© Konami

Fußball

PES 2016 gegen FIFA 16: Kampf um den Meistertitel

AMD gegen Intel, Pepsi versus Cola, Burger King oder McDonalds – diese Welt lebt von großen Marken-Rivalitäten. So auch bei Videospielen. Während der Wettkampf Sonic gegen Super Mario schon lange entschieden ist (Sorry Sega), streiten Konami und Electronic Arts weiterhin um den Titel "beste Fußball-Simulation". Seit knapp 14 Jahren stellt fast jeder Fußball-Fan die Glaubensfrage "FIFA oder PES" - eine falsche Antwort entschied oftmals sogar über Freundschaften.

Doch in den letzten Jahren wurde die Frage immer seltener gestellt. Was war passiert? Einfach ausgedrückt: Ein Massenexodus zu FIFA. FIFA konnte mit einer überarbeiteten Engine und dem suchterregenden Online-Modus FIFA Ultimate Team (FUT) viele PES-Fans zum Umstieg bewegen. Währenddessen versagte die Pro-Evolution-Soccer-Reihe ausgerechnet dort, wo FIFA glänzte: Der Online-Modus war lange Zeit nahezu unspielbar, zudem ließen Präsentation, Menüführung und die verfügbaren Lizenzen stark zu wünschen übrig.

Seitdem hat Konami mit einer Baustelle zu kämpfen, deren Fertigstellung nun aber näher rückt. Bereits PES 2015 lieferte ein überzeugendes Lebenszeichen der Reihe, kam aber noch nicht ganz an FIFA 15 heran. Dieses Jahr hat Konami aber erstmals seit PES 6 wieder die Chance, den Thron zurückzuerobern. Reicht es? Die futurezone vergleicht die beiden Titel und zeigt Fußball-Fans, welcher Titel am meisten Spaß macht.

PES war schon immer anders. Doch dieses Jahr stellt Konami erfolgreich alles auf den Kopf. Während FIFA 16 (

zum Test
) ordentlich Tempo herausnimmt und den Spieler zu bedächtigen Pässen und Verteidigen zwingt, schafft PES 2016 erfolgreich den Spagat zwischen schnellem Offensivspiel und anspruchsvollem Verteidigen. Eine ungewöhnliche Situation, die wohl viele Fans beider Lager nicht so recht glauben können. Der wohl wichtigste Faktor ist die neue Physik-Engine, die deutlich robustere und unterhaltsamere Zweikämpfe ermöglicht. In den Vorgängern wirkte es oft so, als würde das Spiel einfach eine vorgefertigte Animation abspulen, der Ausgang reiner Zufall war.

Doch dieses Mal fühlt es sich an wie richtiger Fußball. Wie in FIFA muss der Spieler den richtigen Moment für einen Tackle oder Grätsche finden, andernfalls ist der Gegenspieler auf und davon. Auch der Körperbau spielt eine deutlich wichtigere Rolle. Ein kleiner schneller Stürmer hat im Zweikampf gegen einen großen kräftigen Verteidiger wenige Chancen, kann den Ball aber zumindest durch geschicktes Abschirmen seinen Mitspielern weitergeben. Dennoch ist der Zweikampf nicht so wichtig wie bei FIFA. Die Spieler agieren auch ohne direkte Kontrolle intelligent, springen beispielsweise im Sprint über Grätschen und drehen sich bei direkten Pässen in der gegnerischen Hälfte sofort um und stürmen auf das Tor zu.

Gut gewechselt ist halb gewonnen

Fouls werden erstaunlich selten gepfiffen, auch Karten sind erstaunlich rar. Das sorgt für ein rasches Hin und Her auf dem Platz, ohne lästige Unterbrechungen – auch wenn die Schiedsrichter bei einigen Fouls dann doch zu gutmütig sind. Im direkten Vergleich mit FIFA 16 hat es auch den Anschein, als hätte der Spieler "mehr Kontrolle" über seine Mannschaft. Das wird einerseits bei den wirklich flüssigen und flotten Sprints über den Rasen deutlich (bei FIFA hat es hin und wieder den Anschein, als würde man sich über ein Raster bewegen), andererseits aber auch beim Wechsel des aktiven Spielers.

