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MakerBot

"Wien hat mich zum 3D-Drucken inspiriert"

futurezone: Wenn Sie ein Laie fragt, was 3D-Drucken ist, wie würden Sie das erklären?
Bre Pettis: Es ist wie ein Papierausdruck. Bei diesem handelt es sich um ein digitales, virtuelles Dokument am Bildschirm, aus dem man ein physisches, greifbares Dokument macht. Ein 3D-Drucker macht dasselbe. Man nimmt einen virtuellen, dreidimensionalen Gegenstand am Computer und macht daraus ein Objekt, das man angreifen kann.

Und warum sollte man das nützen?
Es ist schneller, günstiger und einfacher als mit der Hand oder mit einer speziellen, komplexen Fertigungsmaschine. Man muss nicht mehr zu großen Herstellern und Werken gehen, um etwas zu produzieren. Zudem kann man rasch viele Kopien anfertigen, da man ja die digitale Vorlage hat. Es ist ein hoher Automationsgrad.

Wie sind sie eigentlich auf die Idee gekommen, sich mit 3D-Druckern zu beschäftigen.
Im Sommer 2007 wurde mein Interesse geweckt. Die österreichische Künstlergruppe monochrom hat mich damals gefragt, ob ich als Artist in Residence nach Wien kommen will -  was ich natürlich akzeptiert habe. Ich war dann im Museumsquartier, habe aber auch sehr viel Zeit im metalab verbracht. Dort habe ich mich dann näher mit 3D-Druck auseinandergesetzt und begonnen einen eigenen 3D-Drucker zu bauen.

Wie ist das abgelaufen?
Jeden, der bei der Tür hereinkam, habe ich gebeten, mir beim Bau des 3D-Druckers zu helfen. Und jeder hat auch tatsächlich etwas beigetragen. Innerhalb von zweieinhalb Wochen haben wir gemeinsam einen 3D-Durcker zusammengebaut. Er hat auch für kurze Zeit funktioniert. Ich musste dann jedoch wieder abreisen, aber die Experimente und Arbeit in Wien haben mich inspiriert, mich weiter dem 3D-Druck zu beschäftigen. In den USA habe ich mich dann ganz dem Thema verschrieben, meinen Job gekündigt und MakerBot gegründet.

Ohne Wien würde es also MakerBot nicht geben?
Wien nimmt einen sehr, sehr speziellen Platz in meinem Herzen ein. Ich liebe die Stadt und bin sehr dankbar. Ich habe die Kaffeehaus-Kultur zu schätzen gelernt. Einzig das Restaurant-Angebot für Vegetarier war damals sehr beschränkt. Ich habe damals sehr viel überbackenen Käse gegessen.

Waren Sie seitdem wieder in Wien?
Ich bin immer wieder da. Ich habe noch viele gute Freunde in Wien. Erst kürzlich habe ich wieder das metalab besucht. Meine Tochter ist 20 Monate alt und ich warte nur darauf, bis sie alt genug ist, um sie nach Wien zu bringen. Ich will ihr unbedingt österreichische Kultur näher bringen. Ihr habt es einfach drauf und die richtige Balance zwischen Arbeit und Freizeit. Jeder arbeitet viel, aber nimmt sich auch Zeit für Kultur. Es gibt eine tolle Hacker-Szene. Die Kunst-Szene ist auch fantastisch, auch weil sie von der Regierung gefördert wird.

Ihr neuestes MakerBot-Modell ist mit rund 2000 Euro Anschaffungskosten für den Durchschnittskonsumenten recht teuer.
Wenn man Ingenieur, Industrial Designer oder Architekt ist und den Preis unserer Modelle sieht, dann bestellt man sie. Im Vergleich zu Profi-Geräten sind sie günstig. Wir verkaufen übrigens sehr viele Geräte nach Österreich. Die Kreativen dürften unsere Maschine sehr schätzen. Österreicher erkennen einfach, wenn Sachen gut sind und Sinn machen.

In den vergangenen Wochen gab es mehrere Studien und Analysen von Marktforschern, die das revolutionäre Potenzial der 3D-Drucker unterstrichen. Da die Geräte jedem erlauben, Gegenstände herzustellen, ändere dies langfristig das Wirtschaftssystem. Eine Übertreibung?
Bis zu einem gewissen Grad ist mit 3D-Druckern schon jetzt Massenfertigung möglich. Wir haben einen Kunden, der ein Werkzeug erfunden hat, den Square Helper. Es ist eine Ergänzung für das US-Bezahlservice Square. Er hätte das Projekt mit Spritzgießen machen können, nur hätte er dafür eine Anfangsinvestition von 10.000 US-Dollar aufstellen müssen. Er hat sich für MakerBot entschieden, weil das vorweg günstiger war. Seitdem rennt die Maschine 24 Stunden im Dauerbetrieb und es rentiert sich. Ein weiterer Vorteil: Sollte sich etwas am Design ändern, muss er nicht eine neue Spritzgussform ordern und abermals Tausende Dollar ausgeben, sondern kann in wenigen Stunden die Druckvorlage anpassen.

