Den Anfang machten Kaffeehäuser, doch Gratis-WLAN etablierte sich in Folge auch in Hotels, an Tankstellen oder in Einkaufszentren.
Den Anfang machten Kaffeehäuser, doch Gratis-WLAN etablierte sich in Folge auch in Hotels, an Tankstellen oder in Einkaufszentren.
© Barbara Wimmer

10 Jahre Freewave

"Die Kaffeehäuser hatten Angst vor Laptop-Zombies"

Seit zehn Jahren gibt es mit Freewave eine Firma in Österreich, die Kaffeehäuser, Hotelbetriebe und touristische Orte wie die Kunsthalle Wien mit WLAN ausstattet. 630 Hotspots dieser Art gibt es bisher. Für die Besucher ist der Hotspot dabei kostenlos, die Unternehmen zahlen für das Service Geld. Wir haben mit dem Gründer von Freewave über seine Dienstleistung, die Start-Up-Kultur und die Entwicklung von Gratis-WLAN gesprochen.

futurezone: Vor genau zehn Jahren haben Sie Freewave gegründet, vor einem Jahr konnten Sie den 500. Freewave-Hotspot feiern, jetzt sind es bereits 630 Hotspots. Eine rasante Entwicklung.
Wolfgang Krivanek: Ja, es geht viel schneller als am Anfang. Der Start war nicht einfach. Als ich die Idee und das Konzept hatte bin ich mit dem Rucksack wie ein fahrender Verkäufer in der Wiener Innenstadt herumspaziert. Ich bin in Kaffeehäuser gegangen und wollte den Betrieben kostenloses Internet verkaufen. Mit Aussagen wie „Das wird es bei mir nie geben“ bin ich vor die Tür gesetzt worden.

Was war der Grund dafür?
Sie hatten Angst vor Laptop-Zombies, die nichts konsumieren außer ein Glas Wasser und ihnen den ganzen Tag lang den Platz versitzen. Nach dem ersten Jahr Freewave gab es drei bis vier Kunden, nach dem zweiten Jahr zehn bis 15. Nach drei Jahren hat es dann plötzlich einen Ruck gegeben und es hat ein Umdenken in der Branche stattgefunden. Meine ersten Kunden haben auch heute noch Freewave und das freut mich besonders.

Wolfgang Krivanek, Freewave-Gründer in einem Wiener Kaffee beim futurezone-Gespräch.
Wenn Sie durch Ihren Job dann viele Wiener Kaffeehaus-Besitzer persönlich?
Ja. Das ist etwas, das mir an dieser Arbeit wirklich großen Spaß macht und ein Grund, warum ich nicht zum absoluten Schreibtisch-Tiger werde. Es ist extrem spannend, die tollen Unternehmer-Persönlichkeiten kennenzulernen. Jeder hat seine eigene Philosophie.

Als ich im Hotel Imperial das WLAN installierte habe, musste ich durch Zwischendecken kriechen, um einen Sender zu montieren. Da konnte man sich nur liegend fortbewegen. Ich habe danach ausgesehen wie ein Rauchfangkehrer, aber dafür habe ich die Original-Wände des historischen Gebäudes gesehen. Das entschädigt für vieles. Man sieht Zugebautes, gut Verstecktes.

Mittlerweile bedienen Sie auch viele andere Branchen.
Hotels sind mittlerweile zu wichtigen Punkten geworden ebenso wie Tankstellen oder Einkaufszentren. Dort wird das kostenlose WLAN neben Touristik-Hotspots und Event-Locations am meisten genutzt. Wir haben etwa das Schloss Schönbrunn oder die Kunsthalle im Museumsquartier mit Freewave-WLAN ausgestattet. Für jeden Tourismus-Betrieb ist es ein Gewinn, wenn Touristen Fotos machen und diese gleich auf Facebook stellen. Das ist ein unbezahlbarer Werbeeffekt.

Sonst zählen auch bereits Autohäuser (Peugeot, Citroen), Fitnesscenter (Holmes Place), Krankenhäuser (Privatklinik Döbling, Evangelisches Krankenhaus), Fussballstadien (Admira Wacker Mödling) und Tankstellen (BP, Shell) zu unseren Kunden.

