Peter Glaser: Zukunftsreich

Drive mit Ive

„Ich hab jetzt das Internet auswendiggelernt“, sagte ich. „Soll ich's mal aufsagen?“
Mein Besuch schrieb mit ungerührter Miene LOL auf einen Zettel und hielt ihn mir hin.
​„Gut“, sagte ich. „Ich fang bei A an. Also: Apple will ein Auto bauen.“

„Önnn!“, machte ein startendes Fahrzeug vor dem Fenster.

Ich zeigte in die Richtung und sagte: „Ein Elektroauto. Ganz leise.“
„Na klar“, sagte der Besuch. „Damit man es nicht mehr hört und überfahren wird.“
„Meine ich da einen kritischen Unterton rauszuhören?“
„Ich glaube nicht, dass an der Appleautogeschichte was dran ist.“
„Es gibt sogar Fotos.“
„Von einem Testfahrzeug mit einem Rundum-Kamerasystem auf dem Dach, das in Kalifornien herumfährt“, der Besuch zuckte mit den Schultern.

Die rollende Lounge

„Lasta fari, wie unser jamaikanischer Logistikmitarbeiter immer sagt“, sagte ich. Aber der Besuch versuchte mir den Wind aus den Segeln zu nehmen.
„Weißt du, alle interessieren sich jetzt für autonome Fahrzeuge. Aber spannend sind nicht nur Risikominimierung und Flottenmanagement, sondern auch die Frage: Wie gestaltet man den Innenraum eines solchen Fahrzeugs? Das ist ja dann plötzlich eine neue Lebenswelt. Eine Art Lounge, in der man beisammensitzen oder arbeiten kann. Ich denke, Apple interessiert sich nicht mehr nur für iPhone-Kopplung mit CarPlay, sondern für mobile Innenarchitektur!“

Ich griff in eine innerliche Packung Kartoffelchips voll gut gewürzter Argumente.

„Önnn! Önnn! “, sagte das Auto vor dem Haus.

„Es gibt ein Geheimprojekt namens „Titan“, das von einem Apple-Mann geleitet wird, der früher bei Ford war“, sagte ich, „und an dem ein paar Hundert Leute mitarbeiten sollen.“

„Angeblich. Schon der Name würde mich misstrauisch machen. ,Titan‘ ist doch völlig Apple-untypisch. Klingt nach Rüstungsbetrieb.“

Raketenabwehrsystem am Fahrrad

„Schau, alle wollen sie groß dastehen. Jeff Bezos kauft sich die Washington Post zum Spielen. Larry Ellison lässt sich ein Raketenabwehrsystem an seinem Fahrrad anbringen. Bill Gates schenkt dem Sultan von Brunei zum Geburtstag die Schweiz. Da kann Tim Cook doch nicht zurückstehen.“
Cook ist doch kein Angeber, wie dieser Bischof, wie hieß der nochmal?“
Franz-Peter Tebartz-van Elst.“
„Sollen alle reinkommen.“
„Der soll ja jetzt angeblich einen Limburghini fahren.“
„Für sowas würde Cook jedenfalls nicht seinen Segen erteilen.“

„Önnn!!“

Drängel-Apps für BMW-Fahrer

„Weißt du, was ich mich frage: Wenn die autonomen Fahrzeuge kommen, was machen dann BMW-Fahrer?“
„Vielleicht gibts dann Drängel-Apps, und man braucht überhaupt nicht mehr zu fahren, sondern man fliegt einfach aus dem iTunes-Store.“
„Wären Luftkissenfahrzeuge in den Sechzigerjahren erfunden worden“, sagte ich, „dann hießen sie Lustkiffenfahrzeuge.“
„Wären Luftkissenfahrzeuge in Bayern erfunden worden“, sagte der Besuch, „dann hießen sie Huberkraft.“
„Wären Hubschrauber in Bayern erfunden worden, hießen sie Schraubhuber.“
„Du musst immer das letzte Wort haben.“
„Ja, weil ich glaube, dass sie bei Apple ziemlich vorausschauend sind. Ein iCar wäre gar nicht die eigentliche Sensation. Sondern die Infrastruktur, die aufgebaut werden muss, um die rollenden Internet-Hubs betreiben zu können, in die sich Autos gerade verwandeln. Daran arbeiten sie!“

Es ist wie mit Marskolonien

„Die Leute wünschen sich nicht wirklich ein Auto von Apple. Sie wünschen sich die Vorstellung, dass Apple ein Auto baut. Das ist wie mit Marskolonien. Keiner will wirklich da hin, aber alle finden es toll, dass die Menschheit solche Zukunftsvisionen hat.“

„Önnn!!!“

„Alle warten darauf, dass Apple etwas erderschütternd Neues rausbringt“, sagte ich. „Das mit dem Apple-Fernseher dauert wohl noch ein bisschen. Sie könnten einen eigenen Staat gründen, das Bruttonationalprodukt dafür hätten sie schon. Allein im letzten Quartal hat Apple 18 Milliarden Dollar Gewinn gemacht. Sie können neue Technologien erkunden und dabei fast nach Belieben Geld verbrennen. Ein Auto ist genau die richtige Dimension zwischen Popelig und Größenwahnsinnig.“

„Bei Apple im Lager arbeiten sicher keine gewöhnlichen Staplerfahrer“, sagte der Besuch, „sondern Hochstaplerfahrer.“

„Ön? Ön?“

Der Keintürer mit 3D-Drucker im Handschuhfach

„Alle warten darauf, dass der Designgott Jon Ive den Wahnsinns-Wurf abliefert. Das Auto, wie du es noch nie gesehen hast. Der Keintürer mit 3D-Drucker im Handschuhfach, um Kleinigkeiten nicht mehr zu transportieren, sondern zu beamen. Und wenn sie dann merken, dass es das nur in Schwarz, Weiß und Gold gibt, fangen sie an zu meckern.“
Ive ist so ein bescheidener Mann“, setzte ich zu seiner Ehrenrettung an. „Er fährt einen Bentley, rein aus Designgründen. Es ist ihm unangenehm, dass die Leute ihn deswegen für einen Protz halten könnten.“
„Er hat auch einen Fahrer. Der ist ihm wahrscheinlich auch aus Designgründen unangenehm.“
„Du bist heute so unkooperativ.“
„Ich will von Apple Dinge, die man irgendwo hinstellen oder hinlegen kann. Nichts, was rollt.“

Es war still.

Ich ging zum Fenster und sah raus. Zwei junge Männer reparierten ein Auto. Als der Önnn!-Sound wieder kam, startete ich parallel dazu mein MacBook. Mal sehen, wer länger braucht, um zu starten.

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Peter Glaser

Peter Glaser, 1957 als Bleistift in Graz geboren, wo die hochwertigen Schriftsteller für den Export hergestellt werden. Lebt als Schreibprogramm in Berlin und begleitet seit 30 Jahren die Entwicklung der digitalen Welt. Ehrenmitglied des Chaos Computer Clubs, Träger des Ingeborg Bachmann-Preises und Blogger. Für die futurezone schreibt er jeden Samstag eine Kolumne.

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