© APA

Peter Glaser: Zukunftsreich

Der Elefant im Pool...

Amerikaner haben einen Sinn für bestimmte Arten von Vergnügen, der bei uns nicht weiter ausgeprägt ist, etwa die sogenannten „practical jokes", also wenn einem beispielsweise jemand nachts das Wasser aus dem Swimmingpool läßt und stattdessen einen kleinen Elefanten reinstellt. Andererseits benutzen sie als Lehnwort das deutsche Wort „Schadenfreude", weil sie keinen eigenen Begriff für diese Form der Anteilnahme haben, aber gelegentlich doch eine Bezeichnung für die sonderbare Empfindung benötigen, die einem fremdes Mißgeschick beschern kann.

Etwa, wenn Microsoft sich nun öffentlich darüber beschwert, Google behindere die Entwicklung der Windows Phone-Plattform durch ein abgeschaltetes Protokoll, mit dessen Hilfe sich bisher Google-Daten auch auf Android-fremden Geräten synchronisieren ließen, und mit einer fehlenden YouTube-App. Oh weh.

Ein guter Plan, sofort
Was die Unternehmensstrategie betrifft, hat es Microsoft-Gründer Bill Gates schon in den frühen Jahren mit dem amerikanischen General Patton gehalten, Motto: „Ein guter Plan, den man sofort mit aller Gewalt ausführen kann, ist immer besser als ein perfekter Plan nächste Woche." Konkurrenten wurden niedergemacht. So wurde etwa bei der Überarbeitung des Betriebssystems DOS besonderes Augenmerk darauf gelegt, der Firma Lotus und ihrer damals marktführenden Tabellenkalkulation „1-2-3" die Tour zu vermasseln. Die Microsoft-Programmierer versteckten ein paar absichtliche Fehler in der Software, die jedesmal, wenn „1-2-3" geladen wurde, einen Absturz verursachten. Und weg war die Firma.

Als Microsoft in den Achtzigerjahren zu expandieren begann, brauchte Bill Gates einen klugen Nichttechniker im Management. Er holte Steve Ballmer, der bei Procter & Gamble Karriere gemacht hatte. Unter anderem hatte er dort mit einer neuen Verpackung für eine Backmischung Aufsehen erregt: sie war breiter als hoch und beanspruchte in den Supermarktregalen mehr Platz. Das wollte Ballmer auch für Microsoft tun – die Konkurrenz verdrängen.

Das Bett, das man über den Kopf ziehen kann
Es gibt nichts, was Bill Gates erfunden hat – außer vielleicht das Bett, das man über den Kopf ziehen kann. (An der Universität Harvard ging er nie richtig zu Bett, sondern er legte sich auf das ungemachte Bett, zog eine Heizdecke über den Kopf und schlief sofort ein. Noch Jahre später zog er sich im Flugzeug oft eine Decke über den Kopf und schlief während des ganzen Flugs.) Die Programmiersprachen für die ersten PCs, mit denen Microsoft groß wurde, haben andere Leute erdacht. Bill Gates hat sie umgeschrieben. Das Betriebssystem DOS, mit dem Microsoft Anfang der Achtzigerjahre den Weg zur Weltherrschaft auf dem Betriebssystemmarkt antrat, stammt von dem Programmierer Tom Paterson. Als sie Windows entwickelten, gab Gates seinen Mannen zwei Direktiven mit auf den Weg: Bringt die Konkurrenz um, und: Macht es so wie beim Macintosh.

Ob Tabellenkalkulation, Textverarbeitung oder Browser – Microsoft hat immer die Ideen anderer erfolgreich übernommen, die innovative Konkurrenz geschluckt oder gekillt und die gekaperten Ideen aggressiv vermarktet. Der ehemalige Microsoft-Manager Marlin Eller nennt in seinem Buch „Barbarians led by Bill Gates" Microsoft nicht nur ein Unternehmen, das Software verkauft, sondern eines, das verhindern will, dass andere Unternehmen Software verkaufen.

„Wir werden sie zerstören"
Ausführlich widmet er sich darin unter anderem der Geschäftsbeziehung zwischen Microsoft und der GO Corporation, die sich bereits Anfang der Neunzigerjahre einen Namen als Pionier auf dem Gebiet des (damals noch stiftbetriebenen) Mobile- und Tablet-Computing gemacht hatte und sich scharfer Konkurrenz von Microsoft gegenübersah.

Am Tonfall hat sich seit den Zeiten von Chief Software Architect Gates nicht viel geändert. Als sich Microsoft im Februar 2011 mit Nokia zusammentat, um den Smartphone-Markt aufzurollen, ließ Microsoft-CEO Steve Ballmer in einer gemeinsamen Erklärung mit Nokia-Chef Stephen Elop verlautbaren: „Es gibt andere mobile Ökosysteme. Wir werden sie zerstören. Es gibt Herausforderungen. Wir werden sie bewältigen."

No-GO-Areas
Jerry Kaplan, der ehemalige Gründer von GO, strengte 2005 ein Antitrust-Verfahren gegen Microsoft an, Ingenieure des Unternehmens hätten Technologien von GO gestohlen, die ihnen unter strikten Auflagen gezeigt worden waren. 2008 folgte eine Klage, welche die Gestensteuerung für ein Windows-Tablet betraf, die Patente von GO verletzte.

Einer, der seine Startup-Karriere bei GO begonnen hat, ist übrigens der iranischstämmige Amerikaner Omid Kordestani. Nachdem das Unternehmen 1994 zumachte, sammelte er weiter Erfahrungen, unter anderem bei Netscape, und war schließlich bei Google maßgeblich mit für das Geschäftsmodell mit den Kleinanzeigen verantwortlich, dass aus der Suchmaschine einen Werbegiganten gemacht hat. Kordestani, der 10 Jahre für den Vertrieb der Google-Produkte in alle Welt sorgte und seit 2009 die Geschäftsführung direkt berät, ist heute einer der einflußreichsten und wohlhabendsten Männer im Silicon Valley.

Brandschutz
Zeitgleich mit der Meldung über die von Google „enttäuschte" Firma Microsoft gab die US-Federal Trade Commission (FTC) bekannt, dass nach einer zwei Jahre laufenden Untersuchung nun doch kein reguläres Antitrust-Verfahren gegen Google - wegen Vorteilsnahme aufgrund marktbeherrschender Stellung - eingeleitet werde, wie es unter anderem von Microsoft gefordert worden war. Man hat dort in diesen Dingen Erfahrung. Ende der Neunzigerjahre sah sich Microsoft wegen seiner eigenen Monopolstellung mit dem Betriebssystem Windows einem jahrelangen Antitrust-Verfahren gegenüber. Dabei wurden derartige Massen an Papierdokumenten produziert, dass zeitweise die Hauptsorge der Verantwortlichen war, den Brandschutzbestimmungen der Feuerwehr Genüge zu tun.

Mehr zum Thema

Peter Glaser, 1957 als Bleistift in Graz geboren, wo die hochwertigen Schriftsteller für den Export hergestellt werden. Lebt als Schreibprogramm in Berlin und begleitet seit 30 Jahren die Entwicklung der digitalen Welt. Ehrenmitglied des Chaos Computer Clubs, Träger des Ingeborg Bachmann-Preises und Blogger. Für die futurezone schreibt er jeden Samstag eine Kolumne.

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Kommentare