Ein Tipp auf L1 und schon kontrolliert man den nächsten Spieler – ein einfaches Prinzip, auf das sowohl FIFA als auch PES setzen. Doch während FIFA 16 den Spieler unnötig frustriert und ihn oftmals zu dem Ball am zweitnächsten Spieler umschaltet, funktioniert das System in PES 2016 problemlos. Das Umschalten per linkem Analogstick war nie notwendig, PES fand stets den gewünschten Spieler. Mit dem Steuerkreuz lassen sich zudem rasch Formation wechseln und die Höhe bestimmen, auf der Angreifer beziehungsweise Verteidiger stehen sollen. Diese taktische Vielfalt mag unnötig erscheinen, oftmals macht aber eine bereits einen Meter tiefer stehende Abwehr den entscheidenden Unterschied.

Hilfe beim Freistoß

Apropos Abwehr: Die KI ist überraschend gut und sorgt zumindest für weniger Frust als jene von FIFA. So laufen die eigenen Mitspieler mit und versuchen sich für einen Pass in die Tiefe anzubieten oder füllen Lücken in der Abwehr. Hin und wieder gab es aber auch Totalausfälle der KI, bei denen sich drei Mitspieler von gegnerischen Verteidigen wie Schafe zusammentreiben ließen und so keine Anspielstation zur Verfügung stand. Die Gegner-KI ist ebenfalls clever und passt hin und wieder sogar Formationen und Taktiken an den Spieler an.

Die Torhüter in PES 2016 sind hingegen weiterhin Fliegenfänger. Selbst Schüsse aus kurzer Distanz werden häufig nach vorne abgeblockt, nur in seltenen Fällen wird der Ball tatsächlich gefangen. Wer übrigens ebenfalls schon lange auf ein Freistoßtor in FIFA wartet: In PES sind sie dank eines cleveren Systems deutlich einfacher. Der Spieler bekommt eine Hilfslinie eingeblendet, die mit dem linken Analogstick nach links oder rechts verschoben werden kann. Mit dem rechten Analog-Stick ist es zudem möglich, den Ball höher oder tiefer zu schießen sowie ihm einen Drall zu geben. So sind Freistöße, Abstöße und Eckbälle deutlich einfacher zu kontrollieren, auch wenn der Gegenspieler sieht, wohin man zielt.

PES wurde oftmals für starke Lags oder plötzliche Abbrüche beim Online-Spiel kritisiert. Im Test gab es keinerlei derartige Probleme. Im Gegenteil, das Spiel war meist genauso flüssig wie ein Offline-Match. Wenn die Verbindung spürbar schlecht war, gab es hin und wieder minimale Ruckler, die allerdings das Spiel nie beeinflussten. Meist waren diese Phasen nach kurzer Zeit wieder vorbei. In der Testphase war der PES-Server lediglich einmal für kurze Zeit nicht erreichbar.

Etwas mühsamer gestaltet sich das Matchmaking. Die Suche nach einem passenden Gegner dauert relativ lange, hin und wieder muss man sich einige Minuten gedulden. In puncto Online-Spielmodi sind FIFA und PES gleichauf. So gibt es neben dem klassischen Online-Match die Online-Divisionen, in denen man bei guten Ergebnissen in eine höhere Klasse aufsteigen und gegen stärkere Gegner antreten darf. Zudem gibt es immer wieder stattfindende Wettbewerbe sowie einen Team-Play-Modus, in dem jeder Spieler die Rolle eines Feldspielers übernimmt.

tl;dr: Keine Probleme beim Online-Spiel, das Matchmaking bei PES dauert allerdings etwas länger.

FIFAs Geheimrezept ist nach wie vor sein FUT-Modus in Kombination mit Originallizenzen. FIFA Ultimate Team ist simpel und basiert auf dem Prinzip von Sammelkartenspielen wie Magic oder Yu-Gi-Oh. Der Spieler sammelt Karten von Originalspielern und stellt sich auf Basis darauf ein Team zusammen, mit dem er gegen die KI oder Online-Spieler antreten kann. Siege werden mit Münzen belohnt, mit denen neue Karten-Packs gekauft werden können. Das simple Spielprinzip wird durch einen Transfermarkt und Variablen wie "Team-Chemie" etwas kompliziert, macht aber unfassbar süchtig - und ist wohl auch eine von EAs größten Einnahmequellen.