Freewave im Hotel
Warum entscheiden sich die Kunden für Ihren Service? Könnten Sie die kostenlosen Hotspots nicht auch ohne Sie anbieten?
Neben dem technischen Betrieb und der Wartung setzen wir auch auf Vermarktung. Zusammen mit Wien Tourismus bringen wir regelmäßig Stadtpläne raus, auf denen all unsere Hotspots in der Wiener Innenstadt aufgelistet sind. Über eine kostenlose Freewave-App werden Touristen über die Hotspots informiert. Deswegen tritt Freewave auch als Marke auf, um einen Mehrwert für Kunden zu schaffen.

Arbeiten Sie noch immer alleine?
Nein, habe jetzt ein kleines Team – zwei Techniker und eine Büro-Kraft, die hier fix unterstützt. Das funktioniert sehr gut.

Auch die Stadt Wien bietet immer mehr öffentliche WLAN-Hotspots an. Sehen Sie diese als Konkurrenz?
Nein, gar nicht. Die Stadt Wien baut Hotspots, die öffentliche Bereiche wie Straßenzüge, Parks oder die Donauinsel versorgen. Mein Klientel sind ganz klar Unternehmen, die eine komplette Rundumbetreuung wünschen und wollen. Das ist etwas ganz Anderes. Bisher gab es bei den Hotspots der Stadt Wien eine Registrierungspflicht und Kunden haben praktisch mit ihren Daten gezahlt. Bei uns ist die Nutzung völlig anonym.

Sie bieten Ihren Kunden, also den Betrieben, auch Nutzungsstatistiken an. Was genau wird da ausgewertet?
Wir werten einmal monatlich aus, welches Endgerät zugegriffen hat und welche Sprache im Webbrowser eingestellt war. Unsere Kunden bekommen dann die Informationen, wie viele Menschen täglich den Hotspot verwendet haben. Daran lässt sich etwa ablesen, welche Nationalität internetaffin ist.

Werden Sie an dieser Praxis in Zukunft was ändern?
Im Laufe des Jahres wird es eine neue Auswertung geben, bei der unsere Kunden sehen, welche Gäste Freewave auch noch an anderen Standorten genutzt haben. Damit lassen sich die Bewegungen der Gäste nachvollziehen und Betriebe könne gezielte Marketing-Maßnahmen setzen. Das ist gerade in Wien besonders interessant. Mein Ziel ist, dass sich meine Kunden auch miteinander vernetzen. Wenn ein Kaffeehaus sieht, dass von einem bestimmten Hotel besonders viele Gäste kommen, könnte man eine Kooperation ausmachen.

Werden Sie noch weitere Daten speichern?
Nein, das sind die einzigen Daten, die wir auswerten und speichern. Mir ist das sehr wichtig, denn ich halte den Trend zur Vollüberwachung für falsch. Mir ist der anonyme Zugang zum Internet wichtig. Wenn jemand etwas Böses vorhat, wird er es so oder so tun. Ich halte es für den falschen Weg, deshalb die Freiheitsrechte aller einzuschränken. Dafür steht Freewave nicht, da bin ich sehr strikt. Wenn ein Interessent meint, er möchte Zensurmaßnahmen haben, muss er sich einen anderen Anbieter suchen. Freewave steht für einen offenen Internet-Zugang.

Haben Sie wegen dieser Offenheit auch schon Kunden verloren?
Bei manchen Bildungseinrichtungen war am Anfang der Wunsch da, gewisse Inhalte zu zensieren. Wenn man die Verantwortlichen dann fragt: „Wollen Sie wirklich, dass unsere Jugend aufwächst mit dem Gefühl, dass Zensur etwas ganz Normales sei? Ist das eines der Ziele?“ Dann macht es meistens Klick und die meisten kommen zu dem Schluss, dass Jugendliche, wenn sie bestimmte Inhalte im Netz entdecken, das besser unter der Obhut von Erwachsenen passiert. Denn damit haben sie gleich einen Ansprechpartner.

In Österreich mussten bereits erste Internet Service Provider Netzsperren umsetzen. Könnte Sie das als WLAN-Anbieter theoretisch auch treffen?
Theoretisch ja. Ich glaube aber, dass das aufgrund gewisser anderer Maßnahmen nicht passieren wird.

