Beim Retina-Scan wird nicht die Iris, sondern die Netzhaut und der einzigartige Aufbau der Nervenzellen gescannt. Jener kann aber etwa durch Krankheiten beeinflusst werden, was ein Problem dieser Authentifizierungsmethode ist.
Beim Retina-Scan wird nicht die Iris, sondern die Netzhaut und der einzigartige Aufbau der Nervenzellen gescannt. Jener kann aber etwa durch Krankheiten beeinflusst werden, was ein Problem dieser Authentifizierungsmethode ist.
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Adresshandel: Das Geschäft mit unseren Daten

Der Wiener Martin Z. hat vor 15 Jahren im Internet bei einem Gewinnspiel von der Bertelsmann Gruppe mitgemacht. Zu gewinnen gab es ein Auto. Damals hat Martin Z. gerade seinen Führerschein gemacht und zu studieren begonnen. Ein Auto, das wäre schon Luxus gewesen damals. Er tippte seine Adresse und Telefonnummer ins Internet-Formular ein und schickte es ab.

Das Auto hat Martin Z. freilich nicht gewonnen. Doch was dann passierte, bleibt Martin Z. bis an sein Lebensende in Erinnerung: Die Werbe-E-Mails stapelten sich in seinem Postfach, die Werbeprospekte in seinem Brieffach und ständig riefen ihn am Handy Firmen an, die ihm etwas verkaufen wollten. Jeden Tag aufs Neue ging das Spiel von vorne los. Woher sie seine Telefonnummer haben (er stand nicht im Telefonbuch), wollte Martin Z. von den Anrufern wissen. Schweigen. Selbst 15 Jahre später versuchen noch immer Firmen, Martin Z. diverse Angebote zu unterbreiten.

Solche Gewinnspiele wie vor 15 Jahren gibt es im Internet immer noch.

Gigantischer Daten-Pool

Was war passiert? Martin Z. hat im Zuge des Gewinnspiels zugestimmt, dass seine Daten von der arvato AG zu Werbezwecken verwertet werden dürfen. Die arvato AG ist Teil der Bertelsmann Gruppe und hat mit AZ Direkt ein Tochterunternehmen, das zu den größten Adresshändlern im deutschsprachigen Raum zählt. Die Daten von Martin Z. landeten in einem gigantischen Daten-Pool, das von vielen Firmen zum Direktmarketing herangezogen wird. Seine Daten liegen längst nicht mehr „nur“ in den Händen der arvato AG, sondern sie wurden an zahlreiche Kunden aus der Versicherungs- und Finanzbranche, der Autoindustrie und dem Handel weiterverkauft. Deshalb wird Martin Z. selbst heute noch viel häufiger mit gezielten Werbeanrufen und –aussendungen konfrontiert als so manch anderer.

Martin Z. existiert wirklich – und ist kein Einzelfall. Er ist ein Beispiel dafür, welche Konsequenzen es haben kann, wie man mit seinen persönlichen Daten umgeht. Und dass die Auswirkungen jahrezehntelang spürbar sein können. Heutzutage ist man bei Gewinnspielen im Internet in der Regel vorsichtiger als vor 15 Jahren. Doch liest sich wirklich jeder die AGB durch, der seine Daten ins Online-Formular eingibt? Außerdem: Selbst wenn in den Teilnahmebedingungen steht, dass die Daten im Zuge der arvato AG für Werbezwecke verwendet werden dürfen, rechnet kein Mensch damit, dass mit diesen Daten auch gehandelt wird und diese mit anderen Daten von uns zusammgenführt werden.

Konsumenten wissen nichts

„Viele Unternehmen betrachten uns nur mehr als Risikofaktoren. Sie sammeln Daten über uns, schätzen uns ein, stecken uns in Schubladen und berechnen Zahlenwerte über uns - zum Beispiel darüber wie riskant oder wie profitabel wir sind. Gleichzeitig können wir oft nicht mehr nachvollziehen, welche Daten über uns und unser Verhalten erfasst werden, an wen sie weitergegeben und verkauft werden, welche Schlüsse daraus gezogen werden und welche Entscheidungen auf Basis dessen über uns gefällt werden. Eine zukünftige Gesellschaft, in der kommerzielle Überwachung allgegenwärtig ist, könnte massiven Einfluss auf unser Leben, unser Verhalten und unsere Chancen haben.", so Wolfie Christl, der die Studie „Kommerzielle digitale Überwachung im Alltag" durchgeführt hat. Denn das Geschäft mit den persönlichen Daten hat sich seit den Anfängen im Adresshandel weiterentwickelt.

Wolfie Christl
"Alteingesessene Adresshändler, Wirtschaftsauskunfteien oder Betreiber von Kundenkartensystemen bekommen ganz glänzende Augen, wenn sie an die umfassenden Daten über unser Online-Verhalten denken. Diese Unternehmen sind schon jetzt sehr gut darin, uns möglichst genau einzusortieren und in Schubladen zu stecken. Im besten Fall bekommen wir ganz personalisiert genau die Angebote, die uns interessieren. Im schlimmsten Fall bekommen wir vom Online-Shop über die Bank bis zur Versicherung manche Angebote nur mehr teurer als andere - oder überhaupt nicht, weil wir etwa als zu unprofitabel oder zu riskant eingestuft werden", so Christl zur futurezone über die größte Gefahr, die auf uns als Gesellschaft zukommt.

