© Webfeuer.at

Meinung

Facebook: "Grusel-Mark" will unser Leben

Er will einfach alles wissen. Und die meisten der derzeit 750 Millionen Nutzer werden dafür sorgen, dass er bald alles über sie weiß. „Die Timeline ist die Geschichte deines Lebens“, verkaufte Zuckerberg

die Novitäten seines Freundesnetzwerks. Jeden Moment unseres Lebens sollen wir auf seiner Plattform speichern, was wir gerade tun, was wir lesen, welche Musik wir hören, welchen Film wir sehen. Wollen wir wirklich unser Leben in die Hände dieses Unternehmers legen? Das ganze Leben an einem Ort speichern?

Datenstriptease
Es ist verlockend, die wichtigen Momente seines Lebens in Bildern zu dokumentieren und sie auf einer einzigen Plattform zur Schau zu stellen. Übrigens ist die Idee nicht wirklich neu, denn Nokia hat bereits 2004 den „Lifeblog“ vorgestellt, eine Tagebuch-Funktion im Handy, mit der man SMS, Bilder und Notizen auf einer Plattform speichern und ebenfalls mit einer Zeitleiste versehen konnte. Es ist verlockend, gleich so etwas Ähnliches wie ein Archiv zu haben, in dem praktisch das ganze Leben online gespeichert ist und auf Knopfdruck nachgelebt werden kann. Viele werden es auch tun, werden vor Zuckerberg einen Datenstriptease hinlegen, noch detailreicher als es jetzt üblich.

In der heute so exhibitionistisch veranlagten Gesellschaft wird ohnehin das meiste online gestellt, auch wenn einem der Sinn dahinter verborgen bleibt. „Guten Morgen“, „Gute Nacht“, „Welche Krawatte soll ich anziehen?“. Sind wir noch selbstständige Wesen oder von unseren „Freunden“ abhängig, die ohnehin keine sind. Einer meiner (realen) Freunde erfuhr via Facebook, dass sich seine Frau von ihm scheiden lässt – übrigens Wochen nachdem sie es den „Freunden“ auf Facebook in einer Statusmeldung mitgeteilt hat. Viele klickten auf den „Like“-Button, ohne weder die eine noch den anderen persönlich zu kennen.

Das neue Facebook
Es geht künftig nicht mehr nur um Likes, es geht um das Sharen – andere daran teilhaben lassen, was man gerade liest, sieht, hört. Jetzt ist Facebook ein Hearbook, ein Readbook, ein Viewbook, ein Ich-weiß-alles-über-dich-Book. Die neuen OpenGraph-Apps publizieren im neuen Facebook alles, was man macht, in den Ticker (nicht mit Newsfeed verwechseln), vom angesehen Video, über jeden gehörten Song bei Spotify, über gelesene Nachrichten/Artikel bis hin zu jedem Spielstand in einem Spiel. Man kann diese Funktion abschalten. Aber werden das die meisten tun? Schon jetzt wissen viele nicht, wie man mit den Privatsphäre-Einstellungen richtig umgeht.

Datenschutz ist Zuckerberg egal
Zuckerberg ist ein erfolgreicher Geschäftsmann, aber diesem Menschen sind Privatsphäre und Datenschutz egal – man erinnere sich daran, was einer seiner ersten Ideen war, bevor es Facebook gab. Er saugte als Harvard-Student illegal Daten anderer Studenten anderer Unis von Servern, um daraus „Facemash“ zu machen – ein „Hot-or-Not“-Portal, auf dem andere bewerten konnten, wer heiß ist und wer nicht. Facebook weiß mehr über uns, als wir uns ausmalen können. Der Satz klingt wie eine Floskel, denn er ist auch für die Datenkrake Google gültig.

Beim Surfen durch das Netz werden, ohne dass es der Benutzer merkt, auf Seiten, die den Facebook-Button integriert haben, nicht nur die URL der besuchten Webseite, sondern auch eine Kennung an Facebook geschickt – und diese Kennung ist zumindest bei dort angemeldeten Nutzern direkt mit einer Person verknüpfbar. Damit lassen sich wiederum Surfprofile der Nutzer erstellen, ich behaupte auch, dass man Persönlichkeitsprofile daraus erstellen kann. Kombiniert mit den Informationen und Daten, die die User freiwillig auf dem Portal posten, ergibt sich daraus eine aussagekräftige Akte. Dies ist übrigens auch einer der Gründe, warum die futurezone diese Woche die

eingeführt hat, wir sehen es als unsere Verpflichtung an, die Privatsphäre der Webbesucher zu schützen.

Diesem Menschen – eigentlich paradox, denn er hat ja das größe „Freundes-Netzwerk“ geschaffen -, ist Freundschaft egal, er kennt sie nicht. Man erinnere daran, wie er seinen Freund Eduardo Saverin behandelt, hintergangen hat, der mit ihm gemeinsam Facebook entwickelt hat. Der gleiche Saverin, der jetzt übrigens bei Jumio/Netswipe, dem Bezahlservice des Österreichers Daniel Mattes beteiligt ist. Zuckerberg opfert Freundschaften für seinen Erfolg. Wie nahe Filme an der echten Realität sind, bleibt dahingestellt, aber „The Social Network“, in dem Zuckerbergs Leben und die Geschichte Facebooks erzählt werden, sollte viele misstrauisch stimmen. Zuckerberg ist eine Mischung aus Genie und Wahnsinn, eigentlich ein unsozialer, egozentrischer Typ, einer, mit dem ich nie Freund sein könnte.

Wir alle sind Big Brother
Zuckerberg ist kein Big Brother, um diese überstrapazierte Bezeichnung zu verwenden. Zuckerberg erfindet nur diese an die Gegenwart angepassten Big-Brother-Methoden. Die Mitglieder sind selbst ihr eigener Big Brother, sie scheren sich wenig um ihre eigene Privatesse, posten Dinge, die andere eigentlich nichts angehen (sollten), stellen Fotos online, die – im Web schreibt man nicht mit Kreide – sich nicht mehr löschen lassen. Und dass das Online-Leben das echte ziemlich nachhaltig beeinflussen kann, ist hinreichend bekannt. Erst am Donnerstag wurde wieder einmal bekannt, dass

, facebooken oder xingen lassen und dass jedes zehnte Unternehmen den Kandidaten nach dieser simplen Online-Recherche abgewiesen hat -  Facebook ist „creepy“ geworden, echt gruselig.

Mehr zum Thema

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Kommentare