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Analyse

Reaktionen: Ist Google+ ein Facebook-Killer?

Wie aus dem Nichts war es plötzlich da: das soziale Netzwerk des Internetgiganten. Bislang haben nur wenige geladene Gäste Zutritt zu dem neuen Service, der sich in einer geschlossenen Betaphase befindet. Doch eines schien sofort klar: Hier startet ein Angriff auf Facebook. Vieles, was bislang von Google+ gezeigt wurde, erinnert auch stark an den amtierenden Netzwerk-König. Personen können in Gruppen eingeteilt werden, Inhalte jeglicher Art im Netzwerk geteilt, Statusmeldungen geschrieben und in den Chats geplaudert werden.

Viele andere Aspekte wiederum unterscheiden sich schon auf den ersten Blick ganz deutlich von dem, was Facebook bislang bietet. Freundschaftsbeziehungen etwa werden, anders als bei dem führenden sozialen Netzwerk, nicht vorausgesetzt. In den „Circles“ können jegliche Kontakte zusammengefasst werden, die ein Nutzer in seinem Adressbuch hat. Neu ist auch die Funktion von Videochats (Hangouts), in denen sich bis zu zehn Leute gleichzeitig treffen können.

Doch werden Circles, Sparks und Hangouts die Nutzer wirklich überzeugen? Kann Facebook überhaupt noch jemand Konkurrenz machen und wie fühlt sich das neue Google-Netzwerk auf den ersten Blick an? Fünf Experten analysieren für die futurezone.

Reaktionen auf Google+ gemischt, aber positiv
Die ersten Reaktionen auf Google+ fallen gemischt, unterm Strich aber überraschend positiv aus. Viele wünschen sich allein schon aus einer Abwehrhaltung Facebook gegenüber den Erfolg des neuen Netzwerks. „Zumindest der Anfang ist geglückt. Irgendwie scheinen viele zu hoffen, dass es Google diesmal gelingt, ein Konkurrenz-Angebot zu Facebook zu etablieren“, sagt auch der Social-Media-Experte Klaus Eck, Geschäftsführer von PR-Blogger. „Im Vergleich zu allen bisherigen Diensten, die Google in den letzten Jahren veröffentlicht hat, ist dies sicherlich gänzlich anders zu bewerten. Google weiß, dass man sich jahrelang viel zu sehr darauf konzentriert hat, das Internet und seine Daten zu organisieren, anstatt den User in den Mittelpunkt zu stellen“, ergänzt Markus Hübner, von der Tiroler Agentur Brandflow. Wenn es Google gelinge, eine All-in-One-Lösung zu bieten, die sich nahtlos in den täglichen Online-Tagesablauf integriert, dann werde der neue Dienst auch angenommen werden.

Umzug in der virtuellen Welt
Natürlich gibt es auch jene, die das bisher Präsentierte als billigen Klon belächeln oder dem Service ein ähnliches Schicksal wie Buzz und Wave prophezeihen. Google hatte mit seinen sozialen Diensten bisher so gut wie keinen Erfolg. Eine der größten Herausforderungen für Google+ wird es daher sein, die Nutzer davon zu überzeugen, aus ihren gemütlich eingerichteten, persönlichen Netzwerken auf Facebook in ein neues, weitgehend menschenleeres umzuziehen. „Es hat schon in der Vergangenheit Social Networks gegeben, von denen heute niemand mehr spricht. Oder wer erinnert sich noch an Friendster, Orkut und AOL. Selbst MySpace und StudiVZ dürften bald Geschichte sein oder nur noch in Nischen eine Rolle spielen“, sagt Eck. Deshalb solle niemand Google unterschätzen. „Die neuen Services machen es heutzutage den Onlinern sehr leicht, ihre alten Kontakte einzuladen. Insofern dürfte es kein Problem mehr sein, in eine neue digitale Welt umzuziehen. Allerdings muss Google+ dazu wirklich den Mainstream ansprechen und schnell wachsen.“

Niko Alm von der Internetagentur Super-Fi hält es grundsätzlich für sehr schwer, dass heute noch jemand Facebook echte Konkurrenz machen kann. „Das gelänge nur mit einem besseren Produkt oder durch ein Einsammeln neuer User, die noch nicht auf Facebook sind, vielleicht auf Kontinenten, die noch nicht ganz Schritt halten derzeit.“ Google sei nun einer der weniger globalen Player, die über das Netzwerk und die Ressourcen verfügen Facebook in beiderlei Hinsicht die Stirn zu bieten. „Vor allem, wenn es gelingt, eine kritische Masse an Users zum Übersiedeln oder zur parallelen Benützung zu bewegen. Rein technisch scheint Google+ hier gute Voraussetzungen geschaffen zu haben, weil es ein Feature bringt, das Facebook schmerzlich fehlt: Die Gruppierung des eigenen Netzwerks“, so Alm.

