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Analyse

Wie der Motorola-Deal (fast) alle glücklich macht

Die Nachricht traf die Techbranche am Mittwoch wie ein Blitz aus heiterem Himmel: Google verkauft Motorola Mobility an den chinesischen Computerhersteller Lenovo. Nach nur zwei Jahren und für einen sehr viel niedrigeren Betrag als Google selbst 2011 auf den Tisch legte, wandert die Handysparte nun zu ihrem nächsten Besitzer. Doch was zunächst als großes Verlustgeschäft für Google erscheint, ist in Wahrheit gar kein so schlechter Deal.

Wie die New York Times vorrechnet, konnte Google sich nämlich bereits einen guten Teil der investierten 12,5 Milliarden US-Dollar zurückholen. So hat Google bei der Übernahme von Motorola Mobility bereits drei Milliarden US-Dollar an Barreserven und knapp eine Milliarde US-Dollar an Steuerguthaben erhalten. Dies reduziert den Kaufpreis eigentlich auf 8,5 Milliarden US-Dollar.

Darüber hinaus hat sich Google infolge von Motorolas Settop-Box-Geschäft getrennt und darüber nochmals knapp 2,4 Milliarden US-Dollar eingenommen. Damit reduziert sich der reale Kaufpreis von Motorola Mobility auf 6,1 Milliarden. Wenn nun noch die 2,91 Milliarden US-Dollar hinzugerechnet werden, die Lenovo für die Handysparte bezahlt, bleiben für Google also nur noch 3,2 Milliarden übrig.

WinWin-Situation für alle Beteiligten

Googles Erwartungen an das Geschäft mit Motorola waren im Vorfeld sicherlich überzogen, dem Konzern war es auch nicht gelungen, mit der Sparte in die schwarzen Zahlen zu kommen. Angesichts dessen, dass sich der Internetriese künftig auch die überwiegende Mehrheit (rund 15.000) der erworbenen Patente behalten wird, erscheint der Verkauf durchaus vernünftig. Für Lenovo öffnet Motorola eine Tür in den hart umkämpften US-Markt, zu dem der chinesische Konzern sonst wohl nur schwer Zugang gefunden hätte, wie auch Marktbeobachter anmerken. Analyst Frank Gillett vom Marktforscher Forrester etwa ist überzeugt, dass das chinesische Unternehmen mit Motorola nun auf den westlichen Märkten viel rascher Bekanntheit erlangen wird. "Es ist eine Win-Win-Situation," urteilte auch Analyst Tim Bajarin von Creative Strategies im Silicon Valley.

Gleichzeitig kann Google im Idealfall nun mit Android stärker in den chinesischen Markt vordringen. Dass sich Google und Samsung nun als neue Freunde gegenüberstehen, könnte ohnehin eine der spannendsten Entwicklungen der Branche in diesem Jahr mit sich bringen.

Google-Aktie profitiert

Auch auf die Google-Aktie wirkte sich die Ankündigung des Deals, der noch von den Behörden abgesegnet werden muss, positiv aus. Das Papier legte nach der offziellen Verkündung nachbörslich umgehend um 2,6 Prozent zu.

Lenovo wird Google 660 Millionen US-Dollar in bar und 750 Millionen in eigenen Aktien bezahlen. Außerdem kommt ein Schuldschein über 1,5 Milliarden US-Dollar hinzu. Die Chinesen erhalten dafür den eher kleinen Anteil von 2.000 Patenten sowie die Marke Motorola Mobility. "Die Akquisition einer solchen Kultmarke, eines innovativen Produktportfolios und eines unglaublich talentierten internationalen Teams wird Lenovo mit einem Schlag zu einem starken weltweiten Wettbewerber im Smartphone-Geschäft machen", so Lenovo-Chef Yang Yuanqing.

