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Wissenschaft & Blödsinn

Der Detox-Schwindel

Ich will ja niemanden beunruhigen, aber so wie es aussieht werden wir alle auf qualvolle Weise umgebracht. Zumindest lässt die Werbung für sogenannte Detox-Produkte keinen anderen Schluss zu.

Es ist nämlich so: Alles rund um uns ist mit bedrohlichen Chemikalien verseucht. Die Luft, die wir atmen, das Wasser, das wir trinken und sogar die liebevoll ausgewählte Meditationsdecke aus dem Chakra-Versandhaus. Daher muss man, so erklären uns Vertreter der aufblühenden Detox-Industrie, die bösen Gifte mit allerlei Spezialmittelchen regelmäßig aus dem Körper entfernen.

Dabei beweist die Detox-Branche beeindruckende Kreativität: Von Detox-Smoothies bis hin zu Detox-Fußpflastern gibt es so ziemlich alles zu kaufen, was man sich vorstellen kann. Trotzdem haben praktisch alle diese Produkte auffallende Gemeinsamkeiten: Ihre Anwendung macht keinen Spaß, sie kosten eine Menge Geld und sie sind aus wissenschaftlicher Sicht völlig sinnlos.

Wer sich wirklich entgiften will, sollte über ganz andere Dinge nachdenken: Besitzen Sie eine Leber? Und eine Niere? Im optimalen Fall vielleicht sogar noch eine zweite? Gratulation, damit ist jede weitere Entgiftungsmaßnahme wohl unnötig. Unser Körper ist nämlich ziemlich gut darin, Gifte ganz von alleine wieder loszuwerden.

Brauner Dreck aus den Füßen?

Wie ist es dann aber zu erklären, dass manche Detox-Kuren recht beeindruckende Effekte zeigen? Bekannt sind zum Beispiel Detox-Fußbäder in salzigem Wasser, durch das man elektrischen Strom leitet. Nach einigen Minuten beginnt sich das Wasser zu verfärben, am Ende wird aus dem Fußbad ein ziemlich unappetitlicher brauner Dreck. Das muss also die giftige Schlacke sein, die aus den Füßen herausgewaschen wurde! Grund genug, für kommende Woche gleich das nächste Detox-Fußbad zu buchen.

Allerdings verfärbt sich das Wasser auch dann, wenn man garantiert ungiftige Füße aus biologischer Freilandhaltung darin badet. Oder auch, wenn das Wasserbecken leer bleibt und das Gerät ganz alleine läuft. Die eklige Farbe kommt nämlich aus den Elektroden, nicht aus den Füßen. Der Trick ist so simpel, dass ihn jeder Kindergeburtstags-Zauberkünstler aus Gründen der Berufsehre als zu banal ablehnen würde – aber er funktioniert und überzeugt zahlungswillige Detox-Kunden.

Etwas ganz Ähnliches passiert mit Detox-Pflastern, die man sich über Nacht auf die Fußsohlen klebt, wo sie angeblich durch die Haut giftige Schlacke aus dem Körper saugen: Tatsächlich ist am nächsten Tag eine beeindruckend deutliche Verfärbung zu sehen, das liegt aber bloß daran, dass die Füße schwitzen und das Pflaster ein Pulver enthält, das mit Wasser reagiert und zu braunem Schleim wird.

Es gibt keine „Schlacke“, die sich im Körper ansammelt. Wäre das der Fall, hätten wir ein gewaltiges Problem und wären wohl in kurzer Zeit tot. Detox-Kuren entfernen keine Gifte aus unserem Körper – sie entfernen nur eine Menge Geld aus unserem Bankkonto.

Aus demselben Grund braucht man weder grüne Detox-Smoothies noch Detox-Kräutertees oder ausgeklügelte Cleansing-Kuren, bei denen man sich zwei Wochen lang ausschließlich von handgeraspelten Babykarotten und energetisiertem Gurkenwasser ernähren muss. Von Medizin Transparent (Cochrane Österreich) wurde die medizinische Fachliteratur nach Publikationen über sinnvolle Detox-Kuren durchstöbert. Fündig wurde man nirgendwo - nicht einmal eine wissenschaftlich sinnvolle Definition des Begriffs „Detox“ lässt sich aufstellen. Das Urteil von Medizin Transparent: Detox ist eine „eingebildete Lösung für ein nicht existierendes Problem“.

Detox als quasi-religiöses Bußritual

Aber warum lässt sich dann so viel Geld damit verdienen? Warum gibt es so viele Leute, die sich durch merkwürdige Maßnahmen entgiften möchten? Vermutlich ist die Sache gar nicht so kompliziert: Wir alle haben manchmal das Gefühl, nicht besonders gesund zu leben. Wir machen uns zu viel Stress, essen zu viel Fett, vielleicht trinken wir zu viel Alkohol oder rauchen. Das bereitet uns schlechtes Gewissen, und dagegen möchten wir etwas unternehmen.

Und so wie der katholische Priester dem Gläubigen bei der Beichte irgendwelche Aufgaben mit auf den Weg gibt, damit er sich wieder sündenfrei fühlen kann, trägt uns die Detox-Industrie auf, ihre Produkte zu kaufen, damit wir wieder sauber und rein werden. Der Gläubige betet zur Buße fünfzehn Vater Unser, der Detoxer klebt sich Pflaster auf die Fußsohle oder würgt tapfer seine bitteren Spinat-Smoothies hinunter. Daher darf ein Detox-Smoothie auch niemals richtig gut schmecken, ein bisschen Opferbereitschaft muss schon mit dabei sein. Ohne Schmerz keine reinigende Katharsis.

Das Detox-Phänomen ist so etwas wie das Bußritual einer merkwürdigen neuen Gesundheits-Lifestyle-Religion. Besser wäre es vermutlich, den eigenen ungesunden Lebensstil nachhaltig zu ändern – oder sich einfach weniger Sorgen zu machen und zu akzeptieren, dass ab und zu ein paar Hamburger oder Schokoriegel auch nichts sind, wofür man danach unbedingt rituell büßen müsste. Guten Appetit!

Florian Aigner ist Physiker und Wissenschaftserklärer. Er beschäftigt sich nicht nur mit spannenden Themen der Naturwissenschaft, sondern oft auch mit Esoterik und Aberglauben, die sich so gerne als Wissenschaft tarnen. Über Wissenschaft, Blödsinn und den Unterschied zwischen diesen beiden Bereichen schreibt er jeden zweiten Dienstag in der futurezone.

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Florian Aigner

Florian Aigner ist Physiker und Wissenschaftserklärer. Er beschäftigt sich nicht nur mit spannenden Themen der Naturwissenschaft, sondern oft auch mit Esoterik und Aberglauben, die sich so gerne als Wissenschaft tarnen. Über Wissenschaft, Blödsinn und den Unterschied zwischen diesen beiden Bereichen, schreibt er regelmäßig auf futurezone.at und in der Tageszeitung KURIER.

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