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"Sony hat den Angriff verdient"

Die Kompromittierung des Playstation Online-Dienstes reiht sich als jüngstes Beispiel von gezielten Attacken auf Großunternehmen ein. Im Zuge der Wikileaks-Proteste sorgten bereits Ende vergangenen Jahres Vergeltungsaktionen des Internetkollektivs Anonymous gegen Finanzdienstleister wie PayPal, Mastercard und Visa für Aufregung. Ob es sich im Fall des japanischen Elektronikriesen um einen ähnlich gearteten Denkzettel handelt, ist völlig unklar. Teile der lose organisierten Protestbewegung haben dem bereits deutlich widersprochen. Und auch Sony hat offiziell mitteilen lassen, dass bisher keine Verbindungen zu Anonymous gefunden wurden.

"Operation Sony"
Nichtsdestotrotz stand auch Sony seit Anfang April im Rahmen der „Operation Sony“ im Fokus der Hacktivisten. Auslöser war der durch Sony angestrengte Prozess gegen den Hacker Georg Hotz und die damit verbundene gerichtliche Anordnung. Diese hatte die Offenlegung der IP-Adressen, und somit Identitäten sämtlicher Besucher seiner Website zur Folge. Das Vorgehen des Unternehmens unter Verwendung seine überlegenen Ressourcen gegen den findigen Hacker löste breiten Protest in der Internet- und im speziellen der Hackergemeinschaft aus.

Die Informationsfreiheit gilt als einer der höchsten Grundsätze unter Hackern. Genauso gilt die Umgehung von Zugriffsbarrieren auf Computer- und Netzwerksystemen zum Forschungszweck aber auch einfach nur zum Spaß als erstrebenswert, solange fremdes Eigentum und die Privatsphäre Betroffener gewahrt wird. Aus dieser Perspektive werden Unternehmen wie Sony grundsätzlich sehr skeptisch betrachtet, da sie Intransparenz sowie Nutzungs- und Zugriffsbeschränkungen als wichtige Elemente ihrer Marktstrategien einsetzen.

Geohot repräsentiert Hacker-Ideale
Die Veröffentlichung des Root Key der Playstation 3 durch den unter dem Pseudonym „geohot“ bekannten Hotz entspricht hingegen beinahe exemplarisch den Idealen der Hacker-Community. Denn mithilfe des Schlüssels lassen sich die herstellerseitigen Nutzungseinschränkungen der Hardware weitgehend aushebeln. Dadurch können User auch eigene Software installieren, die von Sony nicht autorisiert wurde. Dass der Einsatz des Schlüssels - wie auch Sony befürchtete - zur Herstellung von illegal kopierten Spielen denkbar ist, mag zwar stimmen. Der 21-jährige Hacker nahm aber analog zu den vorher zitierten Idealen der Community dezidiert von solch einem Anwendungsszenario Abstand.

Die Frage bleibt nun, ob es gerechtfertigt ist, Unternehmen wie Sony durch einen derartigen Angriff eine Lektion zu erteilen. Angesichts der Vorgeschichte mögen viele versucht sein zu sagen oder zumindest zu denken: „Sony hat den Angriff verdient.“ Die von Anonymous durchgeführten Attacken auf Unternehmen und Organisation halten den ethischen Grundsätzen der Hacker-Community aber eindeutig nicht stand, da die Unternehmen als auch User schwerwiegend geschädigt wurden.

Willkürliche Zerstörung kein Weg
Dabei gilt festzuhalten, dass sich bei den Mitwirkenden in der Regel auch nicht um Hacker im eigentlichen Sinn, sondern lediglich um Internetaktivisten handelt, die sich mit den vage formulierten Zielsetzungen des Kollektivs identifizieren. Bei den bisherigen AngriffenSony einmal augenommen – wurden folglich auch herkömmliche Lasttest-Anwendungen für Netzwerke (LOIC) eingesetzt, um gezielt Internetauftritte in die Knie zu zwingen.

In gewisser Weise ist das Vorgehen verständlich, denn wo findet man die Gelegenheit, mit internationalen Großkonzernen auf Augenhöhe zu stehen, wenn nicht im Internet? Die Verteidigung der weitreichenden Möglichkeiten, die das Internet unserer Wissensgesellschaft bietet, ist ein hehres Ziel. Umso wichtiger erscheint folglich auch die Verankerung in einer Kultur des Forschens und eines konstruktiven Ansatzes. Diese ureigenen Werte der Hackergemeinschaft gilt es mit aller Kraft zu schützen. Willkürliche Zerstörung kann hingegen niemals die Lösung sein. Durch so ein Vorgehen werden genau jene Ideale der Hacker-Community verletzt.

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