Diese Straßenbahn - hier in Realität - wird demnächst in den chinesischen Städten Guangzhou, Ningbo und Huaian in Betreib gehen.
Diese Straßenbahn - hier in Realität - wird  demnächst in den chinesischen Städten Guangzhou, Ningbo und Huaian in Betreib gehen.
© CSR

Straßenbahn ohne Stromleitung

Straßenbahn ohne Stromleitung

Auf der Verkehrsmesse InnoTrans in Berlin konnte man heuer zwei Projekte entdecken, bei denen elektrisch fahrende öffentliche Verkehrsmittel nur punktuell aufgeladen werden, anstatt von einer durchgehenden Stromversorgung abhängig zu sein. Die Wiener Linien haben bereits Erfahrungen mit diesem Konzept, das einige Vorteile bietet. Unter anderem erlaubt es flexiblere Streckenführungen für Elektrobusse und geringere Baukosten für Straßenbahnlinien.

Kondensator statt Batterie

Das chinesische Unternehmen CSR zeigte auf der InnoTrans eine neue Straßenbahn, die ohne Oberleitungen auskommt. Sie ist elektrisch unterwegs, braucht aber weder eine Stromschiene noch eingebaute Batterien. Möglich wird dies durch einen so genannten Super-Kondensator. Dieser wird an der Station durch eine kurze Überkopf-Stromschiene aufgeladen. 30 Sekunden Ladezeit reichen, um die Straßenbahn über eine Strecke von vier Kilometern zu befördern - bis zur nächsten Station, wo der Energiespeicher aufgeladen wird, während die Passagiere aus- und einsteigen.

"Ein Kondensator ist besser als eine Batterie dafür geeignet, um in kürzester Zeit viel Energie aufzunehmen. Die Speichermenge ist aber begrenzt", meint Andreas Schwendemann, der Vertreibsleiter für Nahverkehrsfahrzeuge in Österreich und Osteuropa beim Elektrobus-Hersteller Siemens. Ein weiterer Vorteil: "Man erspart sich Masten auf der freien Strecke." Kondensatoren hätten sich als zuverlässige Energiespeicher erwiesen. Erfahrungen damit hat auch Siemens gemacht. Derzeit baut der Konzern etwa eine Straßenbahnlinie in Doha, Katar, die mit Kondensator arbeitet.

Energieverbrauchs-Senkung

Durch die begrenzte Speichermenge stellt sich bei Kondensator-Gefährten mehr als sonst die Frage nach möglichst optimalem Energiemanagement. "Normalerweise kann man mit einer Aufladung 2,5 bis 4 Kilometer fahren. Das hängt aber davon ab, wie stark der Eigenverbrauch ist", meint Schwendemann. "Den Aufwand für Klimatisierung und Licht darf man nicht unterschätzen. In einem Elektrobus fällt fast die Hälfte der Energie dafür weg."

Die Senkung des Energieverbrauchs sei unabhängig von der Antriebsart ein großes Thema. Durch Klimaanlagen, die sich an die vorhandenen Fahrgastzahlen anpassen und LED-Beleuchtung hat man es etwa beim Wiener Projekt Eco-Tram geschafft, rund 10 Prozent weniger Strom zu verbrauchen. Durch Optimierung der Fahrleistung holte man nochmal 10 Prozent heraus. Erkenntnisse aus dem Projekt werden in der nächsten Straßenbahn-Generation durchgehend umgesetzt werden.

Nachtanken an der Oberleitung

In der Wiener Innenstadt ist seit zwei Jahren ein Elektrobus unterwegs, der mit Akkus betrieben wird. Diese werden über Nacht in der Betriebsgarage aufgeladen, aber auch während des Linienbetriebs wird "nachgetankt", und zwar jedes Mal, wenn der Elektrobus die Endstation seiner jeweiligen Linie erreicht. Dann wird ein Stromabnehmer vom Dach ausgefahren, der sich elektrische Energie aus einer Oberleitung holt - genauso wie dies die Wiener Straßenbahnen tun, nur eben punktuell und nicht permanent.

Elektrobus der Wiener Linien in der Wiener City.

Mit seiner Batteriekapazität und den Ladungen zwischendurch kann der Bus den ganzen Tag lang unterwegs sein, auch wenn sich die Wegstrecke oder der Energieverbrauch mal erhöhen sollten. "Der Große Vorteil an einem Elektrobus mit Energiespeicher ist die flexible Linienführung", meint Schwendemann. "Wenn die Route verändert wird, müssen keine Fahrleitungen neu verlegt werden. Auch bei Unfällen oder Demonstrationen ist das praktisch."

Geringe Errichtungskosten

In Wien wurde gezeigt, wie einfach man ein Elektrobus-System installieren kann. Für die Stromversorgung wurden lediglich bereits vorhandene Oberleitungen für die Straßenbahn an zwei Punkten (Schwarzenbergplatz und Ringturm) für die Bus-Ladestationen abgezweigt. "Die Errichtungskosten waren äußerst gering", meint Schwendemann. "Außerdem wird bei den Ladestationen, wie am Schwarzenbergplatz, Energie verwendet, die von den Straßenbahnen beim Bremsen zurück in Netz gespeist wird. Das ist ein neuer Schritt bei der Optimierung der Energienutzung für den öffentlichen Verkehr."

