© Johannes Zinner

Google

Mit einem selbstfahrenden Auto durch die Stadt

Der Skateboarder kam von links hinten. Obwohl ihn keiner der Fahrzeuginsassen sah, stoppte der weiße Lexus RX 450h, sehr abrupt sogar - die Sensoren am Auto hatten den jungen Mann schon längst erkannt. Auf dem Display des Laptops, das der Programmierer auf dem Beifahrersitz die gesamte Fahrt über beobachtet, war der Skateboarder als Kästchen aus gelben Strichen zu sehen.

Seit drei Jahren testet Google im kalifornischen Mountain View Autos, die vollkommen automatisiert und alleine durch die Straßen fahren – zwar sitzen immer zwei Software-Ingenieure im Wagen, die die Fahrten per Computer verfolgen und die im Notfall auch eingreifen können, aber notwendig wären sie nicht, denn die Google-Autos können alleine fahren.

75 Autos umfasst die Flotte mittlerweile, 25 Lexus und 50 der kleinen völlig automatisierten Autos, die wie eine Mischung aus VW Beetle und Smart aussehen. 140 Ingenieure ist das Team groß, das die Autos testet. Während die Lexus-Modelle aus der herkömmlichen Serie stammen und von den Google-Ingenieuren mit Hightech aufgerüstet wurden, sind die kleinen „Google-Hupfs“ eine Eigenentwicklung.

Der erste Prototyp dieses Mini-Autos, das ohne Lenkrad auskommt und zwei Menschen (und einigen Einkaufstaschen) Platz bietet, steht nach wie vor in der Lobby der „Google X“-Zentrale in 100 Mayfield Ave in Mountainview. „Please don’t open – Thank you“ steht auf einem kleinen Schild, das bei der Autotür angeklebt wurde. Aus gutem Grund – der erste Prototyp ist ein filigranes Ding, dessen Türen und Fenster mit einer Laubsäge „behandelt“ wurden. Das kleine Auto ist übrigens nicht das einzige Schauobjekt im Empfangsbereich des „Geheimlabors“ Google X – gleich gegenüber hängen die ersten Prototypen der Google-Liefer-Drohne von der Decke, die jetzt aber – so betonen die Google-Mitarbeiter – „ganz anders aussehen“.

Testfahrt mit Alois Stöger

Das Aussehen der Google-Autos hingegen hat sich nicht geändert. Sie sind in einer Garage geparkt und man kann sie nur durch Gitterzaun und – Tor betrachten. Bei Google X läuft alles unter Top Secret. Und mitfahren – dürfen nur Auserwählte, Verwandte der Fahrer oder wichtige Persönlichkeiten – wie Österreichs Technologieminister Alois Stöger, der sich auf einer Inspirations-Tour durch das Silicon Valley befand. Er durfte als einer von erst wenigen Österreichern überhaupt am Donnerstag in einem Self-Driving Car mitfahren. Und da im Auto noch Platz war, lud er die futurezone ein, ihn bei dieser Fahrt zu begleiten.

Gavino und Shawn nahmen in der vorderen Reihe Platz, die zwei Programmierer arbeiten bereits seit vier Jahren bei Google X und haben mit den Autos schon Tausende Kilometer runter gespult. Die ganze Flotte hat bereits 1,6 Millionen Kilometer zurückgelegt. Nicht ganz unfallfrei, zwölfmal waren die Autos in Unfällen verwickelt aber kein einziges Mal Schuld daran. Die Daten jeder Fahrt werden analysiert, um das Fahrverhalten der Autos noch besser zu machen.

Einer der Masterminds der selbstfahrenden Autos von Google ist übrigens der 31-jährige Österreicher Andreas Wendel, der im Vorjahr von der futurezone auch zum „Innovator des Jahres“ gekürt wurde. Der gebürtige Vorarlberger bringt Autos bei, wie sie alleine fahren können. Er bringt Computern bei, Zusammenhänge aus Bildern zu erkennen, diese zu verstehen und darauf richtig zu reagieren – eine der fundamentalen Eigenschaften bei den selbstfahrenden Autos.

Die erste Version der Self-Driving Cars stellte Google bereits 2010 vor – Autos der Marke Toyota Prius und Lexus, erkennbar waren sie an ihrem markanten Aufbau am Dach, in dem die Technik eingebaut ist – Sensoren, Kameras, Radar. Im Inneren sehen diese Autos wie normale Autos aus, mit einem normalen Armaturenbrett, Lenkrad, Schalthebel etc. Diese Fahrzeuge werden seit drei Jahren auf den Straßen Kaliforniens getestet, mit dem Ziel, eine Technik zu entwickeln, die nicht nur die Autos perfekter machen, sondern die künftig auch in Serienfahrzeuge eingebaut werden kann.

