Streikende Mitarbeiter stehen vor der Betriebsstätte des Online-Händlers Amazon am in Leipzig (Archivbild)
Streikende Mitarbeiter stehen vor der Betriebsstätte des Online-Händlers Amazon am in Leipzig (Archivbild)
© APA/dpa-Zentralbild/Peter Endig

Deutschland

Wie Verdi mit den Amazon-Streiks um Mitglieder buhlt

Ostern kommt der Gewerkschaft Verdi gelegen - wenn es darum geht, dem Versandhandelsriesen Amazon zuzusetzen. Im umsatzträchtigen Weihnachtsgeschäft versuchte Verdi zuletzt mit aller Macht, Amazon die Bilanz zu vermiesen. Danach wurde nur vereinzelt in dem Tarifkonflikt gestreikt. Jetzt - zum Ostergeschäft - intensiviert Verdi wieder massiv die Bemühungen. Am Dienstag wurde in bundesweit sechs Verteilzentren an fünf Standorten von einem Teil der Belegschaft die Arbeit niedergelegt.

In Branchen-Kreisen wird der seit 2013 währende Tarifkonflikt aufmerksam beobachtet. Verdi will nach eigenem Bekunden, Amazon zur Aufnahme von Tarifverhandlungen bewegen und einen Tarifvertrag zu den besseren Bedingungen des Einzelhandels aushandeln. Handelsexperte Gerrit Heinemann, Professor an der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach, meint aber: „Die Streiks von Verdi bei Amazon sind mittlerweile ein reiner PR-Gag. Sie dienen nur der Mitgliederwerbung für die Gewerkschaft. Da geht es gar nicht mehr um den Kampf um einen Tarifvertrag, sondern darum, neue Mitglieder zu gewinnen und Aufmerksamkeit in der Presse zu erzeugen.“

Mitglieder-Zuwachs

Eva Völpel aus dem Verdi-Bundesvorstand in Berlin erwidert: „Bei jedem Streik gewinnen wir Mitglieder. Darum geht es ja auch - je mehr Leute, desto mehr Durchschlagskraft“. Zahlen zur Mitgliederentwicklung in einzelnen Bereichen gebe die Gewerkschaft generell nicht heraus. Neue Mitstreiter kann die Gewerkschaft gut gebrauchen. Im vergangenen Jahr ist die Mitgliederzahl nach eigenen Angaben leicht zurückgegangen. Zum Jahresende verzeichnete Verdi insgesamt exakt 2 039 931 Mitglieder, das waren 24 610 oder 1,19 Prozent weniger als ein Jahr zuvor.

Zudem ist Heinemann der Ansicht: „Die Streiks bei Amazon könnten für die Gewerkschaft auf Mitarbeiterseite nach hinten losgehen. Verdi forciert lediglich, dass Amazon die Automatisierung und Arbeit mit Robotern in den Versandlagern vorantreibt. Auch eine Verlagerung der deutschen Standorte in Richtung Osten wird langfristig provoziert.“

Welche Auswirkungen die aktuelle Streikwelle hat - darüber ist erneut ein Streit entbrannt. Der Branchen-Riese aus den USA versichert immer wieder: Die Streiks laufen ins Leere. Mit Hilfe des europaweiten Logistiknetzwerks an 28 Standorten könne man die Angriffsversuche von Verdi entkräften. Die Gewerkschaft ist sich dagegen sicher: Wir tun Amazon weh. Es komme zu Lieferverzögerungen, die an der Zuverlässigkeit von Amazon rütteln sollen.
Kunden des Online-Portals versuchte Amazon in den vergangenen Tagen zu beruhigen. Wer bis Dienstagabend bestellt, bekommt die Lieferung pünktlich bis Samstag - so die Botschaft. So soll niemand um die rechtzeitige Zustellung womöglich georderter Osterpräsente fürchten müssen. Amazon-Sprecherin Anette Nachbar sagte klar: „Das Ostergeschäft ist wichtig für uns.“

Streikbereitschaft

Und gestritten wird auch über die Frage: Wie entwickelt sich die Streikbereitschaft? Amazon ist der Meinung: Die Bereitschaft bröckelt. Ohnehin streike auch nur eine Minderheit. Die Gewerkschaft gibt sich indes stets kämpferisch und sieht einen ungebrochenen Willen bei den Mitstreitern. „Das wird ein langer Kampf. Wir brauchen einen langen Atem“, erklärt Verdi-Frau Völpel.

Der Tarifkonflikt ist seit langem festgefahren. Eine Lösung scheint nicht in Sicht, ohne dass eine Partei ihr Gesicht verliert und ein Scheitern eingestehen muss. Verdi fordert Amazon zu Tarifgesprächen zu den Bedingungen des Einzelhandels auf. Amazon sieht sich als Logistikunternehmen und sieht keinen Anlass für Zugeständnisse. Deswegen kommt es seit Mai 2013 immer wieder zu Streiks; am Dienstag am größten Standort in Bad Hersfeld (Hessen), in Koblenz (Rheinland-Pfalz), Leipzig (Sachsen), in Rheinberg und Werne (Nordrhein-Westfalen) und in Elmshorn (Schleswig-Holstein, Amazon Prime Instant Video).

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