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Creative Commons

Deutscher gründet GEMA-Alternative C3S

An der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien fanden vergangene Woche die Wiener Musikwirtschaftstage statt. Dazu geladen war Meik Michalke, Vorsitzender des Vereins Open Music Contest und Initiator der C3S, eine potenziell zukünftige Verwertungsgesellschaft, die Creative Commons-Lizenzen zulässt. Die futurezone traf den C3S-Initiator im Anschluss zum Gespräch.

Was war die Idee hinter C3S?
Das C3S-Projekt wurde offiziell im Jahr 2010 gestartet. Das Problem, das wir damit lösen wollen, liegt allerdings noch ein paar Jahre weiter zurück. Im Jahr 2005 haben wir den ersten Open Music Contest organisiert, womit wir Musiker über Creative Commons-Lizenzen aufklären wollten. Dabei haben wir festgestellt, dass Creative Commons und Verwertungsgesellschaften nicht kompatibel miteinander waren. Das war ein großes Problem. Aber einfach kein GEMA-Mitglied zu sein, weil man Creative Commons nutzen möchte, ist auch keine Lösung.

Warum nicht?
Da ist man plötzlich von einem Tag auf den anderen von vielen Märkten ausgesperrt. Nur weil man seine Werke unter Creative Commons-Lizenzen stellt, heißt es nicht, dass man auch automatisch auf die Einnahmen verzichten möchte, die erzielt werden, wenn man im Radio oder Club gespielt wird. Dafür braucht es eine Verwertungsgesellschaft, denn die Radiostationen oder Clubs machen keine Verträge mit einzelnen Artists, sondern mit Verwertungsgesellschaften. Zuerst haben wir dann versucht, der GEMA Creative Commons schmackhaft zu machen, aber nach ein paar Jahren war es immer offensichtlicher, dass dies aufgrund struktureller Probleme nicht klappen wird.

Was sind das für strukturelle Probleme?
Um in der GEMA mitstimmen zu können, muss man 30.000 Euro in fünf Jahren verdienen, um für ein Stimmrecht bei der Generalversammlung überhaupt in Frage zu kommen. Alle anderen Mitglieder, das sind 95 Prozent, werden von ein paar Delegierten vertreten. Je mehr man verdient, desto besser sind die Chancen, bei der Generalversammlung ein Stimmrecht zu haben. Es ist aber logisch, dass diejenigen, die im System das Sagen haben, kaum ein Interesse daran haben, es zu ändern. Für uns war daher die einzige Lösung, unsere eigene Verwertungsgesellschaft zu gründen. Diese wird ähnliche Dinge tun wie die GEMA, aber in manchen Punkten wird sie sich unterscheiden. Wir wollen beispielsweise alle Creative Commons-Lizenzen respektieren und akzeptieren.

Wie weit ist das Projekt bisher?
Mitte Juli starten wir unsere Crowdfunding-Kampagne, um damit Geld zu sammeln für die Gründung der Genossenschaft. Diese Phase startet im September, danach werden wir beginnen, an der Infrastruktur zu arbeiten. In zwei bis drei Jahren werden wir dann die Lizenz beim zuständigen Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) beantragen können.

Warum dauert das alles so lange?
Das liegt daran, dass wir alle in unserer Freizeit an C3S arbeiten. Wir sprechen zwar mit sehr vielen Menschen im Business, die davon begeistert sind, und viele warten auch schon eifrig darauf, aber wir sind nur acht Menschen im Kernteam und weitere 50 die im Schwarm agieren und für uns Werbung mit Flyern machen, oder unsere Idee verbreiten. Darunter befinden sich auch Menschen aus Österreich, Island, Belgien und Frankreich. In zehn Jahren soll das Projekt eine europäische Verwertungsgesellschaft geworden sein.

Erst in zehn Jahren? Wann kann man in Österreich damit rechnen?
Künstler aus dem Ausland können Mitglied der Verwertungsgesellschaft werden, bekommen dann aber nur dort die Rechte vertreten, wo die Verwertungsgesellschaft bereits anerkannt ist. Die Frage ist, ob die C3S eine Lizenz in Österreich bekommt. Da muss man die Voraussetzungen kennen, um als Verwertungsgesellschaft anerkannt zu werden. Da sind im Augenblick noch ganz viele Variablen offen, durch die Art und Weise wie Verwertungsgesellschaften reglementiert sind und was sich auf EU-Ebene in dem Bereich tut. Beispielsweise stellt sich die Frage, ob die Regeln, die jetzt im Augenblick gelten, dann noch gelten, wenn wir so weit sind. Je nachdem wie die EU entscheidet, wird das ein wesentlicher Punkt sein.

Von der GEMA gibt es jetzt auch die viel kritisierte

DJ-Regelung
. Djs müssen eine Pauschale zahlen, die Tracks werden jedoch nicht einzeln abgerechnet. Wollt ihr die Playlists aus allen Clubs von allen Djs sammeln?
Im Idealfall ja. Natürlich nicht auf die Art und Weise wie bisher – mit Papier, sondern viele Djs legen mit Software und digitalem Equipment auf. Da ist Information bereits vorhanden, die man während die Sachen gespielt werden, automatisch abgreifen und übertragen kann. Das ist eine technische Frage. Man muss den Willen haben, dann kann man die Erlöse auch verteilen. Viele Djs würden das seit Jahren gerne tun, weil sie wissen, dass die Musik die sie spielen, Randgruppenmusik ist und sie es furchtbar finden, dass genau diese Künstler davon nichts kriegen. Die Bereitschaft der Djs, Playlists abzugeben, ist nicht gering.

