Doch kein #RIPTwitter? Gründer Jack Dorsey versucht, die Gemüter zu beruhigen
Doch kein #RIPTwitter? Gründer Jack Dorsey versucht, die Gemüter zu beruhigen
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#RIPTwitter: Panik wegen Aussicht auf Wandel bei Twitter

Kurz vor Twitters 10. Geburtstag machen sich Zukunftssorgen breit. Das Wachstum schwächelt, die Aktie ist im Keller - und schon ein Bericht über einen möglichen Umbau löst Protest von Nutzern aus. Twitter-Chef Jack Dorsey versucht, sie zu beruhigen.

Diese Idee treibt eingefleischte Twitter-Nutzer auf die Barrikaden noch bevor man sie in Aktion sehen konnte. Der Dienst wolle eine neue Sortierung einführen, bei der die einzelnen Tweets nach Relevanz-Algorithmen angeordnet werden, statt wie bisher einfach nacheinander, schrieb die Website "Buzzfeed" am Wochenende. Das wäre eine Abkehr von einem Grund-Prinzip von Twitter und würde den Dienst ein Stück mehr wie Facebook machen. Die Diskussion darüber - natürlich bei Twitter selbst - kippte schnell in Untergangs-Stimmung mit dem Schlagwort "#RIPTwitter" - "Ruhe in Frieden, Twitter".

"Wir lieben den Livestream"

Mitgründer und Chef Jack Dorsey versuchte in einer Serie von Tweets, die Gemüter zu beruhigen. "Wir haben nie geplant, die Timelines nächste Woche neu zu ordnen", schrieb er. Zugleich wurde deutlich, dass es Änderungen geben wird - aber sie sollen behutsam ausfallen. "Wir lieben den Livestream. Das sind wir", betonte Dorsey. Der Tweet-Strom werde "verfeinert", damit er sich noch aktueller anfühle.

Der aufgeregte Ton der Debatte ist typisch für die Stimmung kurz vor dem zehnten Geburtstag des Kurznachrichtendienstes. Die Aktie steckt im Kurskeller, weil das Wachstum der Nutzerzahlen auf ein Tröpfeln gefallen ist. Im Jänner nahm eine ganze Riege von Top-Managern den Hut. Und einer davon - Produktchef Kevin Weil - soll laut Medienberichten ausgerechnet zur Foto-Plattform Instagram des Rivalen Facebook gegangen sein. Der bekannte Technologie-Journalist Josh Topolsky, ein langjähriger Twitter-Fan, sieht den Dienst an Relevanz verlieren. Die Überschrift seines vielbeachteten Artikels beim renommierten Magazin "New Yorker": "Das Ende von Twitter".

Gegen die Blockade

In dieser Atmosphäre braucht Twitter-Mitgründer Dorsey, der im vergangenen Sommer zunächst kommissarisch und dann dauerhaft an die Firmenspitze zurückkehrte, schnell einen großen Wurf. Die bisherige Bilanz seiner Chef-Aktivitäten sind ein Stellenabbau, das zunächst nur in den USA verfügbare Angebot "Moments", bei dem Tweets zu aktuellen Ereignissen zusammengefasst werden, sowie die Ankündigung, einen Verzicht auf die Tweet-Obergrenze von 140 Zeichen zu testen. Und bei den von Nutzern als "Favoriten" markierten Tweets wurde das Symbol von einem gelben Stern auf ein rotes Herz geändert.

Wenn Dorsey an diesem Mittwoch wieder nur Quartalszahlen präsentieren kann, die die Börsianer enttäuschen, könnte ein großer Produkt-Umbau eine willkommene Ablenkung sein. Zugleich schränkte "Buzzfeed" ein, man habe nicht in Erfahrung bringen können, ob die Änderung generell gelten solle, oder Nutzer die freie Auswahl bekämen. Das Tech-Blog The Verge und ein Social-Media-Experte des Senders NBC schrieben, man werde auf die Algorithmen-Sortierung auch verzichten können.

In den roten Zahlen

Seit Dorsey am 21. März 2006 testweise den allerersten Tweet verschickte, hat sich Twitter zu einer einzigartigen Möglichkeit entwickelt, den Puls der Welt zu spüren. Wenn irgendwo etwas passiert, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass dies einen am schnellsten über Twitter erreicht. Auch wenn sich bei dramatischen Entwicklungen wie den jüngsten Terror-Anschlägen in Paris frische Fakten mit falschen Informationen vermischen - Twitter ist so etwas wie das globale Nervensystem der News-Branche geworden. Das Problem: Allein damit kann ein Dienst kein Geld verdienen.

Die Lösung von Twitter ist, von Unternehmen bezahlte Tweets in den Nachrichtenstrom der Nutzer einzuschleusen - ähnlich wie das Facebook macht. Mit dem Versprechen, dass sie durch eine Fokussierung auf bestimmte Zielgruppen auch zu den Interessen der Nutzer passen. Das bringt mit zuletzt gut 300 Millionen Nutzern einen Umsatz von etwa zwei Milliarden Dollar (1,79 Mrd. Euro) pro Jahr. Aber Twitter steckt nach wie vor in den roten Zahlen fest - auch wenn der Dienst dank seiner Geldreserven noch jahrelange Verluste verkraften könnte.

Zum Vergleich: Facebook verbuchte zuletzt einen Quartalsgewinn von 1,56 Milliarden Dollar bei 5,84 Milliarden Dollar Umsatz. Bei den Nutzerzahlen hat das weltgrößte Online-Netzwerk mit seinen knapp 1,6 Milliarden Mitgliedern Twitter eh längst abgehängt. Es ist auch die Lernkurve, die Twitter bremst: Wer es sinnvoll nutzen will, muss erst Zeit und Energie in die Auswahl der Quellen investieren, denen man folgt. Die Versuche von Twitter, neuen Mitgliedern den Einstieg einfacher zu machen, lösten bisher keine Wachstumsschübe aus.

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