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Neues Kapitel

E-Books machen gedruckten Büchern den Garaus

Gut, ich bin etwas voreingenommen. Seit ich mir vor ein paar Wochen mit Amazons Kindle 3 meinen ersten "echten" E-Book-Reader zugelegt habe, bin ich der neuen Technologie verfallen. Wie gut es sich auf dem E-Ink-Display liest, selbst in der Sonne. Wie leicht sich der E-Book-Reader in einer Hand halten lässt und man die Seiten mit einem Tastendruck umblättern kann. Nicht zuletzt: 10 dicke Bücher habe ich auf dem Gerät immer bei mir, kann lesen, wonach mir gerade ist, mein ganzes Bücherregal würde theoretisch hineinpassen.

Der E-Book-Reader hat bei mir eine ganz neue Leselust ausgelöst. Es ist ja auch zu einfach, via WLAN in den E-Book-Shop zu surfen, sich ein Buch auszusuchen und es sich einfach herunterzuladen. Der Gang in den Buchladen oder zur Post, um das Buchpaket abzuholen, fällt genauso weg, wie mögliche Versandkosten. Kein Wunder, dass Amazon erst kürzlich bekannt gegeben hat, dass mittlerweile mehr E-Books als gedruckte Bücher verkauft werden - in den USA, versteht sich. Dort drüben, auf der anderen Seite des Großen Teichs gibt es keine Buchpreisbindung. Der Konsument kann mehr als ein paar Euro einsparen, wenn er sich ein frisch veröffentlichtes Fachbuch kauft.

Allerdings steht dieser Triumph (noch) auf wackligen Füßen. Denn zum einen hat die Flut neuer E-Book-Reader natürlich auch ein (vielleicht vorübergehendes) Interessenshoch in den angeschlossenen E-Book-Läden ausgelöst. Auf der anderen Seite dominieren auf den Bestsellerlisten Titel zu Ramschpreisen. Der moderne E-Book-Konsument ist nämlich zunehmend weniger bereit, viel Geld für ein E-Book auszugeben. Er mag es billig.

Die 99-Cent-E-Books
Kein Wunder, dass viele unabhängige Autoren versuchen, bei der Leserschaft mit 99-Cent-E-Books zu punkten. Das scheint sogar zu funktionieren - dank Amazons attraktiven Konditionen bei der Selbstveröffentlichung (Kindle Direct Publishing). Immerhin bekommt der Autor pro verkauftem 99-Cent-E-Book knapp 35 Cent. Setzt er den Verkaufspreis bei 2,99 Dollar an, steht ihm sogar knapp 1 Dollar zu - ein Verdienst, von dem Autoren mit Verlagsbindung nur träumen können. Vor allen Dingen bekannte Autoren können mit dem E-Book-Verkauf "auf eigene Rechnung" punkten. Ein ähnliches Modell, wie es die britische Band Radiohead im Musikbereich exerziert hat. So erklärt sich auch, warum der Bestseller-Autor Barry Eisler ein Verlagsangebot in der Höhe von 500.000 (!) Dollar ausgeschlagen hat. Für ihn lohnt es sich einfach mehr, seine E-Books selbst zu vertreiben.

Ein neues Kapitel für die E-Book-Geschichte hat gerade erst der US-Autor

aufgeschlagen. Locke ist nach Angaben von Amazon der erste Autor, der mit dem Verkauf von E-Books im Kindle Shop die magische Millionen-Grenze knacken konnte. Ist dieser Erfolg auch im deutschsprachigen Raum denkbar? Vielleicht schon bald. Aber die Veröffentlichung im Kindle Store ist keinesfalls ein Selbstläufer. Nur gutes Marketing und ein weitverzweigtes Netzwerk machen einen solchen Erfolg möglich. Und - für alle Hobbypoeten, die noch den einen oder anderen Gedichtband in der Schublade haben - Lyrik verkauft sich auch im E-Book-Format nicht, wie ich selbst schmerzlich erfahren habe. Vielleicht schafft man es ja mit Vampirgeschichten. Einen Versuch wäre es wert.

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Jörn Brien ist Texter, Autor und betreibt den Blog eBook-Fieber.de, der sich mit eBooks, eReadern und Tablets beschäftigt. Briens aktueller Gedichtband "Der letzte Anschlag" steht zum Preis von 0,99 Euro im Kindle Store zum Lesen bereit.

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