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Hass im Netz: Verantwortung nicht an Facebook auslagern

Staaten machen es sich heutzutage einfach. Sie wollen Probleme an private Unternehmen auslagern, anstatt sich selbst darum zu kümmern. Etwa dann, wenn es um Hass und terroristische Inhalte im Netz geht.

Einmal mehr forderte am Montag mit dem deutschen Bundesinnenminister Thomas de Maiziere ein Politiker von Facebook, offene Aufrufe zu Hass oder terroristischen Anschlägen ohne Extra-Aufforderung eines Staates von dem sozialen Netzwerk zu entfernen. Diese Form von privatisierter Rechtsdurchsetzung ist aber in mehrfacher Hinsicht gefährlich.

Wo sind die Grenzen?

Natürlich spricht nichts dagegen, Inhalte, die in den jeweiligen EU-Ländern gesetzlich verboten sind, sofort zu löschen. Wie z.B. Bilder vom Hakenkreuz in Deutschland, weil dies gegen das Verbotsgesetz verstößt. Aber wenn es um Meinungsäußerungen an der Grenze der Legalität geht, sollten private Unternehmen nicht selbst entscheiden müssen, ob sie die Inhalte löschen.

Es ist nicht immer einfach zu beurteilen, was „verbotene“ Inhalte sind, und was nicht - ob es sich bei manchem Video oder Text um einen extremistischen Inhalt handelt oder um eine strafrechtlich relevante Drohung. Wo ist die Grenze zwischen zorniger Kritik, Zorn, Wut und Raserei und gesetzeswidrigen Hasspostings? Das entscheiden in einem demokratischen Staat normalerweise Gerichte. Warum also nicht die Staatsanwaltschaften aufrüsten, anstatt mit Facebook einen privaten Konzern über die Grenzen entscheiden zu lassen?

Verhinderte Strafverfolgung

Wenn Facebook etwa automatisiert Inhalte löscht, kann dies dazu führen, dass strafrechtlich relevante Inhalte vor Gericht am Ende nicht mehr als „Beweis“ herangezogen werden können – weil sie schlichtweg nicht mehr im Netz existieren. Die Strafverfolgung wird dadurch verhindert. In Demokratien sollten daher immer rechtsstaatliche Mittel die erste Wahl sein.

Erschwerend hinzu kommt Folgendes: Facebook hat mit seinen mehr als 1,7 Milliarden aktiven Nutzern bereits viel Macht. Seine Regeln schafft es sich selber: Das Netzwerk löscht Fotos von stillenden Müttern oder nackten Brüsten und zensiert auch Inhalte, die in vielen Ländern der Welt völlig legal wären.

Keine Kontrolle mehr

Fordert man nun als Staat – oder gar als EU - von Facebook, völlig selbstständig zu entscheiden, was gelöscht werden soll und was nicht, öffnet man damit eine neue Tür zu einer neuen Zensurinfrastruktur, die sich am Ende gar nicht mehr kontrollieren lässt.

Als Staat sollte man es sich daher nicht so einfach machen und die Probleme einfach auslagern. Stattdessen sollte man sich diesen stellen und lernen, als Gesellschaft damit umzugehen. Facebook noch mehr Macht zu geben gehört nicht zu diesen Lösungswegen.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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