Das von ihnen genannte Beispiel klingt nach einem Ein-Mann-Unternehmen. Gibt es auch große Unternehmen, die MakerBots nutzen?
Es sind schon lange nicht mehr nur Bastler, die mit MakerBot arbeiten. Unser größter Kunde ist die NASA. Teile des Curiosity Rovers sind auf den MakerBot zurückzuführen. Die Ingenieure haben viel experimentiert und konnten mit dem Drucker schnell und günstig Anpassungen vornehmen. Früher mussten sie für jedes Teil 5000 Dollar kalkulieren, mit 3D-Druckern geht das mit einem Bruchteil des Budgets.

Abseits von Ingenieuren und Architekten, warum sollte man das als Privatperson nutzen?
Wir bieten eine Maschine, die die Konsumkultur unterwandert. Man kauft nicht mehr Sachen, sondern kann sie selbst herstellen, mit geringen Mittel zu einem Fabrikanten werden oder auch Designs und Vorlagen anderen zur Verfügung stellen. Es ist eine Renaissance des Teilens. Als Kind lernt man, dass Teilen gut ist. Wenn man erwachsen wird, vergisst man das. Durch 3D-Druck rückt dieser Gedanke wieder zurück ins Bewusstsein.

Wenn man sich die Urheberrechtsdiskussion zu Musik- und Filmtausch ansieht, wirkt das naiv. Warum sollte gerade bei 3D-Drucken der Tauschgedanke funktionieren?
Es ist ganz einfach: Wenn ich einen Film kaufen kann, tue ich es. Wenn nicht, frustriert mich das und ich sehe mich nach Alternativen um. Der Fehler liegt also eher bei der Industrie, die nicht auf ihre Kunden hört. Ich denke, Firmen sind mittlerweile so schlau, dass sie gewisse Sachen einfach teilen müssen. Das System wird dadurch nicht zugrunde gehen. Es ist so wie mit Büchern: Nur weil es Bibliotheken gibt, die kostenlos Bücher teilen, verzichten Leute nicht auf den Buchkauf. Dadurch, dass geteilt wird, haben viel mehr Leute Zugang zu Büchern. Das gleiche gilt für den 3D-Druck. Durch das Teilen haben viel mehr Leute die Möglichkeit, Sachen herzustellen.

Das Teilen ist ja auch in Ihrem Interesse, denn mit der Web-Plattform Thingiverse haben sie bereits ein Tauschportal in Stellung.
Wir haben die Plattform vor MakerBot gestartet. Sie ist extrem wichtig und ein wesentlicher Bestandteil unseres Erfolgs. Man kann dort digitale Designvorlagen laden und diese dann ausdrucken oder verändern. Es ist die logische Folge von Musik, Film und Buch-Downloads. Aktuell haben wir knapp 50.000 digitale Druckvorlagen auf Thingiverse und es werden täglich mehr. Seit Jahresbeginn kommen im Monat 6000 Dinge dazu.

Der Boom rührt wohl auch daher, dass zahlreiche Firmen versuchen, mitzumischen. Fürchten Sie, dass Sie an den Rand gedrängt und vergessen werden?
Wir sind erst am Anfang und viele verstehen das Konzept des 3D-Druckens noch nicht. Daher ist jede Firma willkommen, da sie hilft, die Sache voranzutreiben.

Bis dato sind die Großen wie HP oder Epson noch nicht stark bei 3D-Druck engagiert. Was würden Sie machen, wenn die nun kommen, und MakerBot für einen Milliardenbetrag aufkaufen wollten?
Ich denke, ich würde zustimmen. Nicht wegen des Geldes, sondern weil diese Firmen 3D-Druck noch schneller unter die Massen bringen können. Unsere Mission ist, die Menschen zu Produzenten zu machen und die nächste industrielle Revolution loszutreten. Eine große Firma könnte das beschleunigen.

Stichwort Großkonzerne: Bitten Sie ihre Kunden auch beim Verbrauchsmaterial zur Kasse und machen Geld mit teuren Druckutensilien?
Wir haben keine Absicht, mit dem Material Leute abzuzocken. Ich finde es pervers und falsch, wenn eine Tintenpatrone zum Nachfüllen mehr kostet als ein neuer Papierdrucker. Das ist definitiv nicht unsere Philosophie. Wir wollen, dass die Maschine und das Material leistbar sind. Aktuell kostet ein Kilo Material 50 Dollar. Die Herstellung muss so günstig sein, dass man sich darüber keinen Kopf zerbricht, man die Freiheit zum Experimentieren hat. Das treibt Innovationen.