Verkehr soll damit sicherer werden, und es sollen auch Menschen mit dem Auto fahren, die bislang nicht oder nur bedingt mobil sein konnten. So wie Steve Mahan, der blind ist und sich im März 2012 ans Steuer eines Google-Car setzte. Das komplett selbst fahrende Auto ist derzeit auf innerstädtischen Verkehr ausgelegt und erreicht ein Tempo von maximal 40 Stundenkilometer. Ausgestattet mit einem 360-Grad-Laser-Sensor auf dem Dach und diversen anderen Positions- und Orientierungssensoren, ist das Auto völlig sicher unterwegs.

Digitale Landkarte

Etwa 15 Minuten dauerte die Testfahrt durch Mountain View, die beim Parkplatz vor der Google-X-Zentrale begann. Das Auto ist mit zahlreichen Sensoren ausgestattet, die sich am Auto befinden – auf dem Dach gibt es den 360-Grad-Laser (Lidar), der die gesamte Umgebung im Umkreis von 60 Metern scannt. Auch das Mikrofon, das Umgebungsgeräusche sowie Sirenen herannahender Einsatzfahrzeuge hört, ist hier eingebaut. Vorne rechts und links sind Distanzsensoren, Radar eingebaut, Vorne und hinten Kameras etc.

Aus der Kombination Sensordaten und Straßenplan weiß das Auto nicht nur, wo es ist, es weiß auch, an welchen Objekten – Auto, Motorrad, Mensch oder auch Tier – es vorbei fährt. Es wird die Bedeutung von Straßenschildern richtig erkannt und es lokalisiert jeden anderen Verkehrsteilnehmer. All diese Informationen werden auf einer digitalen Landkarte dargestellt – als grüne, violette oder gelbe Strich-Kästchen.

Die Software kann sogar vorausberechnen, was die Verkehrsteilnehmer mit einer hohen Wahrscheinlichkeit tun werden. Bald werden in die Berechnungen auch die Smartphones der Verkehrsteilnehmer wie Fußgänger integriert. Ein Zentralrechner errechnet aus den Sensordaten, wie sich der Wagen verhalten muss. Da das System auch offline funktionieren muss, findet der gesamte Rechenvorgang im Auto statt.

Defensive Fahrweise

Immer wieder reißt Shawn die Hände in die Höhe, um zu demonstrieren, dass das Auto alleine fährt. So ruhig und zügig sich das Auto auch bewegt, was schon nach kurzer Fahrt auffällt ist, dass das Google-Autos sehr defensiv unterwegs ist und jede „haarige“ Situation vermeidet - die Bremsvorgänge sind sehr abrupt, das Auto geht auf Nummer sicher.

„So wie ein Mensch funktioniert das Auto freilich nicht“, sagen die beiden Google-Ingenieure. Daher seien Bremsvorgänge nicht so geschmeidig, sondern eher spontan – spätestens nach dem zweiten abrupten Bremsmanöver weiß man, dass die Gurtenpflicht ihre guten Seiten hat. Dass kein Mensch hinter dem Steuer sitzt, merkt man bei einer Abbiegespur – das Google-Auto wartet (zu) brav und lässt alle Autos passieren bevor es sich auf die Links-Abbiegespur einordnet. Würde man selbst am Steuer sitzen, hätte man schon längst die eine oder andere Lücke genutzt, um sich einzuordnen.

Maximal 120km/h

Mehr als 1,5 Millionen Testkilometer hat die Google-Flotte in und rund um Mountain View bereits absolviert. In Ballungszentren begegnet man den Autos genauso wie auf Autobahnen. Die Spitzengeschwindigkeit beträgt 75 Miles per hour, also umgerechnet 120 km/h. Sie fahren bei Sonne und Regen. Mit Schnee und Eis haben die Google-Autos keine Erfahrung – „wann solche Situationen in unsere Tests aufgenommen werden, wissen wir noch nicht“, sagen Gavino und Shawn. Österreich hätte solche Wetterbedingungen zu bieten, aber ob Google seine Autos für die Testfahren über den großen Teich schickt, ist eher unwahrscheinlich. Nach der Testfahrt bekommen die Insassen ein Andenken – kein „I survived T-Shirt“, sondern einen „I rode in a self-driving car“-Aufkleber. Etwas, was noch nicht viele sagen können aber das in einem Jahrzehnt Alltag sein wird.

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