Suche 2.0

„Google ist wegen Facebook sehr nervös“

Google ist wegen Facebook sehr nervös. Im Zuge des Google+-Starts sind einige schwere Fehler passiert“, meint Suchmaschinen-Experte und Gartner-Analyst Whit Andrews im Gespräch mit der futurezone. So seien etwa die APIs,  also die Programmierschnittstellen zu wenig offen gestaltet worden. „Im Vergleich zu Facebook ist es ungleich schwieriger, entsprechende Google+-Apps zu entwickeln“, so Andrews.

Widerspruch zur Google-Tradition
Als folgenreichste Entscheidung bewertet Andrews jedoch, dass Google+-Ergebnisse seit Anfang des Jahres in der Google-Suche bevorzugt werden. „Das widerspricht der langjährigen Google-Tradition, die besten Suchergebnisse zu liefern. Denn zum jetzigen Zeitpunkt ist praktisch ausgeschlossen, dass ein Google+-Eintrag das relevanteste Suchergebnis im Web sein kann“, so Andrews.

Die Funktion, die Google unter dem sperrigen Titel „Search, plus Your World“ in den USA eingeführt hat, kann zwar manuell deaktiviert werden. Dass eine personalisierte Suche, die eigene soziale Kontakte und Postings von Freunden berücksichtigt, Twitter und Facebook unterschlägt und praktisch nur aus Google+-Ergebnissen gespeist wird, stößt den Mitbewerbern, aber auch vielen Usern unangenehm auf. Bei Google hat man der Kritik entgegnet, die Funktion befinde sich noch im Anfangsstadium und werde ohnehin noch verbessert.

Facebook im Nacken
Dass Google seiner Ansicht nach einige fragwürdige und überhastete Entscheidungen gefällt hat, führt Suchmaschinen-Experte Andrews auf den großen Erfolg von Facebook zurück. „Auch wenn das tatsächliche Geschäftsmodell von Facebook immer noch unklar ist, hat Google einfach Angst, zu dieser neuen Art von Werbegeschäft einfach keinen Zugang zu bekommen“, so Andrews. „Die sozialen Kontakte, die auf Facebook abgebildet werden, bringen eine Art von Glaubwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit mit sich, die es Facebook erlaubt, ganz anders mit seinen Usern zu kommunizieren und Werbung zu schalten, als es über die Google-Suche derzeit möglich ist.“

Aber auch in US-Medien, die Google traditionell eher positiv gesinnt sind, gibt es zunehmend kritische Stimmen zur Strategie von Google, sein gesamtes Service-Universum in jedem seiner Einzel-Dienste zu bewerben. In einem im Web vielbeachteten Artikel des Techportals Gizmodo kommt etwa Journalist Mat Honan zum Schluss: „Google hat vergessen, warum wir es lieben. Es hat sein Kernprodukt (Suche, Anm.) verwässert, um seine anderen Services zu promoten.“ Die Frage sei, ob die Interessen der User immer noch an erster Stelle stünden, wie das Unternehmen in der Vergangenheit stets behauptet habe.

Google+ nicht gescheitert
Das Google+-Experiment als gescheitert zu bezeichnen, so weit will Gartner-Analyst Andrews ungeachtet der Kritikpunkte allerdings nicht gehen. „Google wird ja nicht von Idioten geleitet. Wenn sie drauf kommen, dass ein neues Feature oder Service ihr Kerngeschäft belastet, werden sie es in kürzester Zeit wieder ändern“, ist Andrews überzeugt. Die Frage, die es für Google zu beantworten gelte, sei: „Was ist das neue Geschäft, das durch Google+ geschaffen werden kann? Denn was auch klar ist: Facebook wird nicht verschwinden. Das Szenario, dass Google+ Facebook jemals ersetzen wird, halte ich für enorm unwahrscheinlich.“

Als mögliche Segmente, in denen Google mit seinem sozialen Netzwerk punkten könnte, sieht Andrews Video-Inhalte und Geolocation-Services: „Durch YouTube ist Google bei Videos enorm stark.“ Das zeige auch das Google+-Feature Hangout, dass ein natürliches Teilen und Ansehen von Videocontent mit Freunden erlaube. Wenn Google einen Weg finde, diese Funktion auf intelligente Weise zu monetisieren, könne dies ein äußerst lukratives Geschäft werden. Dasselbe gelte auch für Geo-Services, in denen Google mit Maps und Google Earth ohnehin schon stark vertreten sei.

Zusammenarbeit mit Facebook besserer Weg
Abgesehen von den skizzierten Ansätzen ist Andrews letztlich aber davon überzeugt, dass eine Zusammenarbeit mit Facebook für Google zum jetzigen Zeitpunkt der bessere und lohnendere Weg wäre. Dass so etwas eher nicht passiere, liege jedoch ebenfalls auf der Hand. „Wenn man sich wie Google an der Weltspitze befindet, hat man es aus Sicht des Unternehmens einfach nicht nötig, mit irgendjemand zusammenzuarbeiten.“

„Das Schöne an unserer Welt ist jedoch, dass jede noch so große Dominanz irgendwann gebrochen wird. Nach Microsoft kamen Apple und Google, Google kommt nun durch Facebook in Bedrängnis. Und in dem Moment, wenn man glaubt, dass Facebook die Welt regiert, wird das nächste Unternehmen, die nächste Idee den Markt aufrollen. Es gibt immer eine neue Art und Weise, Geld zu verdienen“, so Andrews im futurezone-Interview.

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Martin Jan Stepanek

martinjan

Technologieverliebt. Wissenschaftsverliebt. Alte-Musik-Sänger im Vienna Vocal Consort. Mag gute Serien. Und Wien.

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