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Analyse

Facebook: Die Folgen des Börsengangs

Wenn Facebook an der Börse startet, hat das nicht nur Auswirkungen auf die Firma und seine Geldgeber, sondern mittelfristig auf für seine Mitglieder - und das sind immerhin etwa 15 Prozent der Weltbevölkerung (901 Mio. Nutzer). Die Vergleiche zu Staaten (Facebook wäre nach Bevölkerungszahl nach China und Indien das drittgrößte Land der Welt) sind allerdings gewagt: Denn als Facebook-Nutzung gilt schon, wenn man nur ein Mal im Monat auf einer externen Webseite den Like-Button klickt - Staatsbürger ist man in jeder Sekunde seines Lebens. Die Zahl der täglichen Nutzer ist nichtsdestotrotz beeindruckend: Das sind 526 Mio. Menschen.

Mehr Werbung?
„Es steht zu befürchten, dass der Fokus in Zukunft auf Gewinnmaximierung gerichtet wird“, sagt etwa Johannes Caspar, einer der wichtigsten Datenschützer Deutschlands. Denn eines ist klar: Die Anleger wollen künftig Quartal für Quartal wachsende Einnahmen sehen. Facebook bezieht etwa 85 Prozent seiner Einkünfte aus Werbung, die in den Profilen der Nutzer, angepasst an ihre persönlichen Daten, eingeblendet wird. Schon seit Wochen wird mit neuen Werbeformen experimentiert - etwa mit den so genannten “Sponsored Stories”. Gegen Bares können Werber Status-Meldungen kaufen, die sich dann zielgerichtet unter die Neuigkeiten der Nutzer mischen.

In Sachen Targeting kann Facebook künftig übrigens auch auf die Daten der mehr als 130 Timeline-Apps (z.B. Spotify, Foursquare, Pinterest) zurückgreifen. Einen Like-Button anklicken, einen Song hören, einen Check-in durchführen oder ein Bild pinnen gilt dabei als soziale Handlung, die anderen Mitgliedern zur Bewerbung des verknüpften Dienstes gezeigt werden kann, sofern man das Facebook nicht verbietet (“Konto-Einstellungen” -> “Facebook-Werbeanzeigen” -> “Kombiniere meine sozialen Handlungen mit Werbeanzeigen für” -> “Niemand”).

Mehr Fokus auf Mobile?
Der Ausbau der Anzeigen wird aber nicht nur die Webseite betreffen. Klar ist, dass Facebook auch seine mobilen Angebote (v.a. die Apps für iPhone, iPad und Android) künftig mit Werbung bestücken wird. Denn bis dato verdient das Online-Netzwerk keinen Cent mit jenen 488 Millionen Nutzer, die von Handy oder Tablet auf Facebook zugreifen. Das eröffnet Facebook Zugang zu einer neuen Information: Der Aufenthaltsort des Nutzer kann dann genauso wie seine Interessen, sein Alter oder sein Ausbildungsstand für maßgeschneiderte Werbung herhalten.

Mit einer Werbeflut ist aber nicht zu rechnen. “Facebook muss den Balance-Akt zwischen Werbung und Funktionen mit Mehrwert für die Nutzer schaffen”, sagt Michael Kamleitner von Die Socialisten, einer der führenden Facebook-Entwickler Europas. Die Nutzer dürfe man nicht mit einer Anzeigenlawine vergraulen, nur um die Börse mit regelmäßigem Wachstum bei den Einnahmen zufriedenstellen. Oder wie Facebook selbst es ausdrückt: “We don’t build services to make money; we make money to build better services.”

Wie gut die Facebook-Werbung funktioniert, ist aber weiterhin umstritten. Zuletzt hat der US-Konzern General Motors seine Aufträge storniert, weil die Anzeigen die Kunden nicht erreichen würden. Andere Firmen aus der Hightech-, Unterhaltungs-, Sportartikel- oder Medienbranche hingegen schwören auf Facebook, weil Fans auf der Plattform für mehr Traffic, ein besseres Image und bessere Umsätze bringen. Fix ist für Facebook-Experte Kamleitner jedenfalls eines: “Facebook wird für die Nutzer ganz sicher gratis bleiben.”

