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Interview

"Einfache Anwendungen sind der Kern und das Ziel von NFC"

Der steirische Elektroingenieur Franz Amtmann ist gemeinsam mit seinem französischen Kollegen Philippe Maugars mit dem Europäischen Erfinderpreis in der Kategorie Industrie ausgezeichnet worden. Bei NXP Semiconductors Austria in Gratkorn, Steiermark war er maßgeblich an der Entwicklung von Near Field Communication beteiligt. Mit der futurezone sprach er über die Hoffnungen bei der Entwicklung von NFC, wieso die Technologie solange für den Durchbruch benötigte und wie zukünftig Fälschern mit NFC das Leben schwer gemacht werden soll.

futurezone: Sehen Sie sich selbst als Erfinder von NFC?
Franz Amtmann:
Nicht als alleiniger Erfinder. Die Idee ist ein einem Brainstorming-Meeting entstanden, auf dem Patent selbst sind fünf Namen gelistet. Mein Team hat zusammen mit einem französischen Team drei Jahre benötigt, um den ersten Chip zu entwickeln. Ich wurde stellvertretend für mein Team ausgezeichnet, zusammen mit meinem Kollegen Philippe Maugars, der das französische Team repräsentiert.

Wann haben Sie mit der Entwicklung von NFC begonnen?
2002, nach der Bewilligung des Patents. Wichtig war für uns ein offenes und standardisiertes Produkt zu entwickeln. Wenn man etwas in hohen Stückzahlen herstellen will, muss es breit und vielseitig einsetzbar sein. Deshalb haben wir zusammen mit Sony und Nokia das NFC Forum gegründet. Mittlerweile zählen 170 Unternehmen dazu.

Haben Sie sich bei der Entwicklung von NFC schon gedacht, dass es ein weltweit genutzter Standard wird?
Wir haben es zumindest gehofft. Es gab ja mit Mifare schon ein Vorgängersystem, das wir in den 90er-Jahren, damals noch bei Mikron in Graz, entwickelt hatten. Das System ist in über 700 Städten bei öffentlichen Verkehrsmitteln im Einsatz, darunter London, Moskau und San Francisco. Außerdem ist die Entwicklung zusammen mit Sony erfolgt. Dies gab uns auch Hoffnung, dass NFC auf weite Akzeptanz stoßen wird.

Wie hat Mifare den Entstehungsprozess von NFC beeinflusst?
2002 haben wir uns gedacht: Was könnte nach Mifare der nächste größere Schritt sein? Es macht Sinn, wenn man die Kartensysteme mit der Reader-Funktionalität in einem Device kombiniert. Mit einem Mobiltelefon geht beides: Es kann sowohl die Funktion der Karte, als auch die des Lesegeräts erfüllen. Zusätzlich können zwischen zwei Mobiltelefonen Daten ausgetauscht werden, als Peer-to-Peer-Kommunikation. Da wurde uns klar: Wenn wir diese drei Sachen in einen Chip integrieren, ist das der nächste Schritt.

Wieso hat es solange gedauert, bis NFC sich durchgesetzt hat?
Es braucht relativ lange, bis die Infrastruktur existiert. Ohne Infrastruktur wird etwa niemand Smart Posters aufhängen. Wozu mehr Geld für Plakate ausgeben, wenn die NFC Tags darin noch nicht gelesen werden können? Am Anfang wollte auch niemand für NFC bezahlen. Die Mobiltelefonhersteller und SIM-Provider mussten erst überzeugt werden, dass NFC es im Gesamtsystem Vorteile bringt. Mittlerweile in jedem zweiten bis dritten Handy NFC drin und Infrastruktur wächst weiter.

Einer der NFC-Wachstumsmärkte ist Mobile Payment. Haben Sie schon bei der Entwicklung an diesen Einsatzzweck für NFC gedacht?
Wir haben uns den Markt für Bezahllösungen von Anfang an angeschaut. Der Zutritt zur U-Bahn mit Mifare ist im Grunde auch Payment. Mit dem Durchschreiten der Sperre wird ein bestimmter Betrag vom Guthaben der Karte abgezogen.

Finden Sie es gut, dass NFC auch in Spielzeug verbaut ist, oder würden Sie NFC lieber nur in komplexeren Anwendungen sehen, wie Mobile Payment?
Ich finde Spielzeug ist eine sehr sinnvolle Anwendung. Beim Spielzeug muss sich etwas tun, ein NFC Tag löst etwa auf höherer Ebene eine Aktion aus. Einfache Anwendungen sind der Kern und das Ziel von NFC: Es soll das Leben erleichtern. Bluetooth Pairing ist zB. für ältere Personen schwierig, aber einfach zwei Geräte oder mit dem Handy einen NFC Tag berühren, ist einfach.