Wie viel hängt beim 3D-Druck eigentlich vom Material ab?
Es ist ein extrem wichtiger Faktor. Es entscheidet, wie sich etwas anfühlt und was man wie herstellen kann. Wir haben dafür eine eigene Fabrik aufgemacht, die unser Material herstellt. Es ist PLA, ein recycelbares Bioplastik aus Mais und Kartoffeln. Wir produzieren es selbst, um ein Maß an Qualität zu garantieren. Unsere Kunden sollen sich auf die Innovationen konzentrieren können und nicht über das Material nachdenken müssen. Wir sind in dieser Hinsicht sehr besessen, wir wollen die Besten sein und den Leuten etwas Spezielles bieten.

Zwischen Ihrem Aufenthalt 2007 in Wien und dem aktuellen Hype hat sich viel getan. Wie blicken Sie auf die vergangenen Jahre zurück?
Es war extrem. Wir haben ein neues Büro mit 3000 Quadratmetern und über 150 Angestellte. Als wir damals angefangen haben, haben wir Selbstbaukästen für Bastler angeboten. Dann sind wir zum ersten Replicator übergegangen. Der war zwar auch noch aus Holz, aber man konnte ihn schon zusammengebaut kaufen. Da haben wir uns an Hobby-Tüftler gerichtet. Mit dem neuen Replicator 2 und 2X haben wir nun Maschinen, die sich an Profis richten. Er ist für Leute, die in feiner Auflösung ihre 3D-Modelle herstellen wollen.

Diese Professionalisierung hat Ihnen aber auch viel Kritik eingebracht. Das Verhältnis zu Tüftler ist angespannt.
Das ist eine Entscheidung zu der wir stehen. Wir wollten eine Maschine veröffentlichen und nicht mehr Teile davon frei ins Netz stellen. Vorher haben wir alles geteilt, weil wir wollten, dass Leute schnell und einfach Innovationen schaffen können. Was passiert ist, ist, dass unsere Vorlagen und Designs in China kopiert wurden und die Konkurrenz uns unterboten hat. Das war nicht cool. Jetzt sind wir eben zu 99 Prozent offen, das eine Prozent schützt unser geistiges Eigentum.

Dieser Schritt hatte wütende und enttäuschte Reaktionen zur Folge. Wie sind sie damit umgegangen?
Manche Leute mögen uns jetzt nicht mehr, weil wir nicht mehr ausschließlich offen sind. Aber damit müssen wir leben. Wir haben leidenschaftliche Fans, in beiden Richtungen. Viele lieben uns, andere hassen uns. Das gehört dazu. Wir sind aber auch in einer schwierigen Position. Wenn Google plötzlich etwas Kleines Open Source macht, jubeln alle. Wenn wir einen kleinen Teil schützen, dann hagelt es Kritik. Es ist immer schlimmer etwas Offenes geschlossen zu machen. Ich kann immer nur beteuern, dass Teilen ganz essenziell für uns ist und wir versuchen, soviel wie möglich zu teilen. Aber wir müssen auch ein Geschäft am Laufen halten, Leute bezahlen und die Herstellungskosten tragen.

Hatte der Abschied von Open Source Auswirkungen auf die Geschäftszahlen?
Tüftler und Bastler kaufen weiterhin unsere Maschinen. Wir dürften also weiterhin etwas richtig machen. Wir werden jene offenen Modelle, die wir noch auf Lager haben verkaufen, aber danach nur mehr die neuen Maschinen anbieten. Da die Pläne zur ersten Maschine frei verfügbar sind, kann sich aber jeder einen 3D-Drucker selber bauen.

Buch von Bre Pettis gewinnen
Futurezone verlost drei Exemplare des Buches „Getting Started with MakerBot", an dem Bre Pettis mitgeschrieben hat. Eines der drei Exemplare hat eine Widmung, die Bre Pettis speziell für die futurezone verfasst hat. Sie lautet:

Dear Austria!
I have been inspired by the innovation and creativity of the folks there and have a warm spot in my heart for Vienna where I made my first 3D printer.
Thank you!
Bre

Zur Teilnahme an der Verlosung muss folgende Frage gelöst werden:
Was hat Vegetarier Bre Pettis während seines Wien-Aufenthalts in Restaurants vorwiegend bestellt?
Teilnehmer schicken die korrekte Antwort bis spätestens Montag, den 22.4., 23:59 Uhr, mit dem Betreff „MakerBot" an redaktion@futurezone.at. Die Gewinner werden per Zufall ermittelt und per Mail verständigt.

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