Auch Musik, die so klingt, wie diese Grafik aussieht, lässt sich zu Geld machen.
Auch Musik, die so klingt, wie diese Grafik aussieht, lässt sich zu Geld machen.
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Streaming

Wie mit schlechter Musik viel Geld verdient werden kann

Von den Umsätzen, die Peter Fillmore über den Musik-Streamingdienst Rdio erzielte, können viele Musiker nur träumen. Während sich viele Bands von ihren Streaming-Tantiemen nicht einmal ein Bier kaufen können, nahm der australische Sicherheitsexperte, der nach eigenen Angaben noch nie ein Instrument gespielt hat, mit von ihm unter dem Künstlernamen John Matrix auf dem Musik-Streamingdienst veröffentlichten Songs innerhalb weniger Wochen rund tausend Dollar ein. Dabei waren die Songs nicht mehr als notdürftig zusammengestoppelte Sound-Schnipsel, die mit Titeln wie "I've only known you for five minutes and I want you dead" oder "Right now, I'm very hungry" versehen wurden. Wie The Register bemerkte, konnten sie allenfalls unter dem Einfluss harter Drogen genossen werden.

Fillmore bastelte sich ein kleines Programm, das die Titel ein Monat lang rund um die Uhr in Endlosschleife rotieren ließ und brachte es auf knapp eine Million Streams, bis Rdio schließlich den Stecker zog und die Titel aus seinem Angebot entfernte. Die Aktion, mit der Fillmore vor drei Jahren Betrugsentdeckungsmechanismen auf Musik-Streamingdiensten testen wollte, zeigte öffentlichkeitswirksam auf, dass auch Spotify, Deezer & Co. nicht vor Klickbetrug gefeit sind. Marktbeobachter gehen davon aus, dass mittlerweile weit raffiniertere Programme im Einsatz sind, die von den Streaming-Anbietern, wenn überhaupt, nur mit großem Aufwand entdeckt werden können.

"Keine großartigen Fälle bekannt"

Wie groß das Problem tatsächlich ist, kann nur vermutet werden. Während aus Branchenkreisen zu hören ist, dass bis zu einem Viertel der Tantiemen, die über die Streamingdienste verteilt werden, betrügerisch zustande kommen könnten, geben sich Streaming-Anbieter gelassen. "Uns sind keine großartigen Fälle bekannt", sagt Marcel Grobe, Sprecher des Marktführers Spotify, auf Anfrage der futurezone.

Spotify zählt derzeit rund 30 Millionen zahlende Kunden
Der Musikkonsum bei Spotify werde laufend analysiert, erzählt Grobe: "Wir sehen relativ früh, wenn Auffälligkeiten stattfinden." Bei der ungewöhnlichen Häufung von Streams werde bei Labels, Distributoren oder Musikern nachgefragt, ob beispielsweise Marketingkampagnen laufen. Könne keine Erklärung gefunden werden, würden die Titel weiter beobachtet und falls notwendig aus dem Angebot entfernt. "In den Größenordnungen, die Charts-relevant sind, ist aktuell für uns alles kontrollierbar. Wenn es relevant wird, greifen wir ein."

Das bestätigen auch Musiker und Distributoren, die davon sprechen, dass sie bei Auffälligkeiten in ihrem Repertoire von Anbietern verständigt und deshalb sogar in einigen Fällen Zahlungen zurückgehalten wurden.

"Schwer zu entdecken"

"Die Chancen stehen gut, dass Betrugsmechanismen von den Anbietern gar nicht entdeckt werden", sagt hingegen Sharky Laguna zur futurezone. Der ehemalige Musiker und Gründer der Band Creeper Lagoon, der heute Bandago, den größten Tourbus-Verleih der USA, leitet, hat eine Reihe von Texten zum "click fraud" bei Musikdiensten im Netz veröffentlicht. Nach einem Mitte März auf Quartz erschienenen Artikel zum Thema wird das Problem derzeit auch in Branchen-Mailinglisten und -Foren heftig diskutiert.

