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Vortrag

Indie Games: "Shooter sind einfach langweilig"

Galten Game-Studios mit einer Handvoll Programmierern bis vor wenigen Jahren noch als kuriose Randerscheinung, sind sie mittlerweile zu einer wichtigen Stütze der Gaming-Branche geworden. Während großes Studios wie Electronic Arts Verluste schreiben oder – wie im Fall von THQ – zusperren, verbuchen die Spiele-KMUs laufend Erfolge. Mittlerweile vergeht kein Monat, in dem auf Steam, Xbox Live oder im PlayStation Network nicht ein Indie-Hit veröffentlicht wird. Der digitale Marktplatz für diese Spiele – das geben Vertreter der Konsolen-Hersteller immer wieder zu – ist für den Erfolg einer Plattform mittlerweile ebenso entscheidend wie die riesigen Blockbuster-Hits, die im Regal auf Kundschaft warten.

Erfolgsgeschichten
Mit den Erfolgen von Mojang und auch Rovio hat die Branche endlich auch Aushängeschilder und Idole, denen frustrierte Veteranen oder der idealistische Nachwuchs nacheifern können. Durch Kino-Dokus wie „Indie Game: The Movie" oder „The Mojang Story" wird der Mythos vom Indie-Programmierer, der zum Star wurde, zusätzlich genährt.

Schweden und Niederländer zu Gast
Die Realität ist natürlich bei weitem nicht so glamourös, das finanzielle Überleben als Indie kein leichtes Spiel. Was es bedeutet, als kleiner Entwickler mit selbst erdachten Games über die Runden zu kommen, erkundet Donnerstagabend nun der erste Wiener Indie Game Summit. Neben bekannten österreichischen Studios wie Socialspiel und Broken Rules hat Veranstalter Subotron zwei international erfolgreiche Gäste geladen: Rami Ismail von Vlambeer, das mit Super Crate Box einen Hit landete; Johannes Wadin von Might & Delight, deren Spiel Pid seit kurzem verfügbar ist. Beide vertreten dabei unterschiedliche, aber doch sehr typische Arten des Indietums. Während Vlambeer aus zwei jungen Nachwuchs-Talenten besteht, setzt sich Might & Delight aus erfahrenen Veteranen zusammen, die die Arbeit bei großen Studios satt hatten.

Ausbruch aus der Industrie
„Wir haben an großen Titeln wie Battlefield, Killzone oder Bionic Commando mitgearbeitet. Das waren wertvolle Erfahrungen, aber wir wollten unsere eigenen Ideen umsetzen", sagt Wadin, mit dem die futurezone im Vorfeld der Veranstaltung gesprochen hat. 2010 haben sie sich selbstständig gemacht und die Firma gegründet, um aus den starren Normen und Abläufen der Industrie auszubrechen. „Wir konnten dort kaum kreativ sein", erinnert sich der Schwede.

Gelassenheit
In den vergangenen zwei Jahren hatten sie dafür genügend Zeit. Ende des vergangenen Jahres kam „Pid" für den PC auf den Markt. Vor wenigen Wochen folgte die Veröffentlichung auf Xbox Arcade sowie im PlayStation Network. Das siebenköpfige Team hat die Premiere allerdings recht nüchtern erlebt. „Ich war zu der Zeit auf Urlaub und habe die Zeit genutzt, um Abstand zu gewinnen", sagt Wadin. Da es nicht der erste Launch eines Spiels war, den das Team miterlebt hat, hielt sich die Aufregung in Grenzen. „Niemand hat schlaflos die Nacht vor der Xbox verbracht und dem Start entgegen gefiebert. Die Magie des ersten Spielstarts ist einfach unwiederbringlich", erzählt der Schwede -  und spielt dabei auf eine Szene in der Doku „Indie Game: The Movie" an. Auch die Kritiken von Webseiten und Spielern hat man mit Routine und tapferer Miene erwartet. „Es gibt kein Game, das allen gefällt. Es wird immer Leute geben, die negativ darüber schreiben." Mit den Jahren lerne man damit umzugehen und es distanzierter zu betrachten.

Absage an Gewalt und Sexismus
Wichtig war laut dem Programmierer, dass man endlich die eigene Vision umsetzen konnte. „Wir sind ein nettes, menschliches Studio. Wir treten gegen exzessive Gewalt und Sexismus in Games ein. Diese Einstellung soll sich klar in unseren Spielen widerspiegeln", sagt der Schwede. Der Markt dafür sei dem Programmierer zufolge jedenfalls da, die Auswahl an solchen Spielen wird weiter steigen. Wadin, der an mehreren Unis in Schweden Spiel-Entwicklung unterrichtet, ortet hier einen Paradigmen-Wechsel. „Shooter sind einfach langweilig. Studenten und Nachwuchs-Designer suchen nach anderen Möglichkeiten, ihre Visionen auszudrücken." Aktuell werde viel experimentiert, mit Konventionen gebrochen und ausgelotet, wie ökonomische Ziele mit kreativen Vorstellungen zusammenspielen.

Grafikstil entscheidend
Vor allem auf der visuellen Ebene wird viel ausprobiert. Wadin erklärt dies einerseits mit vielen Kunststudenten, die in die Games-Branche drängen, aber auch mit dem Stellenwert, den die Optik einnimmt. Gerade bei den Indies sei die Grafik das Unterscheidungsmerkmal Nummer Eins. Der Screenshot und das Artwork sind für den Ersteindruck verantwortlich. „Wer aus der Masse herausstechen will, muss sich hier etwas überlegen", sagt Wadin, der den übermäßigen Einsatz von pixeliger Retro-Optik anprangert. Der Schwede betont aber, dass eine gute Grafik alleine natürlich nicht reicht. Es hilft, aufzufallen. Um die Leute zu überzeugen, muss auch der Rest von hoher Qualität sein.

Ungewisse Zukunft
Nachdem der Erstling Pid nun erschienen ist, steckt das Studio die gesamte Energie bereits ins nächste Spiel. Die Arbeiten daran haben begonnen, wobei Wadin in eine ungewisse Zukunft blickt. „Die Industrie befindet sich gerade in einer Übergangsphase. Es kommen neue Konsolen. Neue Plattformen drängen auf den Markt. Es gibt viele Fragezeichen", so der Schwede. Im Gegensatz zu anderen kleinere Studios will Might & Delight Auftragsarbeit zur Überbrückung aber definitiv vermeiden. „Wir hoffen, nur mit unseren eigenen Spielen überleben zu können. Wir wollen den Traum vom Indie-Studio so lange wie möglich leben."

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Am Donnerstag, den 7.2.2013, sprechen Rami Ismail (Vlambeer), Johannes Wadin (Might & Delight), Matrin Pichlmair (Broken Rules) und Helmut Hutterer (Socialspiel)  im Zuge der SUBOTRON/WKW pro games Veranstaltung über Indie Games und die Herausfordungen als kleines Studio zu überleben.

Der Vortrag, der von der WKW gefördert wird, startet um 19 Uhr im Wiener Museumsquartier, im Raum D der Electric Avenue. Der Eintritt ist gratis.

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Benjamin Sterbenz

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