© Franz Gruber

Interview

„Für diesen Job muss man Computerspiele lieben“

Der österreichische Videospiel-Markt wird gerne unterschätzt, doch die Nominierungen für den diesjährigen futurezone Game Award zeigen, wie viele hochwertige Spiele in Österreichs Spieleschmieden entstehen. Der Weg zum Traumberuf Spieleentwickler ist jedoch alles andere als einfach. Ein Sprungbrett in die Videospielbranche stellt unter anderem der Master-Studiengang Game Engineering und Simulation an der FH Technikum Wien dar. Programmierer lernen dort von internationalen Lektoren die Spieleentwicklung und programmieren zum Abschluss ihre eigenen Spiele. Mit diesen Projekten sorgen sie regelmäßig bei Wettbewerben, wie zum Beispiel dem Subotron Live Pitch, für Aufsehen.

Daserst kürzlich auf Steam veröffentlichte Schein wurde von Absolventen des Studiengangs entwickelt und konnte unter anderem den renommierten Microsoft Imagine Cup gewinnen, bei dem auch Tetris-Erfinder Alexei Paschitnow in der Jury saß. Alexander Hofmann leitet den Studiengang seit der Gründung 2008. Mit der futurezone hat er über den steinigen Weg zum Spieleentwickler, international erfolgreiche Titel aus Österreich und die Chancen in der österreichischen Videospielbranche gesprochen.

futurezone: Spiele-Entwickler ist nach wie vor in den Köpfen vieler Jugendlicher und Studenten ein Traumjob. Was muss ein Spiele-Entwickler können?
Hofmann:
An der Spieleentwicklung sind sehr viele verschiedene Berufe beteiligt und es kommt darauf an, worin Studierende ihre Begabung, Talente und vor allem Interesse sehen. Die Auswahl reicht von Autor, Game Designer, Artist über Programmierer bis zu Producer, Tester, Marketing und vieles mehr. Vor allem aber Liebe zum Computerspiel sollte man mitbringen.

Um an der FH Technikum Wien Game Engineering studieren zu können, muss man bereits einen Bachelor-Abschluss besitzen. Ist ein Abschluss mit technischem Hintergrund erforderlich oder unterstützen sie auch interdisziplinäre Bewerbungen?
Ein Bachelorabschluss aus einer technischen Richtung ist Grundvoraussetzung. Im Aufnahmeverfahren überprüfen wir das Vorwissen in den Gebieten Mathematik, Programmierung C++, Computergrafik, Algorithmen und Datenstrukturen sowie Software Engineering. Die perfekte Basis bietet beispielsweise unser Bachelor-Studiengang Informatik mit Vertiefung auf Digital Media Design oder Game Engineering. Dort bekommt man die wesentlichsten Grundlagen für die Spieleentwicklung mit.

FHs werden meist mit “Learning by Doing” verbunden - werden Studenten hier ins kalte Wasser geworfen und müssen sofort mit der Arbeit an eigenen Spielen beginnen oder wird zunächst theoretisch begonnen?
Die Ausbildung im Master Game Engineering und Simulation ist wie in allen unseren Studiengängen wissenschaftlich fundiert und gleichzeitig praxisnah. Wir sind der Wirtschaft und der Wissenschaft in gleichem Maße verpflichtet und stehen bezüglich der Lehrinhalte in engem Kontakt mit den größten Spielefirmen. Unser Curriculum ist berufsfeldorientiert ausgerichtet und vermittelt sowohl Theorie als auch Praxis auf Hochschul-Niveau. Ab dem zweiten Semester beginnen die Studierenden in kleinen Gruppen mit der Umsetzung eigener Spiele, die sie am Ende des dritten Semesters bis zur Marktreife fertig stellen müssen. Diese Spiele sind wie Eintrittskarten zu Jobs in der Branche.

