Georg Wurth vom deutschen Hanfverband
Georg Wurth vom deutschen Hanfverband
© Claudia Zettel

Interview

Hanf-Legalisierung: Mit Facebook zu einer Million Euro

Bei der gefloppten TV-Sendung “Millionärswahl” von ProSiebenSat.1 wurde Georg Wurth, Chef des deutschen Hanfverbandes, Anfang des Jahres per Online- und Telefonvoting zum Sieger gewählt - er gewann eine Million Euro für sein Anliegen, Cannabis zu legalisieren. Die futurezone hat Wurth kürzlich im Rahmen der Internetkonferenz re:publica in Berlin zum Interview getroffen. Der Cannabis-Aktivist spricht darüber, was er nun mit dem Geld machen will, warum ihm die Hanf-Legalisierung ein solches Anliegen ist und welche Rolle Facebook bei all dem spielt.

futurezone: Können Sie eingangs noch einmal kurz erklären, wieso Ihnen die Legalisierung von Cannabis in Deutschland ein Anliegen ist?
Georg Wurth:
Es geht einfach darum, dass das Verbot überhaupt keinen positiven Nutzen bringt, aber jede Menge negativer Begleiterscheinungen. Es soll nach heutiger Lesart vor allem den Konsum senken und damit auch problematischen Konsum reduzieren. Früher war der Grund für das Verbot eher wirtschaftlich, weil Hanf eine Konkurrenz war zu zum Beispiel Chemiefasern oder Papier aus Holz. Das Ziel, den Konsum zu senken, funktioniert aber nicht. Wir haben jetzt jahrezehntelange Prohibition hinter uns und die Konsumentenzahlen steigen. Gleichzeitig entstehen durch die Repression hohe Kosten, über eine Milliarde Euro in Deutschland pro Jahr, und es entgehen uns Steuereinnahmen. Nicht zuletzt wird organisierte Kriminalität damit gefördert. Und wir jagen die Konsumenten.

Gibt es internationale Vorbilder, ein Land, wo Sie sagen würden: Zu so einer Lösung wollen wir hin?
Holland ist jedenfalls kein vernünftiges Modell, weil sie nur die Abgabe an die Konsumenten reguliert haben, aber die ganze Produktion, Großhandel, Import findet da auch im Dunklen unter kriminellen Bedingungen statt. Colorado hat Cannabis nun tatsächlich als erstes Land komplett legalisiert. Die Produktion erfolgt sehr kontrolliert, alles wird kameraüberwacht, ich hab mir das schon letztes Jahr angesehen. Der Staat Colorado kann sich da jederzeit einklinken und schauen, was die da machen. Allerdings haben sie dort viele Produkte mit sehr hohen THC-Werten im Angebot, das müsste man sich wiederum genauer ansehen, das könnte problematisch sein. Wichtig ist jedenfalls der Eigenanbau. Den würde ich jedenfalls erlauben. Man darf ja auch Bier brauen zuhause. Auch den Anbau über Vereinsstrukturen, wie in Spanien, fände ich interessant. Was ich nicht haben wollen würde, ist massive Werbung für Drogen, das finde ich auch für Alkohol nicht in Ordnung.

Sie haben über die TV-Show “Millionärswahl” dank großer Unterstützung im Netz nun also eine Million Euro für ihr Anliegen gewonnen. Wie genau werden Sie das Geld einsetzen?
Einerseits für Öffentlichkeitsarbeit. Ich will aber zum Beispiel noch einmal eine Umfrage machen in Deutschland, wie die Leute eigentlich zu dem Thema stehen. Das wird hier relativ selten gemacht. Unsere letzte Umfrage war von 2010, damals gab es noch keine Mehrheit für eine Legalisierung, aber für eine Liberalisierung.

Diese Million Euro, die Sie gewonnen haben, kam ausschließlich vom Sender ProSiebenSat.1 oder haben jene Leute, die für Sie abgestimmt haben, sich auch finanziell beteiligt?
Nein, das Geld kam nur vom Sender. Wobei man nicht außer Acht lassen darf, dass die Telefonanrufe, die es ja auch gab, auch Geld gekostet haben.

Sie hatten sehr viele Unterstützer beim Online-Voting, denken Sie, sie hätten das Geld auch über eine Crowdfunding-Kampagne sammeln können?
Interessante Frage, aber im Moment glaube ich das nicht. Wir machen ja laufend Spendenkampagnen, aber da kommen wir nur knapp über 10.000 Euro. Über so eine Sendung bekommt man als “der Hanflegalisierer”, der ausgerechnet so eine Sendung gewinnt, natürlich einen anderen Symbolwert. Das ist etwas, das die Leute verstanden haben.

