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Tweet Cemetery: Friedhof für ungewollte Tweets

Schon einmal eine Kurznachricht geschrieben und dann doch nicht auf Tweet geklickt, sondern die Meldung lieber gelöscht? Geht es nach zwei Österreicherinnen und ihrem Entwickler, sollen diese besonderen Nicht-Twitter-Nachrichten künftig an einem ganz speziellen Ort gesammelt werden: dem TweetCemetery.

Dazu muss man sich als Firefox-Nutzer lediglich die Greasemonkey-Erweiterung und dazu das Tweet Cemetery Userscript installieren - und schon poppt im eigenen Twitter-Account links neben dem Tweet-Knopf der brandneue Bury-Button auf. Mit Chrome ist nur die schnelle Installation des Tweet Cemetery Userscript, damit man den Bury-Button bekommt. Klickt man ihn, wird der verfasste Tweet nicht veröffentlicht, sondern wandert auf den Tweet-Friedhof.

Aber keine Angst: Dort wird der Absender nicht bekannt gegeben, und @-Mentions werden aus den Tweets gelöscht- Man kann dort seine Tweets also begraben, ohne dass sie ganz verloren gehen. In Twitter-Clients wie Tweetdeck ist die Integration des Bury-Buttons noch nicht möglich.

Österreichische Idee
Die Idee zu Tweet Cemetery hatten die Soziologin Susanne Zöhrer (The Sandworm) und Jana Herwig, wissenschaftliche Mitarbeiterin im FWF-geförderten Forschungsprojekt "Texture Matters", das seit Mai 2011 am Institut für Theaterwissenschaft der Universität Wien durchgeführt wird. Umgesetzt hat das Privatprojekt Matthias Steinböck, der bei der Wiener Internet-Agentur vi knallgrau arbeitet.

“Dort werden sicher Beschimpfungen oder Flüche landen, vielleicht auch Geständnisse oder einfach Unfertigkeiten, wenn man etwa am Zeichen-Limit scheitert”, sagt Herwig zur futurezone. “So kann man etwa unfertige Dinge, die nicht die übliche Smartness aufweisen, dorthin schicken.” Auswertungen, Statistiken, Visualisierungen - mit Tweet Cemetery sei noch vieles möglich. “Aber zuerst müssen die Leute es mal ausprobieren, und ich glaube, dass das viele ausprobieren wollen”, sagt Herwig. “Wenn es irre erfolgreich wird, dann soll Matthias Steinböck was draus machen. Dass wir jetzt aber alle unsere Jobs aufgeben und Start-ups gründen, glaube ich nicht.”

Effizienzsteigerung und Selbstdisziplinierung
Nur zum reinen Amüsement der Nutzerschaft dient der Bury-Button aber nicht. Herwig und Zöhrer geht aus auch darum, den Optimierungseffekt des Internet mit dem Experiment aufzuzeigen. “Es geht immer um Effizienzsteigerung und gleichzeitig um eine Projektion des eigenen Selbst nach außen”, sagt Herwig. “Das zeigt sich daran, wie man sich selbst zensiert, indem man Tweets wieder löscht, die man gerade noch getippt hat.”

Deswegen zeichnen Herwig und Zöhrer die Geschichte des Computers anhand der gesellschaftlichen Visionen über die Nutzung nach - von der Memex-Maschine Vannemar Bushs über Mainframe-Rechner bis zum Smartphone. “Zur Zeit sind die Bilder vom User als mobiles Subjekt virulent, der jederzeit Medien konsumiert und ein intimes Verhältnis zu seinem Gerät hat”, sagt Herwig - etwa in den Werbevideos zu Apples Sprachsteuerung “Siri” sei das sehr deutlich zu sehen.

“Der Unterschied zwischen Arbeit und Freizeit ist darin längst aufgelöst.” Laut Herwig ginge mit der Computerisierung der Gesellschaft eine starke Selbstdisziplinierung einher, die sich etwa auf Twitter ausdrücken würde. “Beim Mainframe war der Umgang mit dem Computer durch den Job definiert”, sagt Herwig. “Jetzt ist die Nutzung viel stärker selbstdefiniert und der Einzelne trägt viel stärker die Verantwortung.”

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Jakob Steinschaden

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