© Jens Büttner, apa, dpa

Wissenschaft & Blödsinn

Wenn der Verstand baden geht: Belebtes Wasser

Belebtes Wasser ist eine großartige Erfindung. Es schmeckt besser als gewöhnliches Wasser, es senkt den Bedarf an Waschmittel, hält Lebensmittel frisch und heilt Krankheiten. Bei wissenschaftlichen Tests stellen sich diese Behauptungen zwar als falsch heraus, aber das sollte uns hier nicht stören. Entscheidend ist: Wenn man Wasser mit Begriffen wie „belebt“, „energetisiert“ oder „informiert“ schmückt, dann verkauft es sich blendend, und das ist doch das Wichtigste.

Anbieter gibt es mittlerweile viele, und eine Flasche belebtes Wasser kann schon mal ähnlich viel kosten wie eine gute Flasche Wein. Trotzdem enthält sie bloß genau das, was auch gratis aus der Leitung kommt: Wasser, H2O, mit ein paar der üblichen Mineralstoffe. Man kann es chemisch untersuchen, man kann es mit Strahlen durchleuchten, man kann es filtern, destillieren oder zentrifugieren – Unterschiede wird man keine finden. Wasser ist Wasser ist Wasser.

Der Vorteil von belebtem Wasser, so erklären die Spezialwasserverkäufer allerdings, liegt in geheimnisvollen Informationen, mit denen es aufgeladen wurde. Das wäre ja möglich, es gibt viele Möglichkeiten, Information ins Wasser zu übertragen: Man kann einen Speicherchip in der Flasche versenken, man kann Fingernägel hineinschnippeln und das Wasser mit DNA anreichern, man kann es einfrieren und dann ein Sonett in die Eisplatte meißeln. Doch keine dieser Varianten scheint in der Branche besonders verbreitet zu sein.

Rein, klar, flüssig

Auch „beleben“ lässt sich Wasser problemlos, zum Beispiel wenn man einen Goldfisch hineinsetzt. Und wenn man das Aquarium dann auf die Herdplatte stellt, dann wird der Energiegehalt des Wassers erhöht. Fischsuppe könnte man als zuerst belebtes und dann energetisiertes Informationswasser bezeichnen, doch das ist in der Wasserzauberbranche natürlich nicht gemeint. Wer teures Esoterik-Wasser kauft, der bekommt reines, klares, flüssiges Wasser. Und das lebt nicht, kann keine Information speichern und hat genauso viel Energie wie gewöhnliches Leitungswasser.

Und trotzdem, so heißt es, ist dieses Wasser ganz toll für Pflanzen, wenn man sie damit gießt. Gleichzeitig ist es aber ganz schädlich für die lästigen Pflanzen im Swimmingpool, die kann man damit nämlich fernhalten. Offenbar kann das Wasser zwischen erwünschten und unerwünschten Gewächsen unterscheiden. Belegt wird das dann nicht durch Laboranalysen sondern oft durch Kundenbefragungen. Man verkauft einer Firma ein teures Wasserbelebungssystem und fragt den Verantwortlichen ein paar Monate später: Finden Sie, dass das ein guter Kauf war, oder wollen Sie hiermit zugeben, Firmengeld verschwendet zu haben? Hymnische Rückmeldungen sind garantiert.

Ausgefeilte Technik

Wirklich spannend ist aber nicht das Zauberwasser selbst, sondern die ausgefeilte Technik, die man verwendet, um aus billigem Wasser teures Wasser herzustellen. Man kann Kristalle oder Metallstäbe kaufen, die man ins Wasser legt um es energetisch aufzuladen. Man kann mit teuren Elektrogeräten Information ins Wasser hineinfunken. Man kann aber auch direkt an der eigenen Wasserleitung eine Belebungs-Vorrichtung installieren lassen, damit im ganzen Haus überall nur noch Lebensenergie-Spezialwasser aus der Leitung kommt.

Das Leitungswasser fließt dann an einem kleinen Metallbehälter vorbei, in dem hochqualitätsvolles Energie-Wasser enthalten ist. Direkten Kontakt gibt es zwar nicht, aber auf unerklärliche Weise wird das gewöhnliche Wasser durchs Vorbeifließen dann auch zum belebten Informations-Wasser. Die energetisch-belebte Wasserinformation lässt sich einfach so kopieren.

Dieser Mechanismus ist tatsächlich beeindruckend – und so simpel, dass man ihn unbedingt in großem Stil anwenden sollte. Wenn Österreich in der Donau, gleich bei der deutschen Grenze, eine riesige Wasserenergetisierungs-Anlage einbauen würde, dann wären flussabwärts im Osten alle wesentlichen Probleme mit einem Schlag gelöst. Die Umwelt würde aufblühen, die Gesundheit würde sich verbessern, und von den Nachbarstaaten, in die das wertvolle Wunderwasser dann weiterfließt, könnte man stattliche Gebühren verlangen. Der Staatshaushalt wäre saniert.

Allerdings: Wenn sich die lebensspendende Energie-Information des Wassers ganz von selbst ausbreitet, wie eine ansteckende Krankheit, und im Vorbeifließen anderes Wasser verbessert, müssten dann nicht eigentlich schon all unsere Flüsse belebt, informiert und energetisiert sein? Mehr noch: Es gibt auch belebten Schnaps zu kaufen, der mit belebtem Wasser hergestellt wurde – durch Verdampfen wird die segensreiche Lebensinformation im Wasser also offensichtlich nicht zerstört. Das bedeutet, dass aus den mittlerweile energetisierten Weltmeeren energetisierter Wasserdampf aufsteigt, der in Form von energetisierten Wolken energetisierten Regen über uns bringt.

Mein Verdacht ist: Es gibt auf der ganzen Welt kein gewöhnliches Wasser mehr, weil mittlerweile sämtliche Wasservorkommen der Erde belebt, informiert und energetisiert wurden. Daher ist es auch so schwierig, im Labor Unterschiede zwischen belebtem und nicht belebtem Wasser zu finden. Wir sollten der esoterischen Wasserbelebungsindustrie dafür ewig dankbar sein. Nur ihre Produkte müssen wir jetzt natürlich nicht mehr kaufen, die fallen nun schließlich gratis vom Himmel.

Florian Aigner ist Physiker und Wissenschaftserklärer. Er beschäftigt sich nicht nur mit spannenden Themen der Naturwissenschaft, sondern oft auch mit Esoterik und Aberglauben, die sich so gerne als Wissenschaft tarnen. Über Wissenschaft, Blödsinn und den Unterschied zwischen diesen beiden Bereichen schreibt er jeden zweiten Dienstag in der futurezone.

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Florian Aigner

Florian Aigner ist Physiker und Wissenschaftserklärer. Er beschäftigt sich nicht nur mit spannenden Themen der Naturwissenschaft, sondern oft auch mit Esoterik und Aberglauben, die sich so gerne als Wissenschaft tarnen. Über Wissenschaft, Blödsinn und den Unterschied zwischen diesen beiden Bereichen, schreibt er regelmäßig auf futurezone.at und in der Tageszeitung KURIER.

mehr lesen
Florian Aigner

Kommentare