Laguna glaubt nicht, dass die Anbieter genug unternehmen, um Betrügereien mit Tantiemen zu verhindern. Er zieht dabei auch Vergleiche zum Klickbetrug mit Online-Werbung, dessen Volumen weltweit auf bis zu zehn Milliarden Dollar pro Jahr geschätzt wird. "Wenn Google und Facebook das Problem nicht in den Griff bekommen haben, ist es sehr unwahrscheinlich, dass es den Streamingdiensten gelungen ist."

Mit einem einzigen Nutzer-Account, der knapp zehn Dollar kostet, könnten auf Streamingdiensten wie Spotify derzeit rund 600 Dollar im Monat verdient werden, rechnet Laguna vor. Das sei ein guter Schnitt und biete genügend Anreize für Klickbetrüger.

Alternatives Abrechnungsmodell

Laguna tritt deshalb für eine Änderung der Abrechnungsmodelle bei Musik-Streamingdiensten ein. Derzeit werden die Aboeinnahmen nach Abzug der Anteile der Dienste gemäß der Anzahl der erfolgten Streams verteilt. Dabei werden die verfügbaren Tantiemen durch die Streams dividiert. Laguna nennt das die "Big Pool Methode". Das Problem dabei sei, dass Inhaber von betrügerischen Accounts die Verteilung der Gelder aller anderen Accounts beeinflussen würden.

Laguna schlägt vor, dass von jedem Nutzer nur das Geld verteilt wird, dass er tatsächlich eingezahlt hat. Bei den branchenüblichen 30 Prozent die sich Streamingdienste von den Abogebühren einbehalten, wären dies pro Nutzer rund sieben Dollar im Monat, die als Tantiemen verteilt werden könnten. Mit Nutzerkonten, die in betrügerischer Absicht angelegt wurden, könnten dann, statt 600 Dollar im Monat, nur sieben Dollar lukriert werden, erläutert Laguna: "Das macht es sehr schwierig, mit Klickbetrug Geld zu verdienen."

Dass die Anbieter sich dazu durchringen, ihr Abrechnungmodell zu ändern, glaubt Laguna nicht. Er habe mit vielen Managern aus der Branche gesprochen, erzählt er der futurezone. Viele hätten durchaus Sympathien für ein solches Modell gezeigt, aber durchsetzen ließe es sich nicht. "Streaming wächst zur Zeit sprunghaft. Die Abrechnungsmethode hat keinen Einfluss auf die Umsätze der Dienste", sagt Laguna: "Es hat für sie keine Priorität."

"Für uns kein Thema"

"Alternative Vergütungsmodelle sind für uns kein Thema", sagt auch Spotify-Sprecher Grobe. "Wir haben ein Geschäftsmodell, das für uns gut funktioniert und sind gut aufgestellt."

In der Branche heißt es, dass vor allem unabhängige Musiker, die nicht bei großen Labels unter Vertrag stehen, unter den Betrügereien leiden. Denn den großen Labels werden neben Garantiezahlungen auch bessere Konditionen gewährt. Laguna zeigt aber auch Möglichkeiten auf, wie Indie-Künstler von der Abrechnungsmethode der Dienste profitieren können.

Stiller September

Im vergangenen Jahr startete er die Protestaktion "Silent September". Er rief dazu auf, ein Monat lang 24 Stunden täglich bei abgedrehten Lautsprechern das Repertoire unabhängiger Musiker auf Streamingdiensten abzuspielen. "Wenn die Aktion ein Erfolg ist, überdenkt die Industrie vielleicht ihr Abrechnungsmodell", schrieb Laguna, "wenn sie scheitert, haben immerhin einige Indie-Bands ein bisschen mehr Geld verdient als sonst."

Mit einer ähnlichen Methode finanzierte sich die Funkband Vulfpeck vor zwei Jahren eine Tour durch die USA. Ihr exklusiv auf Spotify veröffentlichtes Album "Sleepfiy"bestand ausschließlich aus Tracks auf denen nichts, oder genauer gesagt Stille zu hören war. Tausende Fans folgten der Aufforderung das Werk in Endlosschleife abzuspielen und brachten dem Quartett aus dem US-Bundesstaat Michigan so fast 20.000 Dollar ein, bevor Spotify das Album aus seinem Angebot entfernte.

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Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

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