Bieten Sie den Studenten-Projekten auch eine Plattform bzw. greifen Sie den Studenten beim Marketing unter die Arme?
Wir unterstützen die Studierenden in allen Belangen, auch im Marketing. Ihre Projekte werden auf unserer Webseite veröffentlicht und spannende Newsletter-Beiträge und Facebook-Posts berichten über die Entstehung der neuen Games. Auf unserem GamesCom-Stand sind die Projektpräsentationen der absolute Hit und zahlreiche Gäste testen mit Begeisterung die Neuerscheinungen. Meist werden dort schon erste Kontakte zu Publishern oder möglichen ersten Arbeitgebern geknüpft. Über unseren Alumni-Club bleiben wir auch nach dem Studium in Kontakt und unterstützen mit Veranstaltungen und Infos.

Videospiele wie Minecraft sind mittlerweile auf fast allen Plattformen zu finden, sei es Smartphone, Tablet, PC, Konsole oder sogar Smartwatches. Mit welchen Plattformen können Absolventen des Studiengangs nach ihrem Abschluss arbeiten?
Unser Curriculum ist auf den Bedarf der Wirtschaft und den Stand der Forschung ausgerichtet. Somit sind auch die gängigsten Plattformen ein absolutes Muss. In eigenen Lehrveranstaltungen lernen die Studierenden die Programmierung von Konsolenplattformen wie zum Beispiel Sonys Playstation genauso wie die mobilen Plattformen Android, iOS und Windows Mobile oder auch PC und Web. Unterschiedliche Game Engines, unterschiedliche Programmiersprachen und verschiedenste Entwicklungstools machen unser Curriculum zu einer abwechslungsreichen AAA-Ausbildung. Die Absolventen sind Profis auf ihrem Gebiet.

Die Indie-Branche ist in den letzten Jahren rasant gewachsen, als Indie-Entwickler muss man aber auch deutlich mehr Verantwortung übernehmen. Raten Sie ihren Studenten nach dem Abschluss, ein eigenes Unternehmen zu gründen oder zunächst einmal praktische Erfahrung zu sammeln?
Wir empfehlen den Studierenden zunächst Erfahrung in der Industrie zu sammeln. Einerseits können sie ihr Wissen festigen und ihre Fertigkeiten noch verfeinern, andererseits können die bereits bestehenden österreichischen Spieleentwicklungsfirmen nur wachsen, wenn genügend Absolventen als Arbeitnehmer zur Verfügung stehen. Trotzdem kommt es vor, dass sich Studierende gleich nach dem Studium mit ihrer Spieleidee in die Indie-Szene stürzen, wie das erfolgreiche Beispiel „Schein“ zeigt.

Wie bewerten Sie die Entwicklung des österreichischen Marktes? Bleiben Ihre Studenten nach dem Studium in Österreich oder gehen ins Ausland?
Nachdem das Wachstum der Branche anhält, kommen viele unserer AbsolventInnen in Österreich unter. Durch die Möglichkeit eines Auslandssemesters verlieren aber viele Studierende auch die Scheu, sich einmal eine Zeit lang ihre Sporen im Ausland zu verdienen. Ich mache sie auch ständig darauf aufmerksam – über den Tellerrand zu blicken, schadet niemandem.

Wo landen ihre Studenten nach dem Abschluss?
Wir bilden für die Arbeit in AAA-Studios aus. CEOs von großen Spieleentwicklern sagen mir immer wieder, dass sie unsere Absolventen bevorzugen. Wir bilden keine Entwickler aus, die alleine in ihren Kämmerchen sitzen und „Mädchen für alles“ sind. Natürlich gibt es immer wieder Talente, die sich autodidaktisch alle Bereiche angeeignet haben, aber wir bilden nur Studierende aus, die dann in Teams große Spiele entwickeln.