Das zwischenzeitliche Aufladen der Fahrzeug-Batterien ermöglichte es, deren Umfang zu reduzieren. Dadurch bleibt mehr Platz im Fahrzeug. "Wenn man eine Batterie verwenden würde, die den ganzen Tag durchhält, hätte diese zwei Tonnen und würde viel Platz verbrauchen. Durch das System in Wien wurde das Gewicht auf eine Tonne reduziert. Durch das zwischenzeitliche Aufladen kann der Bus außerdem noch länger fahren." Das Wiener Modell sorgte für weltweites Interesse, doch auch anderswo wird an Öffi-Konzepten mit Energiespeicher gearbeitet.

Der Bus ist Teil des Primove-Systems von Bombardier. An bestimmten Stationen auf seiner Strecke befinden sich induktive Ladestationen im Fahrbelag.

Induktives Nachladen

Neben Oberleitungs-Stromabnehmer und Kondensator konnte man auf der InnoTrans eine weitere Möglichkeit zur punktuellen Aufladung von öffentlichen Verkehrsmitteln entdecken. Das kanadische Unternehmen Bombardier zeigte sein System Primove, das in der deutschen Stadt Mannheim bereits im Einsatz ist. Elektrobusse werden dort mit Hilfe induktiver Ladestationen aufgeladen, die an Haltestellen im Asphalt eingelassen sind.

Von der Unterseite des Busses fährt bei Stopps eine Bodenplatte aus, die den Abstand zur Ladestation auf wenige Zentimeter reduzieren. Strom wird anschließend drahtlos übertragen. Entlang der Mannheimer Buslinie 63 wird an drei Punkten aufgeladen. Durch das Stromtanken zwischendurch konnte ähnlich wie in Wien das Volumen der mitgeführten Batterien und damit das Gewicht der Busse reduziert werden.

Winter-Zweifel

"Wir haben auch das induktive Aufladen untersucht und mussten feststellen, dass der Aufwand dafür höher ist", meint Schwendemann. Einbau und Wartung der Ladestationen seien jedenfalls aufwendiger als die Stromentnahme an Oberleitungen. "Außerdem gibt es hier noch keine Langzeiterfahrung, was den Betrieb im Winter betrifft. Wenn sich etwa Eis zwischen Ladestation und Bodenplatte befindet, ist das problematisch."

Eine weitere Problematik bei induktiven Ladestationen im Straßenbelag sei außerdem die elektromagnetische Abschirmung, meint Schwendemann. Bei Bombardier sieht man die Sache anders. Messungen hätten gezeigt, dass die zulässigen Grenzwerte für die Bus-Infrastruktur eingehalten werden können. Im Übrigen lägen die Strahlungswerte etwa weit unter jenen von Antidiebstahlseinrichtungen in Geschäftslokalen.

Ein Öffi-Relikt mit Energiespeicher ist der Gyrobus. Dieses Modell kam in Belgien zum Einsatz und steht nun im Museum.

Energiespeicher Schwungrad

In der Vergangenheit wurden auch Schwungradspeicher dafür eingesetzt, um sich mit elektrischem Antrieb von Ladestation zu Ladestation zu bewegen. Beim so genannten Gyrobus beschleunigt ein Elektromotor während des Aufladens ein Schwungrad auf mehrere tausend Umdrehungen pro Minute. Während der Fahrt wird die Bewegungsenergie schrittweise wieder in Strom für den Antriebsmotor umgewandelt.

Das österreichische Unternehmen TSA stellte auf der InnoTrans einen Schwungradspeicher vor, der mit bis zu 19.000 Umdrehungen pro Minute läuft. Die Lagerung von Schwungrädern verbessert sich ständig, sodass Speicherverluste nur sehr langsam auftreten. Dennoch erwies sich der Einsatz in Bussen in der Vergangenheit als wenig wirtschaftlich. " Wenn man über Straßen rumpelt, taucht dasselbe Problem auf, das sich auch bei CD-Playern im Auto zeigt. Nur ist ein Schwungrad viel schwerer und bringt eine entsprechend Trägheit mit sich", meint Schwendemann.

Hybridlösungen

Die Stromspeicherung mit Batterien oder Kondensatoren scheint das erfolgversprechendste Konzept für die Zukunft, zumindest auf Strecken, an denen Oberleitungen oder Stromschienen nicht verlegt werden sollen oder können. Eine klare Stellung muss dabei aber gar nicht bezogen werden. Auch bei elektrischen Bussen und Straßenbahnen gibt es Hybridlösungen, die sowohl mit Stromleitung als auch Stromspeicher fahren können.

Für die Durchquerung des Englischen Gartens in München gibt es etwa den Plan, eine ansonsten mit Oberleitung versorgte Straßenbahn einen Kilometer lang mit Strom aus Batterien fahren zu lassen, um das Landschaftsbild zu erhalten. Das Vorhaben existiert bereits seit einigen Jahren. Die Münchner Verkehrsgesellschaft hat in der Zwischenzeit andere Projekte realisiert, hält aber an dem Plan fest. Wo heute noch eine Dieselbus-Linie verkehrt, soll in Zukunft also eine Straßenbahn mit Batteriestrom durch den Park rauschen.

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Mobilität, Klimawandel, Energie, Raumfahrt und Astronomie. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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