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Urheberrecht

Der "Geist" von ACTA lebt weiter

ACTA ist nicht das Ende. ACTA ist der Anfang", sagte Joe McNamee vom Dachverband europäischer Bürgerrechtsorganisationen EDRi

. Auch der deutsche Netzaktivist Markus Beckedahl warnte in einem Interview mit der„Frankfurter Rundschau"davor, dass ACTA unter neuem Namen wieder kommen werde.

Mit dieser Meinung ist er nicht der Einzige. Am wahrscheinlichsten sei ein Comeback von ACTA derzeit durch bisher „eher unbekanntere Hintertüren" wie z.B. CETA, meinte Alexander Sander, Datenschutzbeauftragter des unabhängigen EU-Abgeordneten Martin Ehrenhauser. Hier eine Übersicht über die potenziellen ACTA-"Nachfolger" und ihre Ausläufer.

CETA
Auf CETA – das Comprehensive Economic and Trade Agreement – aufmerksam machte am Montag der kanadische Copyright-Forscher Michael Geist. Dieser hat festgestellt, dass sich in dem zwischen der EU und Kanada geplanten Abkommen teilweise wörtliche Übernahmen aus ACTA wiederfinden. Betroffen seien davon viele Rechtsdurchsetzungsbestimmungen, so Geist - und um zu zeigen, dass dies nicht nur "leere Behauptungen" sind, stellt der Kanadier auch gleich die einzelnen Passagen in einem Blogeintrag zusammen.

Demnach bemüht sich die EU-Kommission zudem darum, das ACTA-Kapitel zu strafrechtlichen Maßnahmen und Kooperationen in CETA aufzunehmen. Darunter würde auch die Aufforderung, dass Internet-Provider bei der Rechtsdurchsetzung stärker als bisher einbezogen werden sollen, fallen. ACTA „durch die Hintertür" wäre damit Realität.

IPRED 2
Neben dem EU-Kanada-Abkommen CETA gibt es auf europäischer Ebene auch noch andere Vorhaben der EU-Kommission, den „Geist von ACTA" weiterzutragen. Es steht etwa die Novellierung der EU-Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (IPRED 2) an. Der offizielle Zeitplan sieht vor, dass die EU-Kommission im Herbst diesen Jahres einen Entwurf vorlegt. „IPRED 2 ist kein direkter ACTA-Nachfolger, aber auch hier ist vorgesehen, dass die Internet Service Provider als Sheriffs eingesetzt werden sollen", erzählte die SPÖ-EU-Abgeordnete Evelyn Regner der futurezone noch vor wenigen Wochen. „Dabei sollten sich Nutzer im Netz auf jeden Fall frei bewegen können. Was wir aber sehr wohl brauchen, ist eine Reform des Urheberrechts", fügte Reger hinzu.

Netzaktivisten können sich allerdings nur noch „schwer vorstellen", dass der Zeitplan eingehalten wird oder aber auch, dass die EU-Kommission tatsächlich „den Mut" besitzt, sie derart repressiv zu gestalten. McNamee von EDRi glaubt außerdem, dass eine derartige Richtlinie, wenn sie tatsächlich in Richtung Netzsperren gehen sollte, vom EU-Parlament nicht mehr so leicht durchgewunken werden könnte wie bisher. „Das EU-Parlament hat nun ein besseres Verständnis dafür, wie gefährlich IPRED ist", so McNamee.

TPP
Laut Beckedahl verhandeln die USA zudem bereits mit diversen „Hardliner"-Staaten wie Japan an einem Nachfolgeabkommen von ACTA. Das TPP, kurz für Transpazifische Partnerschaft, sei „die reine Lehre von Acta". Im Abkommenstext von TPP würden sich viele Punkte wiederfinden, die aus dem Acta-Abkommen vor allem durch die EU verwässert worden seien.

INDECT
Neben ACTA-ähnlichen Vorhaben gibt es auch noch eine Reihe von Überwachungsprojekten wie z.B. INDECT. Das Hacker-Kollektiv AnonAustria twitterte am Tag der ACTA-Ablehnung des EU-Parlaments: „Neues Ziel: #INDECT. Bereitet euch auf einen Kampf vor!" Geplant ist ein „Paperstorm", also eine Informationskampagne per Handzettel, am 28. Juli. INDECT ist Teil eines EU-Forschungsprojekts, das offiziell Ende 2013 ausläuft. Wie es danach mit den Erkenntnissen weitergeht, ist bisher fraglich.

Mit INDECT soll ein intelligentes Informationssystem zur Unterstützung von Überwachung, Suche und Erfassung für die Sicherheit von Bürgern in städtischer Umgebung entwickelt werden. Bis auf eine erfolgreiche Erkennung von Autokennzeichnen dürfte das Projekt bisher allerdings kein allzu großer Erfolg sein, wie eine kurze Übersicht aus dem November 2011 zeigt. Das Gefährliche an INDECT ist allerdings nicht, dass das Projekt im Gesamten ein „Erfolg" wird, sondern dass es sich dabei generell um eine Fusion von Technologien und Techniken handelt, die bereits einzeln in die Grundrechte eingreifen – und die in Kombination nur noch brisanter und gefährlicher werden.

InPoSec
Mit InPoSec, dem „Integrated Postal Supply Chain Security"-Projekt, ist jetzt zudem vor kurzem ein neues, imposantes Projekt aufgetaucht, das in Richtung Überwachung des Paketverkehrs geht. Eigentlich sollen damit Briefbomben vorzeitig entdeckt werden und zwar mittels Terahertzstrahlung, die übrigens auch bei den Nacktscannern zum Einsatz kommt. Es wird allerdings befürchtet, dass diese Technologie künftig auch dafür eingesetzt werden könnte, um „illegale Produkte" auszuforschen und den gesamten Brief- und Paketverkehr in Europa zu überwachen.

Der "Geist" von ACTA lebt also weiter - in Form von Echtzeitüberwachung, Netzsperren oder den Versuch, Internetanschlüsse bei Urheberrechtsverletzungen zu kappen. Netzaktivisten werden allerdings auch - gerade wegen des großen Erfolges bei ACTA - in Zukunft versuchen, die Bevölkerung, die nationalen sowie die EU-Parlamentarier über mögliche Folgen der geplanten Vorhaben aufzuklären.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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