Dieses Prinzip wollte Konami mit myClub ebenfalls kopieren, doch gleich vorweg: Es ist nicht gelungen. Einsteiger werden hier bereits mit verschachtelten Menüs hoffnungslos überfordert. Statt Karten zu sammeln, können Spieler nach dem Zufallsprinzip verpflichtet werden. Der Versuch, alle Spielmechaniken erklären zu wollen, würde wohl den Rahmen dieses Artikels sprengen. Die Kurzfassung: Das Spiel macht einfach keinen Spaß. Das verwundert umso mehr, bietet doch Konami mit PES Collection einen recht erfolgreichen (und gut gemachten) FUT-Klon für iOS und Android an.

Einige Elemente aus PES Collection finden sich sogar in myClub. Jeder Spieler wird, je nach Fähigkeiten, mit einem Punktewert versehen, beispielsweise 22 Punkte. Je nach Erfahrung des myClub-Nutzers verfügt er über ein bestimmtes Punkte-Budget für seine Mannschaft. So darf der Wert des Kaders auf Level 1 nicht 220 Punkte überschreiten. All diese Mechaniken sind unfassbar schwer zu erlernen und sorgen dafür, dass man den Modus bereits nach kurzer Zeit links liegen lasst. So scheint es auch anderen PES-Spielern zu gehen, denn es wurde im Laufe der Zeit immer schwieriger, Gegenspieler zu finden.

tl;dr: Wer süchtig nach FUT ist, muss zu FIFA greifen. PES 2016 bietet keinen adäquaten Ersatz an.

Grafisch ist das Spiel eine wahre Schönheit, die FIFA 16 wie einen Last-Gen-Titel aussehen lässt. Das ist der Fox-Engine zu verdanken, die unter anderem auch bei "Metal Gear Solid V: The Phantom Pain" zum Einsatz kommt. Auch wenn die Gesichter bekannter Spieler nicht immer perfekt getroffen wurden, der Detailgrad ist beeindruckend. Während frühere Versionen, beispielsweise PES 2009, noch wie Plastikpuppen aussahen, hat Konami hier wirklich den Nagel auf dem Kopf getroffen. Das dürfte dem Entwickler auch bewusst sein, denn im Hintergrund des Hauptmenüs sind ständig die virtuellen Spieler der ausgewählten Lieblingsmannschaft in Nahaufnahmen zu sehen.

Auch die Animationen im Spiel sind flüssig und realistisch. Szenen, in denen Objekte sich verhaken oder der Ball beispielsweise magisch durch eine Wade fliegt, ließen sich nicht beobachten. Die Trefferabfrage ist nahezu millimetergenau. Das Spiel wird weiterhin in Full-HD-Auflösung (1920 mal 1080 Pixel) sowie 60 Bildern pro Sekunde dargestellt. Die Bildrate brach lediglich hin und wieder bei Wiederholungen ein, wenn viele Spieler zu sehen waren.

tl;dr: Hübscher als FIFA.

So hübsch das Spiel sein mag, bei der Inszenierung verschenkt PES 2016 unfassbar viel Potenzial. Konami besitzt die Lizenzen für insgesamt sieben kontinentale Klubwettbewerbe (Champions League, Europa League, Super Cup, Asia Champions League, Copa Libertadores, Copa Sudamericana, Recopa Sudamericana), doch davon bekommt der Spieler wenig mit. Wenn ein Champions-League-Spiel gestartet wird, ertönt kurz die offizielle Hymne und die bekannten TV-Einblendungen werden gezeigt. Doch Stimmung kommt nie auf. Es hat fast den Anschein, als hätte Konami einfach lieblos eine andere Farbe auf die Oberfläche geklatscht und hofft, dass das reicht.

