Ori and the Blind Forest
Ori and the Blind Forest
© Microsoft

Ori and the Blind Forest

„Wir machen Dinge besser als alle anderen Spielestudios“

Thomas Mahler ist derzeit der wahrscheinlich gefragteste Österreicher der Gaming-Branche. Nach vier Jahren geheimer Entwicklung durfte er endlich seinen Xbox-One-Platformer, Ori and the Blind Forest, enthüllen. Die Bühne dafür hätte nicht größer sein können: Microsofts Pressekonferenz, der traditionelle Auftakt der E3 in Los Angeles. Die Videospielemesse E3 gilt als wichtigste in der Gaming-Branche.

Mit dem emotionalen Trailer und dem künstlerischen Grafikstil stahl dort Ori Spielen wie Call of Duty und Halo die Show. Die futurezone hat mit Thomas Mahler über sein Entwickler-Team Moon Studios, schmutzige Tricks und die Zusammenarbeit mit Microsoft gesprochen.

futurezone: Wie hat es sich angefühlt bei der Microsoft E3-Pressekonferenz Titeln wie Call of Duty und Halo die Show zu stehlen?
Thomas Mahler:
Es war extrem seltsam für mich. Ich den vier Jahren, die wir das Spiel entwickelt haben, habe ich immer diese Idee im Kopf gehabt: Wie wäre es wohl, wenn man einen Trailer für Ori im Kino zeigen würde? Und dann auf einmal, ein paar Jahre später, sitzt man in diesem riesen Oratorium mit tausend Leuten. Auf einmal taucht Ori auf der Leinwand auf. Es ist einfach Wahnsinn, ein unglaubliches Gefühl. Als ich die Reaktionen des Publikums nach dem Trailer gesehen hatte, dachte ich mir „Holy Shit“. Es gab Leute die wirklich traurig waren und zu heulen begonnen haben.

Das liegt wohl am emotionalen Intro von Ori. Die Machart erinnert an den Anfang von Disneys Up, der ebenfalls auf die Tränendrüse gedrückt hat. Aber: ist das nicht ein schmutziger Trick? Natürlich merkt man sich so einen emotional starken Trailer, doch mit dem Gameplay hat es eigentlich nichts zu tun.
(lacht) Es ist schon auch etwas vom Intro im Gameplay drin. Es ist im Grunde der Prolog, direkt vom Intro aus geht es ins Gameplay über. Das Spiel ist zu Beginn noch relativ einfach, um den Spieler in das Game und die Charaktere einzuführen. Wir erklären so, was Ori ist, was mit seiner Mutter passiert und wieso er versucht, den Wald zu retten.

Im Grunde ist es eine typische Coming-to-Age-Story. Natürlich ist es ein bisschen eine Formel. Auf der anderen Seite haben wir, gerade für Videospiele, eine Geschichte entwickelt, die sehr unkonventionell ist. Ich will nicht zu viel davon preisgeben. Wenn die Leute Ori spielen, wird es interessant werden, wie sie darauf reagieren. Wir wollen, dass die Leute mit den Charakteren mitfühlen können. Ori ist am Anfang ein Kind. Und wie beim Genre Metroidvania üblich, werden Fähigkeiten zum Weiterkommen nach und nach freigeschaltet. Ori wird im Laufe des Spiels erwachsen, lernt neue Fähigkeiten, Verantwortung zu übernehmen und erkennt seine Position für den Wald.

Es wird also in Ori and the Blind Forest mehr Story geben und nicht, wie bei vielen Indie-Games üblich, nur eine Anfangssequenz, Endsequenz und dazwischen reines Gameplay?
Wir haben versucht, das Pacing wirklich gut zu machen. Wir wollen nicht, dass die Leute zwei Stunden Jump-and-Run-Sequenzen spielen und sich dann denken: „Jetzt wird es langsam langweilig.“ Wir versuchen verschiedene Elemente reinzustreuen. Hier ist ein bisschen Platforming, dort eine Rätseleinlage, dann kommt Action, Story usw. Wir wollen, dass sich der Spieler denkt: „Ich will wissen was als nächstes passiert und was im nächsten Bereich ist“. Diese Variation funktioniert einfach.