Der Hanfverband hat auf Facebook inzwischen mehr als 90.000 Fans, welche Rolle hat das soziale Netzwerke für den Sieg der Million gespielt?
Nur mit der ständigen Bewerbung unseres Anliegens auf Facebook ist der Sieg überhaupt möglich gewesen. Das fing schon damit an, in die Sendung hineinzukommen. Ursprünglich gab es da ein in sich geschlossenes Online-Votingsystem und man musste bereits Sympathisanten für sein Projekt mitbringen, die dann innerhalb dieses Systems für einen gestimmt haben. Facebook hat sich für uns als das mit Abstand wichtigste Kampagnentool entwickelt. Facebook ist ein Tool, über das die Leute die Informationen noch viel einfacher teilen können. Das ist das Gute an den sozialen Netzwerken, dass hier nicht nur eins zu eins eine Kommunikation von Sender zu Empfänger stattfindet.

Haben Sie auch negative Rückmeldungen auf Ihre Kampagne erhalten?
Von unserer Community selbst in der Zeit überhaupt nicht. Jetzt sind manche natürlich schon ein bisschen ungeduldig und wollen sehen, was wir mit dem Geld machen. Insgesamt war aber das, was da aus dem Netz kam, überwältigend positiv. Klar, Kritiker gibt es immer. Von außen, beispielsweise, wenn die Bild-Zeitung berichtet hat, da kamen natürlich auch die Stammtisch-Leute auf den Plan und haben entsprechend kommentiert. Gut, damit muss man leben.

Wenn Sie sich soziale Netzwerke wie Twitter und Facebook nach Ihren persönlichen Erfahrungen etwas allgemeiner ansehen - welches Potenzial sehen Sie darin, um politische Anliegen durchzusetzen?
Der nächste Punkt für uns wird sein, dass wir eine offizielle Petition mithilfe von Social Media durchbringen wollen. Dabei geht es um das Thema Cannabis und Medizin. Ich bin recht zuversichtlich, dass wir dank der sozialen Netzwerke 50.000 Unterschriften in vier Wochen für unser Anliegen knacken werden. Damit kämen wir zu einer offiziellen Anhörung. Klar, es ist immer die Frage, was bringen einem Facebook-Fans? Aber ich glaube, die sind gerade in unserem Bereich viel motivierter als bei vielen anderen Dingen. Das Thema hat Protestpotenzial, weil die Leute auf die Strafverfahren keinen Bock mehr haben.

Haben Sie eine bestimmte Zielgruppe im Auge, auf die Sie mit Ihrer Kampagne abzielen?
Es gibt natürlich verschiedene Zielgruppen: Die, die man als Mitglieder gewinnen will. Die, die man tatsächlich als Mitglieder gewinnt. Und die, die man tatsächlich erst einmal überzeugen will. Das sind natürlich völlig unterschiedliche Leute. Unsere Facebook-Fans sind relativ jung, überwiegend männlich. Aber Cannabis-Konsumenten ziehen sich mittlerweile quer durch die Bevölkerung, da sind heute viele auch schon im Rentenalter angekommen. Es geht vor allen Dingen darum, eine Mehrheit in der Gesellschaft zu bekommen und die Menschen davon zu überzeugen, dass das Verbot unsinnig ist.

Würden Sie in Zukunft, wenn die Million aufgebraucht ist, wieder Internetkampagnen für Ihre Anliegen, vielleicht sogar eine richtige Crowdfunding-Kampagne, versuchen?
Wir werden da sicherlich kreativ bleiben. Wir haben auch schon unterschiedliche Spendenaufrufe im Netz gemacht. Über welche Plattform genau das sein wird, das müssen wir uns erst noch ansehen.

Wenn Sie ein bisschen in die Zukunft schauen, was sind Ihre nächsten Ziele?
Im Moment sind wir ein bisschen im Status der PR und Öffentlichkeitsarbeit. Wir haben uns zuvor stark auf Lobbying konzentriert, auf parlamentarische Arbeit, glauben aber nicht, dass mit der aktuellen Regierung zu dem Thema noch viel passieren wird. Wir wollen das Thema Cannabis und Medizin noch etwas pushen, aber im Moment geht es vor allem darum, möglichst viele Leute zu überzeugen.

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Claudia Zettel

ClaudiaZettel

futurezone-Chefredakteurin, Feministin, Musik-Liebhaberin und Katzen-Verehrerin. Im Zweifel für den Zweifel.

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