Weniger Datenschutz?
Weiters hat Facebook kurz vor dem Börsegang vorsorglich seine Datenschutzrichtlinien verändert. Diese sehen unter anderem auch vor, dass der Nutzer auch Facebook-Anzeigen auf externen Webseiten zu sehen bekommen könnte, etwa in einem Online-Shop - Googles Werbe-Programm AdSense lässt grüßen. Außerdem sollen Nutzerdaten für Werbezwecke auch länger als die bisher üblichen 180 Tage behalten werden. "Facebook nimmt sich nun sogar noch mehr raus als zuvor", kritisiert Max Schrems von der Studenteninitiative Europe v Facebook, die die US-Firma in 22 Fällen angezeigt hat. Die neue Datenschutzrichtlinie komme einer “Enteignung der Nutzer gleich.”

Schrems hofft, dass sich zum öffentlichen Druck auf Facebook (“in Europa ist das Image eh schon kaputt”) nach dem Börsengang auch der Druck seitens der Geldgeber gesellen wird. “Der Druck auf die Management-Ebene seitens der Investoren wird sich erhöhen”, so Schrems. Firmenskandale sieht die Börse gar nicht gern, und Facebook wird künftig bei Änderungen sehr vorsichtig agieren müssen, um den Aktienkurs nicht auf Talfahrt zu schicken.

Neue Einnahmequellen?
Über all den Spekulationen um Facebook-Werbung sollte die zweite, wenn auch derzeit noch viel kleinere Einnahmequelle der Firma nicht vergessen werden: die virtuelle Währung Facebook Credits. Ein kürzlich gestartetes

soll künftig zur Bewerbung besonders gelungener Web-Dienste und Apps gereichen, die Facebook (z.B. Login, Open Graph) integriert haben. Einige von ihnen sind mit Kosten für den Nutzer verbunden - etwa die Musik-Dienste Spotify oder Deezer (ca. 10 Euro/Monat). Diese Facebook-Partner wickeln den Bezahlvorgang momentan über eigene Payment-Systeme ab. So wie schon heute bei Facebook-Spielen wie von Zynga ist es aber durchaus vorstellbar, dass Facebook Credits einmal als exklusives Zahlungsmittel eingeführt wird.

Facebook würde dann wie Apple im App Store die Bezahlung von Diensten abwickeln und von jedem ausgegebenen Credit 30 Prozent kassieren. Das wird auch der Knackpunkt für die Partnerfirmen sein - denn Spotify bräuchte wohl weitere Anreize, auf ein solches System zu setzen, das es 30 Prozent seiner Einkünfte kostet. Facebook sitzt da aber vielleicht am längeren Ast, da es dem Musik-Dienst derzeit zu schnell wachsenden Nutzerzahlen verhilft.

Auswirkungen auf Start-ups-Szene?
Im Silicon Valley freut man sich schon auf die Geldflut, die über die Teilhaber hereinbricht. Ex-Facebook-Mitarbeiter wie Dustin Moskowitz, Adam D´Angelo oder Dave Morin werden ihre neu gewonnenen Millionen (oder gar Milliarden) teilweise in ihre Start-ups (Asana, Quora, Path) pumpen, die wiederum of mit Facebook verknüpft sind - im Silicon Valley spricht man deswegen auch von der "Facebook-Mafia". Viele andere Ex-Mitarbeiter halten ebenfalls Promille-Anteile, die jetzt viel wert sind - die Start-up-Szene in Kalifornien wird davon profitieren.

“Der Börsengang schafft zusätzliche Aufmerksamkeit für Internet-Geschäftsmodelle und wird die Idee weiter verbreiten, dass man im Web Geld verdienen kann”, sagt Oliver Holle von SpeedInvest - auch in Österreich wird mit größerem Interesse und mit mehr Geld für Internet-Geschäftsideen gerechnet. Einen möglicherweise negativen Effekt hat die Erfolgsstory von Facebook auf viele Nachwuchs-Programmierer, die Mark Zuckerberg nacheifern. “Viele Start-ups, die bei Speedinvest anklopfen, denken nur mehr innerhalb von Facebook”, sagt Holle. “Das ist fast schon erschreckend.” Egal ob Nutzer, Daten, Technologien oder Bezahl-Systeme gebraucht werden - immer mehr Start-ups würden nur mehr auf der Facebook-Plattform aufbauen wollen und den Rest außen vor lassen.

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Jakob Steinschaden

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