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Raumfahrt

Letztes Space Shuttle erfolgreich abgehoben

Die US-Raumfähre „Atlantis“ ist als letzter Space Shuttle ins Weltall gestartet. Der Orbiter hob am Freitag ungeachtet dunkler Wolken am Himmel mit leichter Verspätung um 17.29 Uhr vom Weltraumbahnhof in Cape Canaveral (Florida) ab. Kurz vor dem geplanten Start um 17.26 war der Countdown aus technischen Gründen kurz unterbrochen worden.

Schon die Tage davor gab es immer wieder Schreckmomente, etwa als der Blitz zweimal in der Nähe des Shuttles einschlug. Die Raumfahrtbehörde bewertete die Chance für einen Start zuletzt mit 30 Prozent. Gutes Wetter ist wichtig, weil eine dicke Wolkendecke eine Notlandung des Shuttles im Falle einer Störung zu gefährlich machen würde. Der Countdown wurde auch deshalb nicht abgebrochen, da vor allem die technischen Bedingungen bestens sind. „Es gibt bisher keine Probleme“, sagte der für den Start zuständige NASA-Manager Mike Moses. „Es könnte überall im Bezirk schütten, und wenn wir das Loch (in den Wolken) am richtigen Ort zur richtigen Zeit bekommen, dann können wir starten.“

Aufbruch zur letzte Reise
Zwar gibt es einen wichtigen Auftrag: Mehr als zehn Tonnen Ersatzteile, Proviant und Kleidung zur Internationalen Raumstation ISS zu hieven. Doch die US-Raumfahrtbehörde Nasa weiß, dass der zwölftägige Flug eher als Ehrenrunde empfunden wird. Nicht umsonst peilt sie die Rückkehr für den 20. Juli an - das 42. Jubiläum der Mondlandung. „Es wird eine Feier“, sagt der Kommandant Chris Ferguson über die Abschiedsmission. Zu dem letzen Start sind Hunderttausende Schaulustige in die Region vor den Toren der Großstadt Orlando gekommen. Hotels an der „Space Coast“ sind bereits seit langem komplett ausgebucht, viele Camper suchten am Abend verzweifelt nach Plätzen für ihre Zelte.

Zu zelebrieren gilt es das Ende „der zweiten großen Ära in der bemannten Raumfahrt“, sagt die Kuratorin des Air-and-Space-Museums in Washington, Valerie Neal. „Der Shuttle bot die Möglichkeit, viel mehr verschiedene Menschen ins All zu schicken.“ Flogen zuvor nur echte Astronauten mit Raketen ins All, bot der Shuttle nun auch Forschern eine Mitfluggelegenheit. Sally Ride flog mit dem Shuttle als erste amerikanische Frau ins All, der damals 77-jährige John Glenn als ältester Astronaut. Nun wird nie wieder ein Space Shuttle - wie es die Welt seit 30 Jahren kennt - in den Orbit fliegen.

Eine bewegte, ereignisreiche Geschichte
Begonnen hatte hat das stolze Kapitel eigentlich mit einem Sparprogramm. Der damalige US-Präsident Richard Nixon durchkreuzte 1972 die teuren Nasa-Pläne für eine Raumstation im All, von der aus Flüge zum Mond und Mars starten sollten. Stattdessen kündigte er die Entwicklung einer wiederverwendbaren Raumfähre an. Das Ziel: Mensch und Material zugleich ins All schaffen - und mit Ladung an Bord wie ein Flugzeug wieder auf der Erde landen können. Zum Testflug hob im September 1976 der Prototyp „Enterprise“ ab. Den Jungfernflug ins All absolvierten am 12. April 1981 die beiden Astronauten John Young und Robert Crippen in der „Columbia“. Sie umrundeten 36 Mal die Erde, bevor sie nach nur zwei Tagen vor den Augen von Millionen staunender Fernsehzuschauer wieder zurückkehrten. „Das ist die großartigste Flugmaschine der Welt, das kann ich Euch sagen“, schwärmte Young später. Die Begeisterung teilen die meisten seiner mehr als 330 Nachfolger aus 16 Ländern uneingeschränkt.