Wieso ist das Wesen im Trailer Oris Mutter? Vom Aussehen könnte es genauso ein Vater sein.
Das ist etwas, was wir vorher noch nicht sagen durften, aber heute können wir es. Die Geschichte dreht sich im Grunde um zwei Mütter. Oris Mutter und die Eule im Trailer. Wir stellen die beiden gegenüber und darum geht es auch in der Geschichte. Es gibt keinen Grund, dass es nicht auch Väter hätten sein können, aber geschichts-technisch hat es sich so ergeben. Es muss so sein, weil die Geschichte es so formuliert. Wenn man eine Geschichte schreibt ist es so, dass die Geschichte dir ab einem bestimmten Punkt sagt wo sie hin will und was sie erzählen will. Da muss man dann nachgeben und sagen: „Ok, ich sehe, dass sich da etwas bildet und wir gehen in die Richtung“.

Wie funktioniert Moon Studios, wenn die Mitarbeiter über die ganze Welt verstreut sind, anstatt wie üblich in einem Großraumbüro vereint?
Das ist etwas, das ich gelernt habe. Ich arbeite seit etwa zehn Jahren in der Industrie. Als ich vor etwa zehn Jahren zu Blizzard gekommen bin, dachte ich: „Oh mein Gott, die haben unendlich Zeit und unendlich Geld, jeder will hier arbeiten.“ Aber wenn man mal drinnen ist, sieht man, dass es Leute gibt, die wir gerne im Unternehmen gehabt hätten. Dies war aber nicht möglich, weil sie aus familiären Gründen nicht umziehen konnten oder wollten.

Für mich ist das einfach ein veraltetes Konzept. Als ich mit meinem Prototypen für Ori begonnen habe und ihn bei Microsoft gepitcht habe, habe ich gesagt: Leute, ich sehe genau diese Probleme, wir müssen heute nicht mehr so arbeiten. Wir können online arbeiten und ich will einfach die besten Leute auf der ganzen Welt anheuern. Ich habe die Kontakte, ich weiß, mit wem ich arbeiten will. Probieren wir einfach ein virtuelles Studio. Microsoft war, zu meiner Überraschung, auch einverstanden damit. Jetzt sind wir ein Studio mit Mitarbeitern in Österreich, Deutschland, Schweden, Kanada, Israel, USA, Australien und anderen Ländern.

Ori and the Blind Forest

War dieses alte, unflexible System der Grund, wieso du von Blizzard weggegangen bist?
Ich wollte eigene Ideen verwirklichen. Ich hatte damals eine super-produktive Zeit, ich bin um 19 Uhr nachhause gekommen und habe dann noch bis drei Uhr früh weitergearbeitet. In der Zeit habe ich sechs Prototypen erstellt, die heute noch interessant für uns sind - wir schauen jetzt gerade was wir als nächstes machen. Ich habe damals mit meinem Programmierer darüber gesprochen ein eigenes Studio zu machen. Wir haben beschlossen, dass wir eine Möglichkeit sehen und sind zu den Publishern pitchen gegangen. Microsoft hat das beste Angebot gemacht.

Du hast also bereits einen Plan für die Zeit nach Ori – die Moon Studios werden nicht zum One-Hit-Wonder und nach dem ersten Titel wieder verschwinden?
Ori zeigt schon ganz gut was wir als Entwickler drauf haben. Wir zeigen damit, dass wir einen bestimmten Weg als Studio haben und gewisse Dinge besser machen als alle anderen Studios. Ich denke, dass das Microsoft gefällt. Wir sind gerade in Verhandlungen wegen dem nächsten Projekt, aber wir können noch nicht darüber reden.

Ori and the Blind Forest

Ori ist seit vier Jahren in Entwicklung. War immer schon klar, dass Ori ein Next-Gen Game wird?
Nein, wir haben als Xbox-360-Spiel begonnen und es war auch nicht klar, dass es vier Jahre lang dauern wird (lacht). Wir haben gedacht, dass es leichter wird einen Platformer im Metroidvania-Stil zu machen. Aber wenn wir was machen, wollen wir es richtig machen. Wir haben bei Moon Studios einen hohen Anspruch an Qualität, den wir von unserer Zeit bei Blizzard übernommen haben. Jeder Prozess wird drei bis viermal überarbeitet, bis wir an dem Punkt sind, wo wir sagen: „Das ist gut genug.“

Wir wollen ein Studio sein, dem man als Spieler vertraut und sich denkt: „Egal was die für ein Spiel rausbringen, ich kauf es, weil ich weiß das es gut ist.“ Ich will wieder dieses Gefühl erzeugen, so wie Nintendo in den 90ern. Da wusste ich, wenn Miyamoto ein Spiel macht, kaufe ich es sowieso, egal welches Genre oder Thema.