Franz Amtmann
NFC gilt als sehr sicher. Würde für Spielzeug nicht eine simplere und damit günstigere Lösung ausreichen?
Die Sicherheit ist bei NFC frei skalierbar, weshalb NFC auch für sehr viele Anwendungen einfach zu implementieren ist. Im Smartphone sind etwa noch Secure Elements enthalten, im Spielzeug nicht, weil da Sicherheit nicht so wichtig ist. Die absichtlich kurze Reichweite von fünf bis zehn cm ist ein weiterer Security-Faktor. So ist es schwerer Abhörgeräte in den Kommunikationspfad zu bringen.

Wie wird NFC zukünftig eingesetzt werden?
Mit den jetzigen Systemen explodieren die Applikationen. Wir sind von manchen Kundenfragen selbst überrascht, da sind Anwendungen dabei, an die wir selbst noch nicht gedacht haben. Ein nächster Schritt ist die Echtheitskontrolle für hochwertige Produkte, wie etwa bei Wein oder Damenhandtaschen. NFC hat eine Kryptofunktionalität; der Schlüssel ist gespeichert und wird nie übertragen. Es wird nur eine Zufallszahl geschickt und der Kryptocontroller berechnet die Antwort. Das gewährleistet eine extrem hohe Sicherheit gegen Kopieren. Die Fälscher können also vielleicht die Handtasche fälschen, aber nicht den NFC-Chip, der im echten Produkt eingenäht ist.

Woran arbeiten Sie zur Zeit?
Wir arbeiten gerade an dem NFC Tag Type 5 für Industrie-4.0-Anwendungen. Produktionselemente erhalten mehr Intelligenz und tauschen untereinander Informationen aus. Der Tag Type 5 hat eine höhere Reichweite. Wenn ein Produktionselement etwa schief am Fließband liegt, könnten fünf Zentimeter schon zu wenig sein. Die maximale Reichweite vom Tag Type 5 soll einen Meter betragen.

Nutzen Sie selbst NFC?
Ich spiele privat damit herum, ich habe meine Haussteuerung mit NFC ausgestattet. Ich habe etwa NFC Tags programmiert, damit sich das Radio oder der Fernseher einschaltet, wenn man Smartphone zum Tag hält. So müssen Gäste nicht erst die richtige Fernbedienung suchen. Die Jalousiensteuerung habe ich auch mit NFC Tag versehen. NFC-Visitenkarten nutze ich ebenfalls und in der Uhr habe ich auch einen NFC-Chip.

Wird das Bezahlen per Smartphone jemals das Bargeld ablösen?
Das glaube ich nicht, denn es ist ein psychologischer Aspekt dabei. Man will immer einen Teil seiner Ausgaben nicht rückverfolgbar haben. Mobile Payment wird aber immer größere Anteile am Bezahlsystem gewinnen. An der Kassa dauert es länger die passenden Münzen zu suchen als mit NFC zu bezahlen. Ich beobachte auch, dass NFC im Supermarkt immer stärker angenommen wird.

Ist NFC wirklich unknackbar?
Auf Dauer ist gar nichts unknackbar. Aber nach dem derzeitigen Standpunkt ist NFC wesentlich sicherer als alle anderen Systeme. Die verwendete Kryptografie gilt es als extrem sicher und derzeit unknackbar. In einigen aktuellen Systemen werden schon jetzt neue Algorithmen eingebaut, die aber noch nicht verwenden wenden. Sollte also ein Algorithmus geknackt werden, kann man ein Field-Upgrade machen und auf einen anderen wechseln, der sicher ist.

Waren Sie immer schon an Technik interessiert?
Ja, seit der frühestens Jugend. Als Kind hatte ich ein Elektroniklabor. Später habe ich Elektrotechnik an der TU Graz studiert und danach gleich in der Branche zu arbeiten bekommen. Jetzt habe ich auch meinen Neffen mit der Begeisterung für NFC angesteckt. Er hat sich einen Raspberry Pi mit NFC-Aufsatz gekauft, nachdem er meinen gesehen hat. Jetzt schreibt er eigene NFC-Applikationen.

Sind Sie der Technik-Guru in ihrem Umfeld?
Ja, das kann man so sagen. Von PC-Problemen bis zu nicht laufenden Geräten bin ich der Ansprechpartner. Wenn es einfach möglich ist, nehme ich auch kleine Reparaturen selbst vor. Es gibt ja sehr viele Infos im Internet, wie etwa Teardowns. Und mit Hausverstand kriegt man auch viele Dinge zum Laufen.

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Gregor Gruber

Testet am liebsten Videospiele und Hardware, vom Kopfhörer über Smartphones und Kameras bis zum 8K-TV.

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Gregor Gruber

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