© Focke Strangmann, ap

Netzneutralität

Die Spezial-Vignette für die Datenautobahn

Stellen Sie sich vor, Sie fahren mit dem Auto auf der Autobahn, dürfen aber trotz Jahresvignette die Überholspur nicht benutzen, weil diese nur von jenen befahren werden darf, die die "Asfinag Supervignette" gekauft haben. Die bekommen nur jene, die einerseits das nötige Kleingeld haben und andererseits einer bestimmten Firma, Organisation oder Automarke zugehören. „Skandal!“ würden hier wohl die meisten schreien. Dass ein Szenario wie dieses nicht möglich wäre – sieht man von den Bus-Spuren oder den Mehr-Passagier-Spuren in den USA ab – ist wohl jedem klar. Sich mit Geld eine freie Fahrt auf der Autobahn oder Schnellstraße zu erkaufen, das geht gar nicht. Im Internet, also auf der Datenautobahn, wird es diese Zweiklassengesellschaft künftig aber geben.

Die EU hat am Dienstag nämlich den Weg dafür bereitet. Was da oben in Brüssel abgezogen wurde, kann man ganz gerade heraus und volkstümlich formuliert als „Kuhhandel“ bezeichnen – die Lobbyisten klopfen sich vermutlich vor Freude auf die Schenkel und sacken nun die Prämien ein.

Mobilfunker wollen Roaming

Das Ende von Roaming wird seit Jahren gefordert, scheiterte aber bislang immer an den Netzbetreibern, die einen Beibehalt der hohen Roaming-Gebühren forderten. Sie begründeten dies immer damit, dass die Roaming-Gebühren notwendig seien, um die hohen Investitionen in die UMTS-Netze und vor allem die hohen Versteigerungskosten wieder zurück zu verdienen. Mit diesem Argument gelang es ihnen ein gutes Jahrzehnt lang, die Aufhebung von Roaming zu verhindern. Obwohl Roaming grundsätzlich ja ein Widerspruch in sich ist.

Seit der Geburtstunde des mobilen Web schwafeln Politiker, Wirtschaftstreibende und auch wir Journalisten von der mobilen Informationsgesellschaft, von den Möglichkeiten, die mobile Kommunikation und das mobile Web mit sich bringen. Aber diese mobile Informationsgesellschaft hatte bereits bei den Landesgrenzen ein Ende, weil es aus Kostengründen gar nicht mehr möglich bzw. sinnvoll war, das mobile Internet zu nutzen. Erst mit den ersten Gratis-WLAN-Netzen und Tarifen wie „3like home“ von Drei wurde es möglich, den zur Jahrtausendwende ausgerufenen Slogan des Immer-und-Überall-Web zu leben.

Meinungsumschwung

Doch gehen wir zurück zum Kuhhandel bzw. zur Schlagzeile des gestrigen Tages EU besiegelt Aus für Roaming und Netzneutralität. Was dürfte den Meinungsumschwung ausgelöst haben? Wir töten das Roaming, bringen aber mit einer neuen Idee, die sich „Verordnung über Maßnahmen zum Zugang zum offenen Internet“ nennt, gleich auch die Netzneutralität um. Ganz sachlich betrachtet, klingt schon die „Verordnung über Maßnahmen zum Zugang zum offenen Internet“ widersprüchlich. „Maßnahmen zum Zugang“ klingt beschränkt (im wahrsten Sinn des Wortes), der Begriff „offen“ impliziert wiederum, dass die EU weiterhin für ein offenes Netz ist, das von jedermann frei genutzt werden kann.

Allerdings können „Spezialdienste“ künftig Vorrang haben, was wiederum die Frage aufwirft, was versteht man unter „spezial“ und wer entscheidet überhaupt, welcher Dienst in die Kategorie „spezial“ fällt? Für den einen ist es Facebook, für den anderen der Video-Streaming-Dienst oder das hauseigene Navigationsservice? Es wird künftig eine Spezial-Vignette auf der Datenautobahn geben, eine, die sich Kunden nicht werden kaufen können.

Zugeständnis

Die Verordnung ist ein Zugeständnis an die Netzbetreiber, die ja nach dem Wegfall der Roaming-Einnahmen (wobei es auch hier Begrenzungen geben soll), Ersatzeinnahmen benötigen – übrigens auch, weil Dienste wie WhatsApp & Co sie um Einnahmen bringen: 2017 wird es die ersten Dienste geben, die auf der Datenautobahn freie Fahrt haben, die also bevorzugt werden, weil in die Kasse des Netzbetreibers eingezahlt wird. Die Netzneutralität ist Geschichte.

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