Wir haben diesen Drang Qualität abzuliefern. Das hat uns bisher sehr geholfen. Microsoft weiß das zu schätzen und positioniert uns bei Messen zwischen einem Forza und einem Halo, das ist als kleines Entwicklerstudio schon ziemlich beeindruckend.

Thomas Mahler

Ori ist ein Indie-Game, aber nur durch Microsoft finanziert. Wie ist das vereinbar und wieviel Einfluss hat Microsoft in der Entwicklung?
Es hat Kritik anderer Entwicklungsstudios bezüglich der Zusammenarbeit mit Microsoft gegeben. Wir haben das nicht so erlebt. Wir erleben ein Microsoft, das uns finanziert, Vertrauen in uns hat, und sagt: „Wir sehen das Spiel, das ihr für uns macht und es ist super.“ Wir müssen natürlich jede Woche mit Microsoft reden und ihnen unseren Fortschritt zeigen, aber sonst lassen sie uns ziemlich freie Hand.

Das Beste an der Kooperation mit Microsoft ist, dass sie das beste User Research Department der Welt haben. Ich kann zB. zu Microsoft gehen und sagen: „Wir brauchen Tester für ein Level von Ori.“ Wir können uns einen Live-Stream ansehen von 30 Leuten, die das Spiel spielen und sehen dabei auch ihre Gesichter und ihre Hände. Wir können sehen, ob das Level Spaß macht und die Controller-Belegung eingängig ist. Microsoft hat auch Psychologen dort, die die Reaktionen der Spieler auswerten. Für unser kleines Studio ist diese Möglichkeit wahnsinnig toll.

Der künstlerische Grafikstil könnte über die Platformer-Seele von Ori hinwegtäuschen. Manche Spieler könnten frustriert sein, weil sie aufgrund von Screenshots ein leichteres Spiel erwartet haben. Macht dir das Sorgen?
Manche Leute werden sicher Ori nur spielen, weil es interessant ausschaut, oder sie die Story spannend finden. Ja, es wird knackig vom Schwierigkeitsgrad, aber dadurch, dass es ein Metroidvania-Platformer ist, wird man nach und nach ins Gameplay eingeführt. Da ist das Design sehr wichtig, um den Moment zu bestimmen, an dem wir als Entwickler sagen: „Ab hier solltest du als Spieler dieses Hindernis meistern können.“

Für mich ist das ein interessantes psychologisches Experiment. Ich habe etwa Leute öfters vor Plants vs. Zombies gesetzt und war überrascht davon, wie gut sie darin werden, weil sie Schritt für Schritt ins Gameplay eingeführt werden. Das machen wir mit Ori auch. Bei Ori wird der Schwierigkeitsgrad schon knackig, aber das wollen wir auch. Wir wollen kein seichtes Spiel machen, denn davon gibt es im Moment mehr als genug. Wir wollen, dass sich der Spieler zuerst denkt: „Holy Shit, dieses Level sieht kompliziert aus“ und danach: „Aber ich habe es geschafft!“

Ori and the Blind Forest
Ori and the Blind Forest wird als Download-Titel im vierten Quartal 2014 für Xbox One und PC erscheinen. 2015 soll eine Version für Xbox 360 folgen.

Trotz vierjähriger Entwicklungszeit sahen sich einige der Entwickler von Moon Studios das erste Mal auf der diesjährigen Microsoft E3-Pressekonferenz persönlich. Microsoft hat sogar überlegt, die Pressekonferenz mit der Präsentation von Ori and the Blind Forest zu eröffnen, hat sich dann aber für den First-Person-Shooter Call of Duty: Advanced Warfare entschieden.

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Gregor Gruber

Testet am liebsten Videospiele und Hardware, vom Kopfhörer über Smartphones und Kameras bis zum 8K-TV.

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