Selbstbewusst

Dass man sich im Smartphone-Geschäft noch viel stärker durchsetzen wird, davon zeigte sich Yuanqing bereits im futurezone-Interview im vergangenen Sommer überzeugt. Im chinesischen Heimatmarkt ist Lenovo bereits die Nummer zwei hinter Samsung, das will der Konzern nun auch im Ausland schaffen. Dass man sich Hilfe durch Zukäufe dafür holen wird, daraus machte der Lenovo-Chef ebenfalls keinen Hehl. “Wir können uns vieles kaufen, uns vieles leisten”, so Yuanqing mit Verweis auf drei Milliarden US-Dollar Geldreserven.

Nutzer sind skeptisch

Welche Auswirkungen der Deal auf die Endkunden haben wird, ist jedoch noch ungewiss. Immerhin sind Smartphones wie das Moto G, das aus der Partnerschaft von Google und Motorola entstand, insbesondere in den USA sehr populäre Geräte. Unter Lenovo wird man damit rechnen müssen, dass sich die Produktion verändert. Bleibt also fraglich, ob auch künftig mit solch preiswerten, aber gleichzeitig auch technisch attraktiven Flagship-Modellen zu rechnen sein wird.

Viele Nutzer zeigen sich schon kurz nach Bekanntwerden des Motorola-Verkaufs an Lenovo skeptisch. Im bekannten Androidforum XDA Developers melden bereits viele eingefleischte Fans Zweifel an und zeigen sich unglücklich über die neue Situation auf dem Smartphone-Markt.

Google Play Editions

Doch nicht nur an diesem Ende der Nutzerseite könnte es schon bald zu Veränderungen kommen. Es stehen auch Spekulationen über Googles selbstvermarktete Nexus-Reihe im Raum. Der Brancheninsider Eldar Muratzin von Mobile-Review.com deutete vor einigen Tagen auf Twitter an, dass die Nexus-Linie 2015 bereits Geschichte sein könnte. Hier spielt vor allem der neue Kuschelkurs mit Samsung eine Rolle. Ergebnis dessen sowie die Zusammenarbeit mit anderen Hardware-Firmen könnte sein, dass es statt der Nexus-Geräte künftig eine “Google Play Edition” pro jeweiligem Hersteller gibt.

Mit diesen Google Play Editions startete der Internetkonzern bereits im Vorjahr einzelne Versuche. Ob dafür die besonders bei der Kernzielgruppe beliebte Nexus-Reihe wirklich geopfert wird, bleibt vorerst aber Spekulation.

Mehr Druck auf Apple und HTC?

Einen der großen Tech-Konzerne könnte der Deal vielleicht nicht so sehr freuen. Glaubt man Analystenmeinungen, so könnte Apple nun nämlich noch mehr unter Konkurrenzdruck geraten. Durch die Übernahme von Motorola seitens Lenovo würden die Apple-Konkurrenten nämlich sowohl innerhalb der USA als auch auf internationaler Ebene gestärkt. “Aus Apples Sicht bedeutet das, dass Samsung stark und eng verbunden mit Google bleiben wird”, so Frank Gillett von Forrester zur Agentur AFP. Parallel dazu strebe nun auch Lenovo eine ähnliche Postion wie Samsung an und wolle vor allem in Wachstumsmärkten noch viel mehr zulegen - alles ausgehend von seiner Position in China.

Im Android-Lager ist die angedeutete enge Zusammenarbeit Googles mit Lenovo am ehesten für HTC eine schlechte Nachricht. Das im Zuge der frühen Android-Erfolgswelle gewonnene gute Standing wurde leichtfertig verspielt. Mit dem HTC One gelang dem Konzern zwar vom Gerätedesign ein schöner Achtungserfolg, die verlorenen Marktanteile konnten bisher aber nicht zurückerobert werden. "Keine Frage, der Deal wird HTC gerade auf dem US-Markt gehörig unter Druck bringen", kommentierte Gartner-Analystin Carolina Milanesi unmittelbar nach Bekanntgabe des Deals auf Twitter.

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Claudia Zettel

ClaudiaZettel

futurezone-Chefredakteurin, Feministin, Musik-Liebhaberin und Katzen-Verehrerin. Im Zweifel für den Zweifel.

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