So funktioniert das Geschäft

Um als Adresse und Telefonnummer im Datenpool von großen Datenhändlern zu landen, muss man nicht einmal bei einem Gewinnspiel im Internet mitmachen. Es reicht, wenn man einmal etwas beim Erotikversand Beate Uhse bestellt, ein Abo der Wochenzeitung „Die Zeit“ abschließt, oder Kunde des „RTL Clubs“ ist. Diese Daten landen nämlich in der Datenbank von AZ Direkt, der Tochter der arvato AG. Datensätze, fein säuberlich sortiert nach Alter und Geschlecht, über 374.900 Leser und ehemaligen Abonnenten der „Zeit“, 510.000 aktiven Kunden des „RTL Clubs“ und 270.200 aktive Käufer von Beate Uhse werden von dem deutschen Adresshändler angeboten.

Datensätze mit Adressen der vergangenen sechs Monate kosten 150 Euro pro Tausend, über ein Jahr alte Adressen 140 pro Tausend, wie Christl in seiner Studie erwähnt. Der Datenhändler hat auch Listen mit 161.900 „ökologiebewussten Personen“, 64.700 „spendenaffinen Akademikern“ oder 460.700 Lehrern im Sortiment. Ähnlich wie Martin Z. nicht weiß, in welchen Datenbanken seine Daten gelandet sind, wissen auch all diese Personen nichts vom Handel mit ihren Daten. Wenn also die „spendenaffinen Akademiker“ von Tierschutzorganisationen kontaktiert werden, oder die „ökologiebewussten Personen“ von Herstellern mit energieeffizienten Produkten, ist das bestimmt kein Zufall. Bewusst darüber sind sich sicherlich nur wenige.

Verknüpfung mit Online-Daten

In den USA gibt es bereits Datenhändler, die sowohl in Bezug auf Menge und Umfang der gesammelten persönlichen Daten als auch in Bezug auf die Art der Verwendung weit über das hinaus gehen, was Firmen in Österreich oder Deutschland anbieten. Eines dieser US-Unternehmen ist Acxiom. Acxiom verfügt über einen der größten Bestände an Daten über Konsumenten aus der ganzen Welt. 3000 einzelne Eigenschaften von mehr als 700 Millionen Menschen sollen von der Firma gesammelt worden sein – auch in Europa.

Wenn Martin Z. also an der Supermarkt-Kassa steht, nach seiner Postleitzahl gefragt wird und mit seiner Kreditkarte zahlt, kann Acxiom den Einkauf aufgrund dieser Angaben persönlich zuordnen. Doch die Möglichkeiten von Acxiom gehen darüber hinaus: Martin Z. ist begeisterter Bier-Trinker und probiert oft neue Sorten aus. Wenn Martin Z. sich am Abend auf Facebook einloggt, bekommt er dort Werbung für eine neue Biersorte angezeigt. Denn in Rahmen von Partnerschaften mit Facebook und Twitter arbeitet das Unternehmen daran, gezielte Anzeigen in sozialen Netzwerken auf Basis von Einkäufen in Geschäften zu schalten. Drei Millionen Kundendatensätze will der Datenhändler bereits „ins Web gebracht“ haben.

Was können wir dagegen tun?

Besonders problematisch wird all das, wenn derartige Datensätze nicht nur für Direktmarketing-Zwecke herangezogen werden, sondern auch mit Daten aus dem Sektor der Wirtschaftsauskunftsdateien und Inkassoinstitute verknüpft werden, um die Zahlungsmoral und Kreditwürdigkeit von einzelnen Personen zu überprüfen. Hat Martin Z. beispielsweise einmal vergessen, eine Rechnung zu zahlen, kann ihm das in Folge noch mehr zum Verhängnis werden, wie die Teilnahme am Online-Gewinnspiel.

Robinson-Liste
Doch was können Kunden eigentlich gegen adressierte Werbung tun? Studienautor Wolfie Christl erklärt: "In Österreich kann man sich in die sogenannteRobinson-Liste eintragen, dann bekommt man keine unerwünschte persönliche adressierte Werbung mehr und wird aus den Listen von Direktwerbefirmen und Adressverlagen gestrichen. Darüber hinaus kann man an jedes beliebige Unternehmen einAuskunftsbegehrenschicken. Die Firmen müssen innerhalb von acht Wochen eine Aufstellung der gespeicherten personenbezogenen Daten zuschicken - einmal pro Jahr kostenlos."

"Firmen sitzen am längeren Ast"

Es gibt auch mittlerweile Ansätze, dass Konsumenten den Handel mit persönlichen Daten nicht mehr Firmen überlassen, sondern selbst in die Hand nehmen. Diese Entwicklung sieht Christl vorerst kritisch: "Manche schlagen vor, dass wir doch gezielter mit unseren Daten handeln sollten. Aktuell profitieren aber hauptsächlich die Unternehmen von unseren persönlichen Daten, die wir denen noch dazu viel zu billig überlassen. Ich halte wenig davon, solange die Unternehmen derart intransparent mit unseren Daten umgehen. Wer das möchte, bitte gern. Aber ich befürchte, die Firmen sitzen einfach am längeren Ast."

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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