© Gilbert Novy

Interview

TU Wien-Rektorin: "Wir sind so gut wie das MIT"

In ihrem Büro am Wiener Karlsplatz hängen die Bilder aller bisherigen Rektoren. Anfangs noch typische Ölgemälde, haben sich ihre Vorgänger der jüngsten Vergangenheit schon mit moderneren Kunstformen porträtieren lassen, Peter Skalicky etwa im Popart-Stil. Von Sabine Seidler hängt freilich noch kein Porträt an der Wand, ist sie doch erst seit einem Jahr im Amt und wird es bis 2015 bleiben. Doch eines weiß sie jetzt schon mit Sicherheit – so lange, wie ihr Vorgänger Peter Skalicky, der das Amt 20 Jahre inne hatte, möchte sie nicht der Technischen Universität vorstehen. „Es bedarf regelmäßig eines frischen Windes im Rektorat, wenn man zu lange ganz oben steht, bremsen Routine die Entwicklung der Universität."

Flammthema Innovation
Seidler hat, wie sie selbst sagt, viele „Flammthemen“, das wichtigste ist das Thema Innovation, „weil Universitäten ein wesentlicher Innovationsträger in diesem Land sind, ungeachtet der öffentlichen Wahrnehmung.“ Universitäten würden immer nur mit negativen Themen in Verbindung gebracht, ob das die Studiengebühren sind, die Zugangsregelungen, der Platzmangel, die zu wenig Geld-Thematik - „aber nie oder selten kommen sie in die Schlagzeilen mit der Rolle, die sie wirklich inne haben, nämlich die Träger und Vermittler von Know-How, als Forschungsstätten und als Institutionen, die das Renommee Österreichs heben."

"Von uns kommen Innovationen, die wirklich Neues  bringen, wir forschen und entwickeln, was sich ein normales Unternehmen gar nicht leisten könnte", sagt Seidler.

72 Millionen Euro Drittmittel
Das Gesamtbudget der TU Wien beläuft sich auf knapp 230 Millionen Euro. „Und wir haben im vergangenen Jahr 72 Millionen Euro Drittmittel erwirtschaftet, etwa drei Fünftel gehen in die kooperative Forschung, also in Auftragsforschungen, die gefördert sind, auf nationaler und EU-Ebene“, erklärt Seidler.

Die Uni selbst kosten solche Auftragsarbeiten übrigens nochmals etwa 70 Millionen, die sie aus eigener Tasche bezahlen muss. „Ein Fünftel unserer Forschungsarbeit sind reine Auftragsforschung, zwei weitere Drittel sind gefördert von der FFG und der EU.“  An der TU-Wien wird Erkenntnis-orientiert gearbeitet, betont Seidler: „In vielen Bereichen verfolgen wir die Devise, „der Weg ist das Ziel“, denn wenn wir irren, können wir das publizieren, um andere von den gemachten Fehlern abzuhalten.“

„Wir sind eine Top-Uni“
Die TU Wien sei eine Top-Universität und brauche auch den internationalen Vergleich nicht scheuen. Die diversen Universitäten-Rankings, die jedes Jahr publiziert würden, seien sehr einseitig, „weil wir immer mit den Top 5 bis Top 10 Unis der Welt verglichen werden, aber es gibt mehr als diese Top-Unis, die jeder kennt. Wir sind in dem einen und anderen Fachgebiet mindestens genauso gut, wenn nicht besser als das MIT (Massachusetts Institut of Technology), und das können wir belegen“, so Seidler. „Wir brauchen uns nicht zu verstecken.“

Konkret habe die TU Wien in den Forschungsgebieten Quantenphysik und Materialwissenschaft einen Weltruf. Im Fach Elektrotechnik sind wir unter den Top 50 Universitäten der Welt. Gemeinsam mit der TU Graz sind wir, was die Informatik betrifft, im weltweiten Spitzenfeld.

Der Kampf um die besten Köpfe
Die Sichtbarkeit von Unis wird über die internationale Sichtbarkeit definiert, so Seidler. Daher sei die Internationalisierung ein wichtiges Thema. Um als Uni international anerkannt zu werden, bedarf es internationaler Absolventen und internationaler Köpfe, sprich Professoren, und es bedarf des Geldes. „Seit Jahren kaufen die Amerikaner die besten Köpfe der Welt ein, seit Jahren lassen die USA jeden anerkannten Wissenschaftler ins Land. Nur bei uns wird über die Rotweißrot-Card diskutiert, da kann einem doch übel werden. Der Professor dürfe zwar in Österreich arbeiten, seine Frau allerdings nicht.

Internationalisierungsstrategie
Ein weiterer Schritt in Richtung Internationalisierung sei die Studiums-Sprache. Deutschkenntnisse seien in Österreich fürs Studieren derzeit unabdingbar. „Aber wir müssen uns bei den Masterstudien sprachlich öffnen und sie auf Englisch umstellen, wie es teilweise auch schon auf der TU Graz der Fall ist." Anfangs nicht in allen Bereichen, aber in jenen, in denen man Spitzenwissenschaftler nach Wien bringen wolle. "Wir müssen eine Internationalisierungsstrategie entwickeln, in Bereichen, in denen wir Weltspitze sind. Zwar kämen schon jetzt etwa 29 Prozent der Studenten aus der EU und Drittstaaten, eine Studiensprache Englisch locke vermutlich viel mehr Interessierte heran", sagt Seidler.

Online oder Face-to-Face
Was die Zukunft anlangt, wird der Kurs, der bereits 2005/2006 eingeschlagen wurde, weitergegangen, seit diesem Studienjahr gibt es Webinars, also Vorlesungen, an denen die Studenten via Web teilnehmen können. „Ob wir das künftig noch stärker ausbauen, darüber wird derzeit diskutiert“, so Seidler. "Eine Gruppe ist der Meinung, dass nur Mischformen ok sind und beim reinen Internet-Learning die Face-to-Face-Komponente fehlt, die persönliche Qualität sollte nicht verloren gehen. Wobei bei ich mich schon manchmal frage, ob bei einer Vorlesung mit 600 Hörern überhaupt ein Face-to-Face möglich ist und es ab einem bestimmten Zeitpunkt im Studium möglich sein sollte, Online-Vorlesungen zu besuchen."

Seidler ist aber überzeugt, dass Initiativen wie das Projekt EDX, das im Vorjahr von den Elite-Unis MIT und Harvard gestartet wurde, höchst erfolgreich sein werden. „Weil Abschlüsse bestimmter Unis Job-fördernd sind.“ Im Nachsatz: „Aber auch die kochen nur mit Wasser.“ Ein kritischeres Thema sei, dass renommierte Unis Dependancen in asiatischen Ländern eröffnen, um so Nachwuchs für den US-Markt zu lukrieren.

Forschung: Ein Großteil von FFG-Mittel fließt in Forschungs-kooperationen. Die TU Wien hat mit verschiedensten Institutionen/Konzernen Kooperationen, so etwa mit dem Verbund oder den Wiener Stadtwerken. Die Forschungsförderungsgesellschaft betreibt in Österreich im Rahmen der Comet-Initiative (Compentence Centers for Excellent Technologies) Kompetenzzentren (K-Center).  Von den fünf K2-Zentren, das sind jene mit den ambitioniertesten Forschungsprogrammen, werden letztlich vier von den drei technischen Universitäten geleitet. Von den 16 K1-Zentren ist bei jedem mindestens eine technische Uni dabei. Und bei den 35 K-Pojekten sind in 25 die TU Wien und/oder TU-Graz und/oder Montanistische Uni Leoben vertreten

 

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