verkehr wird nicht nur sicherer, es können auch Menschen mit dem Auto fahren, die bislang nicht oder nur bedingt mobil sein konnten.“ Bestes Beispiel ist jenes von Steve Mahan, der blind ist und sich im März 2012 ans Steuer eines Google-Car setzte.

Wenn Wendel mit dem Auto unterwegs ist, werden Daten gesammelt, um die Systeme zu verbessern und Analysen zu erstellen. Naturgemäß sind Nicht-Googler nicht als Co-Passagiere erlaubt, einzig enge Familienangehörige darf Wendel mitnehmen; seine Frau – „es war cool“ – saß ebenso schon neben ihm wie seine Mutter, die vor zwei Monaten ihren Sohn besuchte. „Meine Mutter war zuerst natürlich sehr aufgeregt, weil sie nicht gewusst hat, was sie erwartet, aber innerhalb von Minuten war sie beruhigt und sehr begeistert.“

Die Self-driver-Flotte

Vergangenen Mittwoch hat Google ein neues Kapitel der Geschichte der selbst fahrenden Autos aufgeschlagen – Autos, die ohne Lenkrad und ohne Bremse fahren, quasi zu öffentlichen Individualverkehrsmitteln in innerstädtischen Bereichen werden können.

„Ich bin wirklich stolz, Teil des Teams zu sein, das diese Self-Driving Cars entwickelt“, sagt Wendel, „ich will die Welt positiv verändern und die selbstfahrenden Autos werden das tun. Denn Menschen, die nicht (mehr) fahren können, werden künftig mobil unterwegs sein. Und das kann man durchaus als Revolution bezeichnen.“

Das komplett selbst fahrende Auto ist derzeit auf innerstädtischen Verkehr ausgelegt und erreicht ein Tempo von maximal 40 Stundenkilometer. Ausgestattet mit einem 360-Grad-Laser-Sensor auf dem Dach und diversen anderen Positions- und Orientierungssensoren, ist das Auto völlig sicher unterwegs. „Für die Menschen ist es noch unvorstellbar, dass sie sich in ein Fahrzeug setzen, ein Ziel eingeben oder ein Fahrtkommando geben und es fährt alleine los“, sagt der Österreicher, „aber das wird in einigen Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit möglich sein.“ Ein Auto ist nicht alkoholisiert, ein Auto lässt sich nicht ablenken, der Technik sind menschliche Probleme und Sorgen egal. „Die Technik ist zuverlässiger als der Mensch.“

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