Privacy Index

User wollen Privatsphäre, agieren aber fahrlässig

Dass die meisten User eine paradoxe Herangehensweise zu Themen wie Privatsphäre und Datenschutz haben, ist nichts Neues. In dem gerade veröffentlichten Privacy Index von EMC wurde dies einmal mehr eindrucksvoll bestätigt. Laut der Umfrage unter 15.000 Befragten weltweit wollen zwischen 80 und 90 Prozent einfacheren Zugang zu Informationen im Netz sowie personalisierte Webservices, wie Navigation. Gleichzeitig wollen etwa in Deutschland 64 Prozent aller User keinerlei Einbußen bei Privatsphäre und Datenschutz akzeptieren.

Paradoxes Verhalten

Ähnlich widersprüchliches Verhalten lässt sich bei den Themen soziale Medien und Sicherheit herauslesen. Während nämlich mehr als die Hälfte der Befragten bereits einmal mit Passwort-Klau, verlorenen oder gestohlenen Mobiltelefonen sowie gekaperten Social-Media-Accounts zu kämpfen hatten, ändern 62 Prozent nicht regelmäßig ihre Passwörter. Fast jeder zweite passt die Datenschutzoptionen in sozialen Netzwerken nicht an und ebensoviele verzichten auf eine Passwort- oder PIN-Sperre des eigenen Handys.

Dass 84 Prozent aller Befragten zudem angaben, persönliche Informationen nicht mit der Öffentlichkeit teilen zu wollen, und 61 Prozent kein Vertrauen in die Datenschutz-Ethik von Anbieter sozialer Plattformen haben, wirkt angesichts der eine Milliarde Facebook-Nutzer und Hunderter Millionen Postings und Tweets pro Tag ebenfalls paradox.

Industrie gefragt

"Der Wunsch nach Datenschutz und Sicherheit wird von einem fehlenden Bewusstsein im Umgang mit persönlichen Daten im Netz und fehlenden Sicherheitsvorkehrungen bei Passwörtern und Handys konterkariert. Für uns lässt das nur den Schluss zu, dass wir als Industrie viel stärker als bisher für den Schutz der Privatsphäre im Netz sorgen müssen", sagt EMC-Sicherheitsexperte Bob Griffin im Interview mit der futurezone.

Eine Erkenntnis des Privacy Index ist etwa, dass viele User weiterhin auf staatliche Institutionen und gesetzliche Maßnahmen vertrauen, wenn es um den Schutz der Privatsphäre geht. Wohl nicht zuletzt durch die Geheimdienstenthüllungen ist aber gerade das Vertrauen in diese Institutionen, aber auch die kommerziellen Anbieter schwer angeknackst. So glauben nur mehr 58 Prozent, dass Regierungen und Unternehmen überhaupt die technischen Fähigkeiten besitzen, die Privatsphäre von Usern zu beschützen. Abgesehen davon glaubt nicht einmal jeder Zweite mehr, dass die besagten Akteure bei dem Thema transparent und ethisch vorbildlich agieren.

Finanzbranche als Vorbild

„Die besten Werte, was den vertrauenswürdigen Umgang mit Daten online betrifft, konnte in unserer Umfrage die Finanzbranche erzielen. Für User gut sichtbare Sicherheitsmaßnahmen, aber auch die Verantwortung, die etwa Kreditkartenunternehmen für gestohlene Karten übernehmen, haben das Vertrauen von Konsumenten gestärkt. Die Industrie kann sich folglich auch in anderen Branchen und Bereichen daran ein Vorbild nehmen“, plädiert Griffin für eine aktivere Rolle von Unternehmen beim Thema Sicherheit und Datenschutz.

Jüngste Stellungnahmen großer Konzerne wie Google und Microsoft – letzterer will etwa den von den USA geforderten Zugriff auf Daten europäischer Kunden unterbinden – haben Griffin zufolge gezeigt, dass nicht zuletzt auch die NSA-Enthüllungen zu einem Umdenken in der Industrie geführt haben. „Es liegt an der Industrie mit den neuesten technischen Möglichkeiten die Privatsphäre jedes einzelnen Users zu schützen. Gerade auch, wenn Unternehmen bei den Themen Big Data und Cloud erfolgreich sein wollen, ist das Vertrauen der Kunden das Um und Auf für den wirtschaftlichen Erfolg“, ist Griffin überzeugt.

EU-Legislative als Motor

Als „Motivator“ fungiert beim Thema Datenschutz auch die EU, die mit entsprechender Gesetzgebung vor allem auch US-Regierungen zum Handeln zwingt. Auch wenn die Umsetzung strengerer Datenschutzgesetze noch einige Zeit auf sich warten lassen könnte, müssen sich die Konzerne vorbereiten, um den gesetzlichen Vorgaben in Europa auch in Zukunft entsprechen zu können.

Als Problem sieht man etwa bei EMC das Vorgehen der EU-Gesetzeshüter nicht. „Natürlich ist die EU in der Lage, Druck auszuüben, wie man auch bei der Diskussion um Googles ‚Recht auf vergessen‘ gesehen hat. Gesetzliche Vorgaben hat es aber immer gegeben. Und im Gegensatz zu früher, wo man in Europa der Gesetzgebung in zig Ländern entsprechen musste, profitiert die Industrie nun davon, EU-weite Vorgaben zu bekommen“, meint Griffin im futurezone-Interview.

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Martin Jan Stepanek

martinjan

Technologieverliebt. Wissenschaftsverliebt. Alte-Musik-Sänger im Vienna Vocal Consort. Mag gute Serien. Und Wien.

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