© DreamWorks Animation

Interview

"Es ist nicht mehr so wichtig, Filme im Kino zu sehen"

In Hollywood wollte Markus Kurtz eigentlich nur ein halbes Jahr lang bleiben. 1997 sammelte der Absolvent der Linzer Kunsthochschule beim Studio Digital Domain erste Erfahrungen. Dann ergab sich "ein Job nach dem anderen", wie der aus dem steirischen Gleisdorf stammende Animations- und Visual-Effects-Spezialist im Gespräch mit der futurezone erzählt.

Kurtz wirkte an Oscar-prämierten Produktionen (unter anderem "Titanic") mit. Mittlerweile arbeitet er seit 18 Jahren in den USA und ist Head of Technology bei DreamWorks Animation. "Es war Neugierde und Glück gleichzeitig", sagt Kurtz, der Anfang März beim E-Day der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) in Wien zu Gast war. Die futurezone hat mit ihm über den Einfluss von Virtual Reality auf das Filmgeschäft und die Zukunft des Kinos gesprochen.

futurezone. Wenn man sich Animationsfilme heute und vor 20 Jahren ansieht, merkt man einen ziemlichen Unterschied. Wie hat sich der Produktionsprozess in den vergangenen Jahren verändert?
Markus Kurtz: An den Geschichten und der Struktur der Geschichten hat sich wenig verändert, aber bei der Technik dahinter sehr wohl Einerseits hat die Technik den Arbeitsvorgang erleichtert oder verbessert. Das merkt man an der filmischen Qualität der Animation. Aus heutiger Sicht sehen Filme wie "Toy Story" (Anm.: Wurde 1995 veröffentlicht) sehr computeranimiert aus. Bei aktuellen Produktionen, wie etwa "How to train your dragon" (Drachenzähmen leicht gemacht) aber auch aktuellen Pixar- oder Disney-Filmen ist die Qualtität von der Lichtsetzung und vom Rendering unglaublich, weil sich eben die Technik extrem verändert hat.

Zu "Drachentöten leicht gemacht 2" wurde auch eine kurzer Virtual-Reality-Clip produziert, bei dem die Zuseher die Kamera steuern können. Wie wird Virtual Reality das Filmgeschäft verändern?
Das ist die große Frage. Im Spielebereich ist es ja jetzt schon eine Voraussetzung, dass der Spieler mit dem Joystick das Spielgeschehen kontrolliert. Es gibt also eine natürliche Entwicklung hin zu Virtual Reality. Statt eines Joysticks kann man ja auch den Kopf bewegen, um den Input für das Game zu definieren. Im Filmbereich wird das sehr interessant, weil Kameraführung und Komposition ein wesentlicher Aspekt des Erzählens der Geschichte sind. Momentan wird erforscht, inwieweit man eine Geschichte strukturieren und erzählen und trotzdem dem Zuseher die Kontrolle der Kamera übergeben kann. Es gibt sehr viele Ideen auf diesem Gebiet aber noch keine konkreten Ansatzpunkte. Facebook hat nicht nur den Brillenentwickler Oculus gekauft, sondern auch eine eigene Firma gegründet, bei der Leute aus dem Animations- und Visual-Effects-Bereich die Aufgabe haben, Geschichten zu erfinden, die auf dem technischen Niveau von Virtual Reality umgesetzt werden können.

Werden sich Filme den Videospielen annähern?
Es gibt eine Veränderung des Konsumverhaltens im Filmbereich, die von Games beeinflusst wird. Es ist ein Einfluss, der für den Film der Zukunft sehr wichtig sein kann. Wenn man Virtual Reality ausprobiert, kann man sich gut vorstellen, dass es eine beeindruckende Möglichkeit ist, eine neue Realität wahrzunehmen, weil alle Sinne gleichzeitig angesprochen werden. Wenn es gut gemacht ist, stellt sich die Frage, was Wirklichkeit letztlich ist. Ist es die Wirklichkeit, in der man lebt, oder die Wirklichkeit, die man empfindet? Das ist der spannende Aspekt an der Sache.

In Hollywood gibt es einen Trend Fortsetzungen von Blockbustern. Bleibt die Innovation auf der Strecke?
Es gibt einen enormen Konkurrenzdruck. Die Zeitspanne, die über den Erfolg eines Filmes entscheidet, ist kürzer geworden. Früher ist ein Film zwei Monate lang im Kino gelaufen, heute werden Filme drei oder vier Wochen lang gezeigt. Damit steigen die Kosten im Marketing, um die Zuschauer innerhalb der ersten paar Wochen ins Kino zu locken. Bei Fortsetzungen ist das Risiko für die Studios geringer. Sie sagen sich, wir haben einen Hit gehabt, das Publikum ist mit den Charakteren und der Geschichte vertraut, wir erzählen sie weiter. Bei DreamWorks haben wir die Strategie, zwischen einem Sequel und einem originalen Film zu wechseln. Man muss auch neue Produkte bringen und experimentieren.

Welchen Einfluss haben neue Vertriebswege über das Netz - etwa die zahlreichen Streaming-Portale auf das Filmgeschäft?
Sie sind ein weiteres Standbein für uns. Die Haupteinnahmequelle bleibt die Kinokasse, aber durch die Kooperation mit Netflix haben wir die Möglichkeit, andere Zielgruppen anzusprechen.

Wird auch eigens dafür produziert?
Wir übergeben die Charaktere und Modelle, die wir bauen an die TV-Produktionen. Die Qualität für diese Plattformen ist niedriger als für Film, dafür ist das Volumen um einiges höher. Es geht um die schnelle Umsetzung von Ideen.

Studios wie DreamWorks haben es mit gewaltigen Datenmengen zu tun. Sie haben technische Systeme entwickelt, mit denen diese Datenmengen bewältigt werden können. Welche Herausforderungen haben Sie zu bewältigen?
Ein 90 Minuten langer Film hat ungefähr 130.000 einzelne Frames. Das sind nur die, die man tatsächlich auf der Leinwand zu sehen bekommt. Es bedarf gewaltiger Daten- und Rechenprozesse, um das umzusetzen. Wir haben etwa 25.000 Prozessoren, die gleichzeitig über verschiedene Rechenzentren verteilt laufen. Das Management von solchen Datenmengen ist sehr aufwendig. Wir müssen wissen, wie unsere Abläufe in den nächsten paar Monaten aussehen werden, welche Rechenleistung wir in Anspruch nehmen werden und das entsprechend budgetieren.

Wie wird es mit dem Filmgeschäft weitergehen? Werden die Leute weiter ins Kino gehen?
Der Film - an und für sich - ist nicht tot. Der klassische Film, wie wir ihn kennen, wird immer existieren. Der soziale Aspekt - der Kinobesuch mit Freunden - wird aber von Social Media stark beeinflusst. Leute sind miteinander verbunden. In dem Sinne, ist es nicht mehr so wichtig einen Film im Kino zu sehen. Die Zuschauerzahlen in den Kinos werden zurückgehen, wenn sich die Filmstudios nichts überlegen. 3D war etwa eine Riesengeschichte, die auch funktioniert hat. Aber alles was damit erreicht wurde, war die Zuschauerzahlen zu halten. Die nächste Generation wird wohl Filme eher über das TV-Gerät, Tablets oder Smartphones konsumieren. Für DreamWorks ist es wichtig, dass wir weiterhin Filme produzieren und Geschichten erzählen, mit denen sich die Zuschauer identifizieren können. Wie diese Filme konsumiert werden, ist eine andere Frage, das wird sich verändern.

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Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

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