Was ist mit Bands, die meist mit analogem Equipment auftreten und bei denen ein Tracking technisch nicht möglich ist?
Bands haben selbst ein Interesse daran, dass korrekt abgerechnet wird. Diese können dann über ein Webportal die Songs, die gespielt wurden, aus der Datenbank auswählen und eintragen.

Einer der Schwerpunkte, warum ihr eine neue Verwertungsgesellschaften gründen wollt, liegt auf der Förderung von Creative Commons-Lizenzen. Warum ist das aus eurer Sicht so wichtig?
Die Entwicklung der Creative Commons-Lizenzen wurde von der freien Software-Bewegung beeinflusst. Viele von den Freiheiten, die es im Software-Entwicklungsbereich gibt, wurden adaptiert, mit dem Unterschied, dass man in der Software-Welt keine Probleme mit Musikrechten hat. Als freier Software-Programmierer kann man sehr einfach ein Unternehmen aufbauen und Services rundherum verkaufen. Es gibt viele Förderungen für freie Software-Entwicklungen, oft in Millionenhöhe. Es gibt einen Markt dafür. Wir sind überzeugt davon, dass wenn wir diesen Weg auch für Künstler und Musiker öffnen, viele darauf aufspringen werden, die überzeugt davon sind, dass man in einem modernen digitalen Zeitalter seine Musik auch anders verwerten kann.

Also Creative Commons um jeden Preis?
Unser Ziel ist es nicht, Musiker dazu zu zwingen, Creative Commons-Lizenzen einsetzen zu müssen, sondern wir wollen vor allem auch eine demokratische Verwertungsgesellschaft schaffen. Wir wollen Musiker selbst entscheiden lassen, was für Lizenzen sie wann einsetzen. Wenn jemand etwa einen Song für eine PR-Kampagne verwenden will und den frei verfügbar machen will, damit er für sein Publikum sichtbarer wird, soll ihm das möglich sein. Das ist derzeit bei der GEMA nicht möglich. Die Lizenzen heißen auch nicht umsonst Creative Commons – wenn man einen lebendigen Markt haben will, braucht man zuerst Kreativität, dann kann man damit einen nachhaltigen Markt aufbauen.

Ist es nicht organisatorisch viel mehr Aufwand, wenn jeder Künstler plötzlich jeden seiner Songs anders lizenzieren möchte?
Das ist technisch möglich und alles einer Frage der Datenbank. Ich glaube nicht, dass es da ein großes Problem geben könnte. Es wird auch jetzt schon jeder Titel geprüft, der auf einer CD oben ist. Man hat diese Techniken bereits in Anwendung. Natürlich stimme ich zu, dass unser Ansatz etwas komplexer ist. Je mehr Freiheiten man den Autoren gewährt, desto komplexer wird es. Man braucht Lösungen, auf die man sich verlassen kann.

Es gab bereits mehrere Pilotprojekte von Verwertungsgesellschaften mit Creative Commons-Lizenzen. Was sind da die Erfahrungen gewesen?
Das prominenteste Beispiel hierfür sind die Niederlande. Es hat dort nicht so geklappt wie erhofft bzw. erwartet. Zwei Jahre lang wurde das Programm getestet, allerdings wurde es großteils abgelehnt. Das Problem dort war, dass die Verwertungsgesellschaft nur eine nicht-kommerzielle Lizenz zugelassen hat und diese war nicht sehr sinnvoll, weil sie von Anwälten so sehr verwässert wurde, dass nicht mehr viel übrig blieb davon. Die meisten Künstler haben dann andere Creative Commons-Lizenzen verwendet und gehofft, dass es niemand rausfindet.

Das war auch einer der Gründe, warum wir uns gesagt haben: Lasst es uns von unten aufrollen und anders machen. Vielleicht ist es für Verwertungsgesellschaften einfach zu schwierig, sich entsprechend weit zu öffnen. Wir wollen mit unserer Idee gar nicht gegen die GEMA kämpfen, sondern wenn es geht sogar zusammenarbeiten.

Viele Musiker veröffentlichen ihre Werke unter Creative Commons-Lizenzen, obwohl sie Mitglied einer Verwertungsgesellschaft sind – einfach weil sie es nicht wissen, oder weil sie sich nichts vorschreiben lassen wollen. Was passiert dann?
Das ist schlecht, weil es gar nicht möglich ist, weil sie ihre Rechte abgetreten haben und dieses Recht nicht mehr besitzen. Es gibt da natürlich ein Problem bei Creative Commons – es gibt keine Datenbank mit allen legalen Lizenzen. Wir hoffen, dass wir das lösen können, in dem man sich auf unsere Datenbank verlassen wird. Wir lassen dies auf jeden Fall vorher jeweils von Anwälten prüfen.

Wird diese Datenbank offen gelegt?
Diese Datenbank soll frei nutzbar sein. Ich bin überzeugt davon, dass man mit C3S viel erreichen kann, was man sich jetzt derzeit noch nicht einmal vorstellen kann. Das war zu Beginn von Wikipedia auch so. Da hat kaum einer dran geglaubt, jetzt ist es nicht mehr wegzudenken.

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Zur Veranstaltung:
Michalke diskutierte mit Till Evert, einem Rechtswissenschaftler der für die zentrale europaweite Lizenzierung der anglo-amerikanischen Nutzungsrechte von BMG für den Onlinebereich zuständig ist im Rahmen den Wiener Musikwirtschafstage darüber, wie kreativ Creative Commons-Lizenzen eigentlich sind.

Zur Situation in Österreich:
Auch für Mitglieder der AKM ist es nicht möglich, einzelne Werke unter Creative Commons-Lizenzen zu veröffentlichen.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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