Hier kann sich PES ein Beispiel an FIFA nehmen: Zeigt Highlights mit Gänsehautstimmung, lasst die Kommentatoren Anekdoten über die Mannschaften oder Spieler erzählen oder verpackt diese prestigeträchtigen Bewerbe gleich in einem neuartigen Karrieremodus (wie seinerzeit EA). Einfach mehr als nur einen simplen Turniermodus mit anderen Farben. Abgesehen davon muss sich PESin puncto Lizenzen nicht verstecken, auch wenn offiziell nur die ersten beiden Ligen aus Spanien und Frankreich sowie die holländische Eredivisie vollständig enthalten sind. Zudem sind Ligen aus England, Italien, Portugal, Argentinien, Brasilien und Chile mit echten Spielern, aber teilweise falschen Mannschaftsnamen dabei. Außerhalb der Ligen finden sich noch 117 Teams aus den Klubwettbewerben, neun einzeln lizenzierte Teams (u.a. Bayern München und Vfl Wolfsburg) sowie 81 Nationalteams im Spiel.

tl;dr: PES hat viele Lizenzen, nutzt sie aber nicht richtig.

Ein Wechsel dürfte PES-Fans geschockt haben: Wolf-Christoph Fuss, zwölf Jahre lang neben Hansi Küpper Kommentator bei PES, ist seit diesem Jahr in FIFA zu hören. Der Fuss-Deal scheint aber eine Lose-Lose-Situation für beide Seiten zu sein. Bei FIFA erreicht Fuss nicht wirklich das von PES bekannte Niveau und sein Ersatz in PES ist relativ unbekannt und austauschbar. Konami hat Marco Hagemann verpflichtet, der derzeit bei RTL die Qualifikationsspiele der deutschen Nationalmannschaft kommentiert.

Seine Kommentare sind in Ordnung, allerdings hat sich PES etwas zu sehr auf hohle Phrasen und wiedervertbare Sprüche konzentriert. Etwas mehr aktuelle Hintergrundinfos wären wünschenswert. Zudem sollte Konami die Intensität der Kommentare zurückschrauben, denn die beiden Kommentatoren hören scheinbar nie auf. Das ständige Geplapper hat zur Folge, dass man in nur einem Spiel gefühlt das komplette Phrasen-Arsenal zu hören bekommt.

tl;dr: Wer aus dem Phrasen-Geschwätz ein Trinkspiel machen will, kann es laufen lassen, ansonsten besser zu den englischen Kommentatoren wechseln – sowohl bei FIFA als auch PES.

Es dürfte wohl für einige Diskussionen in der WG sorgen, aber zumindest bei mir Zuhause wird nach jahrelanger FIFA-Abhängigkeit wieder zu PES gewechselt. Nachdem EA gefühlt zumindest drei Jahre lang das gleiche Spiel abgeliefert hat, dürfte der Frust bei vielen anderen FIFA-Spielern ähnlich tief sitzen. Da kommt es gerade recht, dass Konami mit PES 2016 das spielerisch wohl beste Pro Evolution Soccer seit PES 4 abliefert. Erschwerend kommt hinzu: Es macht einfach mehr Spaß als FIFA 16.

Wer von seiner FUT-Sucht nicht loskommen kann, kommt um FIFA 16 nicht herum. All jenen, die sich noch nicht entscheiden konnten, sollten definitiv zu PES 2016 greifen. EA kann ja im kommenden Jahr immer noch ein revolutionäres FIFA 17 liefern. Apropos: PES-Fans dürfen sich auch auf nächstes Jahr freuen. Dann wird unter anderem die österreichische Nationalmannschaft in einem PES-Spiel auf Titeljagd gehen. Konami hat den Zuschlag für das offizielle Spiel der UEFA Euro 2016 erhalten.

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Michael Leitner

derfleck

Liebt Technik, die Möglichkeiten für mehr bietet - von Android bis zur Z-Achse des 3D-Druckers. Begeistert sich aber auch für Windows Phone, iOS, BlackBerry und Co. Immer auf der Suche nach "the next big thing". Lieblingsthemen: 3D-Druck, Programmieren, Smartphones, Tablets, Open Hardware, Videospiele

mehr lesen
Michael Leitner

Kommentare