Falsche Freunde

“Twitterbots manipulieren politische Debatten und Märkte”

Laut Schätzungen von Twitter sind 8,5 Prozent der 271 Millionen aktiven Accounts Bots. Das entspricht 23 Millionen falschen Profilen (die futurezone berichtete). Der italienische Forscher Emilio Ferrara, der einen Bot-identifizierenden Algorithmus entwickelt hat, geht aber davon aus, dass diese Schätzung reichlich konservativ ist. “Genau weiß das keiner, aber die 8,5 Prozent basieren auf einer sehr engen Definition von Bot. Unsere Daten lassen darauf schließen, dass der Anteil viel höher sein dürfte”, so Ferrara gegenüber der futurezone.

Der Algorithmus untersucht mehrere Kriterien, um festzustellen, ob hinter einem Twitter-Account ein Mensch steht oder nicht. “Wir untersuchen die Metadaten des Twitter-Accounts, prüfen die verwendete Sprache und die Stimmung, die verbreitet wird. Die Zeitpunkte des Erstellens und Konsumierens von Information sind ebenfalls aussagekräftig, genau wie das Kontakt-Netzwerk und die Muster der Informationsverbreitung eines Accounts. So entsteht ein eindeutiger Fingerabdruck”, erklärt Ferrara.

Die Erfolgsquote des Algorithmus ist angeblich sehr hoch. Allerdings wird es zunehmend schwerer, Bots zu identifizieren, da die Software, welche falsche Profile bedient, immer besser wird. “Die Bots werden besser und besser. Sie sind zunehmend in der Lage, menschliches Verhalten und soziale Interaktionen zu imitieren. Einen perfekten Bot wird es meiner Meinung nach aber nie geben”, sagt Ferrara.

Kontroll-Werkzeug

Forscher Emilio Ferrara
Auf einer Webseite können Twitter-Accounts auf ihre Echtheit überprüft werden. Allerdings basieren die Annahmen des Algorithmus auf Daten aus dem Jahr 2011. Einige Tausend nachgewiesene Bots aus diesem Jahr wurden mit einer vergleichbaren Zahl an menschlichen Usern verglichen. Diese Daten bilden den Grundstock für die Entscheidungskriterien des Algorithmus. Seit damals sind die Bots aber bereits wieder besser geworden. Einige könnten die Definitionen von Ferraras Software also umgehen. “Am Anfang waren Bots naiv und haben hauptsächlich Meldungen populärer Accounts geretweetet. Heute ist ihr Verhalten weitaus komplexer”, sagt Ferrara.

Twitter ist mit seinen kurzen Nachrichten das ideale Netzwerk, um es mit Bots zu infiltrieren. “Der Dienst hat viele Nutzer und wenig Inhalt pro Nachricht. Der Wahrheitsgehalt der verschickten Information ist zudem kaum nachprüfbar”, so Ferrara. Deshalb ist der Schaden auch größer als bei anderen Netzwerken. “Einige Bots sind gutartig und sammeln beispielsweise lediglich Information. Andere sind aber bösartig und zielen darauf ab, zu diffamieren, zu täuschen und Desinformation zu verbreiten. So werden politische Debatten manipuliert, legitime Kampagnen gestört und gesellschaftliche Diskussionen gestört. Selbst eine Beeinflussung des Aktienmarktes ist möglich. Im Falle der Anschläge beim Boston Marathon wurden sogar Notfall-Einsätze durch Falschinformationen behindert”, erklärt Ferrara.

Gefährliche Bots

Daneben erhöhen die Bots künstlich die Nutzerzahlen von Twitter und locken so Investoren und Werbekunden an, wie Ferrara betont. Einzelne Nutzer überschätzen durch die Bots in ihrem Gefolge zudem ihre eigene Bedeutung im Netzwerk des Dienstes. Das kann natürlich auch bewusst genutzt werden. Bot-Accounts werden im Netz haufenweise verkauft und erlauben es Twitteranten, ihren Status mit tausenden von unechten Followern aufzublasen.

“Bots sind exzellente Fake-Follower, da sie sich ähnlich wie Menschen verhalten. Sie sind damit ein lohnenderes Werkzeug als gehackte oder inaktive Accounts”, so Ferrara. So können die mindestens 23 Millionen Twitter-Bots laut Ferrara kollektiv einiges an Schaden anrichten, finanziell, politisch und gesellschaftlich. “Twitterbots sind definitiv gefährlich”, sagt der Forscher.

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Markus Keßler

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