Die Orbiter bescherten der Nasa viele Triumphe. Sie brachten Sonden auf den Weg, die Fotos von der Venus und dem Jupiter schossen. Das Weltraumteleskop „Hubble“ schleppten sie ins All und erlaubten seine Reparaturen. Zuletzt dienten die „Endeavour“ und ihre Schwestern als Lastesel für die ISS. „Der Shuttle war unentbehrlich für den Bau der Raumstation“, sagt Scott Pace vom Raumfahrtinstitut der George Washington University. „Die ISS ist sein Vermächtnis.“

Katastrophen überschatten Geschichte
Doch die einstigen Prunkstücke stehen auch für schlimme Stunden in der jüngeren US-Geschichte. 14 Besatzungsmitglieder wurden vor den Augen der Nation bei zwei Katastrophen in den Tod gerissen. 1986 explodierte die „Challenger“ nicht einmal anderthalb Minuten nach dem Start wegen defekter Dichtungsringe an einer Antriebsrakete. Die „Columbia“ ging 2003 bei der Rückkehr in die Erdatmosphäre in Flammen auf.

Nach den beiden Schocks wurden Shuttle-Flüge jeweils für mehrere Jahre auf Eis gelegt. Sicherer wurden sie durch die Zwangspausen kaum. „Das Risiko beim Fliegen mit einem Shuttle beträgt ein Prozent, dass man eine Mission nicht überlebt“, sagt Ernst Messerschmid, der 1985 als dritter deutscher Astronaut mit der „Columbia“ ins All flog.

Komplexes Fluggerät ist anfällig für Pannen
Die Raumgleiter sind technisch kompliziert wie kaum eine andere Maschine - das macht sie weniger verlässlich und ihre Wartung teuer. Eigentlich sollten sie der Menschheit einen günstigen Weg ins All ebnen. Tatsächlich kostet eine Mission rund eine Milliarde Dollar (693 Millionen Euro). „Finanziell sind die Shuttle ein Fehlschlag“, sagt Pace. Trotz aller Erfolge: Das Hauptziel haben die Shuttle nicht erfüllt: Statt wie geplant 40 bis 60 Flüge pro Jahr zu schaffen, hoben sie im Schnitt keine fünfmal jährlich ab. Das auch nur, weil bis zu 25.000 Nasa-Mitarbeiter im Akkord schufteten. Tausende von ihnen stehen mit dem Shuttle-Ende vor der Arbeitslosigkeit.

Raumfahrt ist nicht beendet
Nach der Landung der „Atlantis“ schließt sich der Kreis. Die dritte Raumfahrt-Ära beginnt, die Neal als „permanente Präsenz und Forschung des Menschen im Weltraum“ definiert. Große Ziele sollen mit wenig Geld erreicht werden. Das Weiße Haus setzt für die angepeilten Reisen der Menschen zu einem Asteroiden und später zum Mars auf Raumschiffe von privaten Unternehmen, die sparsamer arbeiten als die staatliche Nasa. Doch bis die neuen Flieger fertig sind, können Jahre vergehen. Wie auch immer sich die Raumfahrt entwickelt, gemessen wird sie auf längere Sicht an der Ära der Space Shuttle, meint der deutsche „Endeavour“-Veteran Gerhard Thiele. „Entweder war der Space Shuttle seiner Zeit weit voraus, oder er war ein notwendiger Umweg, um bessere Vehikel für die Raumfahrt entwickeln zu können.“

Fakten zum Shuttle-Programm:
Der erste Start eines Shuttle fand am 12. April 1981 statt. Danach gab es 133 weitere Flüge. Es wurden sechs Shuttles gebaut: Enterprise, Columbia, Challenger, Atlantis, Endeavour und Discovery. Letztere flog 38 Mal und somit am öftesten. Ein Shuttle ist 37,50 Meter lang, hat eine Flügelspannweite von 23,80 Meter und kann 24 Tonnen. 355 Astronauten waren mit dabei, 307 davon Männer, 48 Frauen. 14 kamen bei den Missionen ums Leben. Ingesamt kommt das Shuttle-Programm auf Kosten von 196 Milliarden US-Dollar.

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