© Tamara Gmaschisch, kba

Datenschützer

ARGE Daten: Chaos bei Vorratsdatenspeicherung

"Der größte Grundrechtseingriff in der zweiten Republik ist chaotisch und dilettantisch organisiert", sagt Hans Zeger von der ARGE Daten. In einer Aussendung kritisiert der Datenschützer, dass bei der Vorratsdatenspeicherung, die am Sonntag in Österreich in Kraft trat, grundlegende Mindeststandards im Datenschutz nicht erfüllt werden.

So sei etwa die  vom Bundesrechenzentrum im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie (bmvit) eingerichtete Durchlaufstelle (DLS), die Vorratsdaten von Anbietern zu Polizei und Justiz weiterleitet, nicht zeitgerecht bei der Datenschutzkommission (DSK) gemeldet worden, kritisiert die ARGE Daten. Der Betrieb erfolge daher gegen die Bestimmungen des Datenschutzgesetzes.

"Offen, ob Meldepflicht für Durchlaufstelle besteht"
Im Vekehrsministerium stellt man das in Abrede. Eine Meldung der Durchlaufstelle sei vergangene Woche erfolgt, sagt ein Ministeriumssprecher. Eine Vorabkontrolle der Durchlaufstelle durch die DSK sei nicht notwendig. Seitens der Datenschutzkommission heißt es, dass man keine Auskunft darüber geben könnte ob eine Meldung erfolgt sei. Es müsse noch rechtlich geprüft werden, ob die Durchlaufstelle überhaupt meldepflichtig sei: "Es ist offen, ob eine Meldepflicht besteht", sagt Gregor König von der Datenschutzkommission.

Viele Provider haben noch nicht gemeldet
Viele Provider, die Vorratsdaten speichern müssen, hätten dies jedoch bei der Datenschutzkommission noch nicht gemeldet, sagt König. "Wir haben einige Meldungen bekommen. Ich gehe aber davon aus, dass noch nicht alle Anbieter, die dazu verpflichtet wären, die Datenspeicherung auch gemeldet haben."

Die Speicherung von Vorratsdaten muss laut dem Datenschutzgesetz von der DSK vorab kontrolliert werden, da strafrechtlich relevante Daten gespeichert werden. Durch die Unterlassung der Pflichtmeldung sei die Speicherung aber trotzdem zulässig, so König: "Provider müssen die Daten aufgrund der gesetzlichen Verpflichtung zur Vorratsdatenspeicherung speichern." Anbietern, die die Datenanwendung nicht gemeldet hätten, drohe nun aber eine Verwaltungsstrafe.

Laut der ARGE Daten wissen aber viele Anbieter gar nicht, ob sie zur Vorratsdatenspeicherung verpflichtet sind. Das Telekommunikationsgesetz (TKG) sieht vor, dass eine Speicherpflicht dann besteht, wenn Anbieter Beiträge an die Rundfunk- und Telekomregulierungsbehörde (RTR) entrichten müssen. Für 2012 gilt für die Beitragspflicht ein Planumsatz von 277.000 Euro. Eine Liste der speicherpflichtigen Provider - insgesamt sind es rund 140 - wird jedoch unter Verschluss gehalten.

Umstrittene Liste
Eine Veröffentlichung der Liste sei nie geplant gewesen, sagt ein Sprecher des Verkehrsministeriums. Die Daten könnten aus Sicht des Ministeriums aber auch veröffentlicht werden: "Es ist aber nicht klar, ob dies auch möglich ist." Das bmvit habe deshalb ein formelles Ansuchen an die ebenfalls mit der Materie befassten Ministerien (Justiz, Inneres und Bundeskanzleramt) gestellt. Auch die RTR wurde in der Frage kontaktiert.

"Unklarheiten bei Anbietern"
Hans Zeger von der ARGE Daten macht sich für die Veröffentlichung der Liste stark. Die Umsatzgrenze von 277.000 Euro sei nur ein Kriterium unter vielen. So gäbe es etwa bei Anbietern, die Zugänge nur weiterverkaufen würden (Wholesale-Anbieter) Unklarheiten. Gewisse Daten würden bei den Wiederverkäufern gespeichert, andere bei den tatsächlichen Telkomanbietern.

Kleinere Anbieter, bei denen die Aufzeichnungspflicht fraglich ist, könnten sich de facto nicht rechtmäßig verhalten, kritisiert Zeger. "Speichern sie ohne Verpflichtung, dann haben sie eine Verwaltungsstrafe am Hals, speichern sie nicht, obwohl später die Polizei meint, sie wären verpflichtet gewesen, dann droht ebenfalls ein teures Verwaltungsverfahren."

"Ministerium muss Krot schlucken"
"Weder die Anbieter noch wir haben das blödsinnige Gesetz formuliert", sagt Zeger: "Das Ministerium muss die Krot jetzt schlucken und den Providern im Einzelfall sagen, ob sie speicherpflichtig sind." Die Situation der betroffenen Anbieter vergleicht Zeger mit einem Autofahrer, der über eine Kreuzung fährt und erst danach erfährt, ob die Ampel rot war oder nicht.

"Speicherpflicht Kriterium für Auswahl des Anbieters"
Auch Bürger hätten ein Recht zu erfahren, wer darunter fällt, sagt Zeger. Die Speicherpflicht könne ein wesentliches Kriterium für die Auswahl des Anbieters sein. Die ARGE Daten will deshalb Betroffene auffordern, Auskunft zu verlangen und notfalls auf Basis der Daten selbst eine Liste der speicherpflichtigen Unternehmen erstellen. "Am Ende des Monats wird die Liste klar sein", sagt Zeger.

Bürger, die wissen wollen, ob ihr Internet- oder Telekombetreiber speicherpflichtig ist oder ob die Speicherung von Vorratsdaten vom Betreiber gemeldet wurden, können eine Anfrage beim Datenverarbeitungsregister der DSK stellen. Eine elektronische Einsichtsmöglichkeit in das Register gibt es derzeit nicht. Anfragen würde jedoch telefonisch oder per E-Mail entgegengenommen, heißt es aus der DSK.

"Üble Geschichte"
Die Vorratsdatenspeicherung sei eine "üble Geschichte", bei der offenbar nichts geplant sei, so Zeger: "Es passiert halt irgendwas." Die rechtlichen Voraussetzungen für alle wichtigen Datenverarbeitungen seien derzeit nicht erfüllt. Die ARGE Daten hat deshalb bei der Datenschutzkommission den sofortigen Stopp der umstrittenen Datenspeicherung gefordert.

Die

, die am Sonntag in Österreich in Kraft trat, sieht die verdachtsunabhängige Speicherung sämtlicher Verbindungsdaten von Telefon, Handy, Internet und E-Mail für sechs Monate vor. Am Samstag
österreichweit zahlreiche Menschen gegen die Datenspeicherung. Auch
gegen die Datenspeicherung sind in Vorbereitung.

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Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

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