"Google bleibt eine Suchmaschine"
Skeptischer zeigt sich Stephanie Ogulin von der Wiener Marketingagentur Ambuzzador: „Google ist und bleibt eine Suchmaschine und kein soziales Netzwerk, in dem der Austausch von Informationen, Erlebnissen, Gefühlen und Tätigkeiten im Vordergrund steht.“ Eine Umsiedlung der Freunde würde nur step by step funktionieren. „Das geht wiederum nicht über den Einzelnen, sondern über die Masse“, so Ogulin, die bislang „keine so gewaltigen Vorteile“ in Google+ sieht – speziell nicht für Marken und Unternehmen - um in das neue Netzwerk zu übersiedeln.

Doch selbst wenn es Google gelingen sollte, die Nutzer in Scharen anzulocken, muss Facebook nicht gleich um seine Existenz fürchten, wie Jonny Jelinek von der Social-Media-Agentur Webfeuer einwirft. „Auch wenn Google+ ein Erfolg wird, wird es eine ganze Zeit lang so sein, dass die eine Hälfte dort ist und die andere Hälfte bei Facebook bleibt.“ Zuerst müsste es jedoch genügend Early Adopter geben, die Facebook abschwören und in ihrem Freundeskreis so "einflussreich" sind, dass dieser dann mitzieht, meint Jelinek.

Das Potenzial von Google+
Dass Google+ Potenzial hat, darüber sind sich fast alle Experten einig. Entscheidend wird es sein, wie Google die Umsetzung gelingt und wie schnell sich das Netzwerk etablieren kann. „Google+ hat einige Features, die bei Facebook fehlen oder schlechter gelöst sind. Genau diese Funktionen, die es bei Facebook nicht gibt, könnten ausschlaggebend für den Erfolg sein“, meint Jelinek. Auch in punkto Kollaboration könne Google+ künftig vielleicht das bieten, was bei Wave missglückt ist.

„Zu den Stärken von Google+ zählen wohl die personalisierte Suche, die personalisierte Ausspielung von Suchergebnissen und Gewichtung dieser nach persönlichen Interessen“, meint Ogulin. Auch die bereits bestehenden, etablierten Google-Diensten können dem Erfolg des Netzwerks zuträglich sein. „Die Vernetzung mit Gmail, den eigenen Google-Kontaktdaten und weiteren Google-Services ist leicht und schnell zu bewältigen“, so Eck. Schlussendlich habe Google aber auch exzellente Möglichkeiten, Unternehmen in die Plattform zu integrieren, ergänzt Alm. „Weil die Werbemöglichkeiten ja vom Start weg gut ausgebaut sind. Die ersten Kooperationen mit großen FMCG-Konzernen und Brands werden sicher bald nach Start verlautbart.“

Google, der Datenschützer?
Nicht zuletzt stellen auch die Angst vor Googles Monopolstellung und altbekannte Datenschutzbedenken, die der Internetriese in den vergangenen Jahren fleißig gefüttert hat, Google+ vor große Herausforderungen – wenngleich Facebook in punkto Datenschutz derzeit vermutlich die noch schlechteren Karten hat. „Google hat aus den Erfahrungen mit Buzz sicherlich gelernt. Privacy war dabei einer der Punkte, warum dies scheiterte“, so Hübner. Schon jetzt biete Google die Möglichkeit, sämtliche Daten zu exportieren – wofür Facebook Jahre gebraucht habe - und Profile vollständig zu löschen. Auch Jelinek ist überzeugt, dass Google das Datenschutz-Thema besser lösen wird als Facebook das tut. „Mit dem "Circles" Feature macht Google+ auf jeden Fall einen guten Schritt in Richtung mehr Privacy.“

„In Social Networks ist Privatsphäre eine Illusion“, meint Eck. Das habe schon Mark Zuckerberg deutlich angesprochen und sei deshalb öffentlich angeprangert worden, weil das vielen zu weit gehe. „Obwohl viele Networker längst viel Privates publizieren, erwarten sie von einem Social-Network-Betreiber ein transparentes Vorgehen und klare Regeln, die sich nicht ständig ändern und nachvollziehbar sind“, erläutert Eck. Vertrauen sei hierbei ein hohes Gut. „Mit einem neuen Wettbewerber wie Google Plus könnte es eine positive Entwicklung in Richtung Datenschutz und Privacy geben, von der wir Nutzer alle profitieren.“

Und vielleicht sind die Nutzer in den Social Networks gar nicht so schlecht aufgehoben, denn „was den Datenschutz betrifft, fühle ich mich persönlich bei Google oder Facebook trotz aller Kritik besser aufgehoben als bei vielen anderen Sites“, meint Alm. Gerade weil die beiden unglaublich viele Accounts und persönliche Daten zu verwalten hätten, komme es auch zu einer von außen gesteuerten Sensibilisierung. „Dass das nicht zur vollen Zufriedenheit der Kritiker umgesetzt wird, ist auch klar.“

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Claudia Zettel

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futurezone-Chefredakteurin, Feministin, Musik-Liebhaberin und Katzen-Verehrerin. Im Zweifel für den Zweifel.

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