Dank Tools wie Unity ist es mittlerweile deutlich einfacher, eigene Spiele zu entwickeln - wie kann man da noch aus der Masse herausstechen?
Ob Unity, Unreal oder andere Engines – alle haben eines gemeinsam – sie unterstützen EntwicklerInnen in ihrem kreativen Schaffen. Um aber aus der Masse herauszustechen, müssen Entwickler absolute Experten auf ihrem Gebiet sein und einen exzellenten Studienabschluss vorweisen können. Nur so werden sie sich in der Industrie behaupten können.

Beschäftigen Sie sich am Institut auch mit dem Thema Serious Games?
Natürlich, keine Hochschule kann sich diesem Thema entziehen – unsere Aktivitäten reichen von Games for Health über Games for Learning bis zu Gamification und vieles mehr. Aktuell arbeiten wir am Forschungsprojekt „Rehabitation“ mit, das mit Hilfe von Gamification-Elementen die Rehabilitation zu Hause ermöglichen soll. Ein weiteres Projekt, „Exposure“, beschäftigt sich mit der Simulation von virtuellen Angstszenarien, die auf die Oculus Rift, eine VR-Brille, übertragen werden und den Anwender von seiner Angst befreien soll. Diese Simulation kann von Psychologen und Therapeuten ferngesteuert werden und somit dem Anwender das Unbehagen bei der Begegnung mit der Angst nehmen.

Ein Businessplan, gutes Marketing und Rechtswissen ist für einen selbstständigen Spiele-Entwickler mittlerweile genauso wichtig wie Kreativität und technisches Können. Wie unterstützen Sie hierbei ihre Studenten?
Das Curriculum im Master Game Engineering und Simulation enthält unter anderem auch Lehrveranstaltungen wie „Business of Gaming“, die über Businesspläne, Marketing und die Branche berichten oder „Rechtliche Aspekte der Spieleproduktion“, die über rechtliche Belange bei der Entwicklung von Spieleprojekten aufklärt. Unsere Lektoren sind Vollprofis, zum Teil CEOs aus Spielefirmen mit langjähriger Erfahrung in der Branche.

Virtual Reality kommt mit Geräten wie der Oculus Rift oder dem Cyberith Virtualizer wieder in Mode - lernen Ihre Studenten bereits, wie man derartige Lösungen implementiert?
Neue Geräte haben meist Einfluss auf das Game Design, die Usability und wenig Einfluss auf die technischen Schnittstellen. Daher sind unsere Studierenden prinzipiell bestens auf die Anbindung neuer Geräte vorbereitet. Sie sind so technik-affin, dass sie meist die ersten sind, die solche neuen Devices ausprobieren und einbinden müssen.

Mit Schein wurde dieses Jahr ein preisgekröntes Jump’n’Run veröffentlicht, das im Zuge des Studiums an der FH Technikum Wien entwickelt wurde. Spornt ein derartiger Erfolg auch die aktuellen Studenten an?
​Bestimmt. Jeder Studierende hat seine bestimmten Talente und Fähigkeiten. Alle unsere AbsolventInnen sind top ausgebildete Spiele- und SoftwareentwicklerInnen. Somit sind berufliche Erfolge nur eine Frage der Zeit. Die einen bekommen großartige Medienaufmerksamkeit, wie die EntwicklerInnen von Schein, die anderen werden still und heimlich Lead-DeveloperInnen in großen österreichischen Spieleunternehmen. Der Erfolg spornt auch uns Lehrende an, weil wir mit dem Master-Studium Game Engineering und Simulation eine tolle Ausbildung für Nachwuchs-Spielentwickler entwickelt haben.

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Michael Leitner

derfleck

Liebt Technik, die Möglichkeiten für mehr bietet - von Android bis zur Z-Achse des 3D-Druckers. Begeistert sich aber auch für Windows Phone, iOS, BlackBerry und Co. Immer auf der Suche nach "the next big thing". Lieblingsthemen: 3D-Druck, Programmieren, Smartphones, Tablets, Open Hardware, Videospiele

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