Was sind diese „gewissen anderen Maßnahmen“?
Wir stellen Nutzern nur eine gewisse Bandbreite zur Verfügung und wir sind da sehr restriktiv. Ein durchschnittlicher Freewave-Hotspot wird nie eine hohe Download-Geschwindigkeit aufweisen, auch wenn die Leitung dahinter entsprechend dick ist. Der Gast im Kaffeehaus soll Skypen können, Facebook aufrufen, aber nicht große Daten bewegen oder runterladen.

Am Freewave-Hotspot ist das Runterladen von großen Files dadurch nicht so interessant. In den Nutzungsbedingungen haben wir Filesharing bei Urheberrechtsverletzungen auch ausgeschlossen. Technisch gibt es aber keine Maßnahmen, die das verhindern.

Wie schnell ist dann eine durchschnittliche Freewave-Verbindung für einen Kunden?
1,5 bis 2 MB im Downstream.

Ist das Datenvolumen trotzdem gewachsen im Laufe der vergangenen zehn Jahre?
Wir haben in den vergangenen zwölf Monaten deutlich über 500 Terabyte bewegt. Das ist gewaltig.

Sind die Kosten für Ihre Kunden, also die Betriebe, dadurch gestiegen?
Freewave kostet im günstigsten Fall noch immer genauso viel wie vor zehn Jahren. Die Kosten haben sich für bestehende Kunden nicht erhöht. Die Internet-Anbindungen dahinter haben wir sehr wohl schneller gemacht. Vor zehn Jahren war die Leitung ein Mbit, das war damals schon schnell. Heute ist es ein Vielfaches dessen. Wenn wir ein größeres Upgrade durchführen, fragen wir unsere Kunden sehr wohl, ob sie die Mehrkosten übernehmen.

WLAN-Betreiber in Deutschland sind noch haftbar für Traffic in ihren Netzwerken
Kommen wir kurz zur Störerhaftung in Deutschland. Würde es Freewave in dieser Form geben können?
So wie wir es in Österreich machen sicherlich nicht. Die Störerhaftungsgeschichte hat dazu geführt, dass Deutschland eine WLAN-Wüste ist. Dort, wo es WLAN gibt, ist es für den Nutzer extrem kompliziert, weil er sich registrieren muss. Das ist auch der Grund, warum ich vor vielen Jahren gesagt habe, dass ich keine Expansionspläne in Deutschland habe. Durch den neuen Gesetzesentwurf wäre es zwar für Unternehmen wie Freewave möglich, aber ich bleibe am Heimatmarkt Österreich.

Bringt das neue Gesetz Ihrer Meinung nach ausreichend Besserung?
Nein. Die Entwicklung in Deutschland ist prinzipiell schade, weil – da spreche ich gegen jetzt gegen die Branche an sich – warum soll ein Café keinen eigenen offenen WLAN-Router hinstellen dürfen? Das ist ein seltsamer Protektionismus der Branche.

Glauben Sie, dass es heutzutage mit der Start-up-Kultur, die sich in Österreich entwickelt hat, für Sie einfacher gewesen wäre, zu wachsen, als vor 15 Jahren?
Das ist ein zweischneidiges Schwert. Ich habe Freewave ohne Förderungen und Investoren ins Leben gerufen. Das habe ich auch nie angepeilt. Gute Ideen setzen sich immer durch, manchmal dauert es einfach ein wenig länger. Ich halte es für ein Problem, wenn es wie bei vielen Start-ups gar nicht mehr um das Unternehmen, sondern nur um die rasche Rendite geht. Heute ist eine gewisse Herzlosigkeit da.

Die Leute besinnen sich nicht mehr auf die Vergangenheit. Die heutigen Großkonzerne sind entstanden, weil ein Mensch eine Idee gehabt hat und gegen alle Widrigkeiten für diese Idee gekämpft hat. Ich halte das für den richtigen Weg, wie Wirtschaft funktionieren sollte. Man arbeitet für eine Idee und ist Dienstleister.

Wie stellen Sie sich die nächsten zehn Jahre Freewave vor?
Das Wachstum, das Freewave hinlegt, soll weiterhin ein natürliches Wachstum sein. Das heißt, es wird weiterhin keinen Investor geben, um das Unternehmen aufzublasen. Sonst würde die Nähe zum Kunden verloren gehen. In den nächsten zehn Jahren sollen die Zahl der Betriebe, die auf Freewave setzen, auf über 1000 gestiegen sein. Eine internationale Expansion ist aber nicht geplant. Ich habe keine Intention, mit Freewave die Welt zu erobern.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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