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Texture Matters

Wiener Konferenz spürt Haptik im Webzeitalter nach

Als Apple im Herbst 2013 sein Betriebssystem iOS auf flache Icons und Interfaces reduzierte, brach ein Sturm der Entrüstung über das Unternehmen herein: Denn mit glänzenden Logos, Licht-Schatten-Tiefe oder schillernden Aquaeffekten appellieren Werber und Grafiker auch an unser Gefühl, etwas in der Hand zu haben. Die Verbindung zwischen Sehen und Tasten untersucht ab Montag eine Konferenz in Wien.

Simulieren von Textur

"In den vergangenen Jahren hatte man dank Web 2.0-Ästhetik oder Touchscreens zunehmend den Eindruck, dass die Haptik wieder wichtiger wird. Das wollen wir kritisch hinterfragen", erklärte Mitorganisatorin Jana Herwig im Gespräch mit der APA. Denn das Revival des Tastsinns ist nur eine mögliche Lesart des neuen Drückens und Herumstreichens auf Handys, Tablets oder Öffi-Ticketautomaten.

Die Reduktion auf eine ebene Fläche als Fokus aller Berührungen könne nämlich auch als Rückschritt auf eine haptisch völlig uninteressante Erfahrung verstanden werden, so Herwig. Unter anderem deshalb gebe es derzeit mehrere Projekte, die daran arbeiten, Touchscreens wieder eine gewisse Textur zu geben - etwa durch das Auftragen einer Folie, auf der dank Mikrofluiden bei Bedarf Tasten wachsen oder durch Ultraschall-Vibrationen, die raue und glatte Tasteindrücke simulieren.

Zoom im Online-Shop

Die Konferenz, die den Schlusspunkt des vom Wissenschaftsfonds FWF finanzierten Projekts "Texture Matters. The Optical and Haptical in Media" darstellt, wagt aber auch einen Blick in die Geschichte der Verbindung zwischen Sehen und Tasten: Schon der österreichische Kunsthistoriker Alois Riegl, der ab 1885 Leiter der Textilsammlung des heutigen MAK war, formulierte die Idee, dass mit visueller Wahrnehmung auch haptische Informationen vermittelt werden können. "Der Gedanke war zu seiner Zeit sehr einflussreich in der Kunst und erlebte dann vor rund 20 Jahren ein Comeback in der Filmwissenschaft", schilderte Herwig.

Beispiele dafür finden sich aber nicht nur in Filmen, die mit extremen Nahaufnahmen arbeiten, sondern auch im Alltag. In beinahe jedem Bekleidungs-Online-Shop kann man inzwischen bis auf Fasern und Details heranzoomen. "So hoffen Hersteller, das fehlende Element des Angreifens im Geschäft zu ersetzen", meinte Herwig. Denn ohne haptische Prüfung des Stoffes kaufe kaum jemand eine Hose oder ein T-Shirt - auch wenn wir laut Herwig immer noch in einer okularzentrischen Gesellschaft leben, in der das Auge vermeintlich alle anderen Sinne dominiert.

Interaktion mit echten Gegenständen

Kommt es zu einem Wandel der Kulturtechniken von Blättern und Greifen zu Touchen und Wischen oder wird sich dieser Umgang mit Medien bald wieder überholen? Auch Fragen wie dieser will man sich im Zuge der Konferenz widmen.

Ein anderer aktueller Forschungsbereich versucht sich die Unmittelbarkeit und Emotionalität des Tastens zunutze zu mache: Bei der sogenannten "begreifbaren Interaktion" wird nicht mehr nur über Screens und Tasten mit einem Computer interagiert. Stattdessen können Interfaces eine Vielzahl von Formen annehmen.

Ein Prototyp, den Wolfgang Spreicer an der Technischen Universität Wien entwickelt hat, erlaubt es beispielsweise, über die Auswahl von Gegenständen Befehle zu erteilen: Legt die Großmutter das Stofftier, das sie von ihrer Enkelin bekommen hat, auf das vorgesehene Interface, öffnet sich automatisch ein E-Mail-Fenster, um dieser eine Nachricht zu schreiben.

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