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Grüne

EU-Datenschutz: Bereits 50 Interventionen

"Wir sind mit der von EU-Kommissarin Viviane Reding vorgeschlagenen Datenschutzregelung weitegehend einverstanden", sagt Eva Lichtenberger, EU-Abgegordnete der Grünen, am Donnerstag vor Journalisten in Wien. Einige Punkten seien jedoch noch verbesserungswürdig, wofür sich Lichtenberger, die als Verhandlerin für die Grünen im Rechtsausschuss in der Sache involviert ist, stark machen will. Der Satz "Daten sind das neue Öl des 21. Jahrhunderts" komme nicht von ungefähr, so die Grünen-Politikerin. Besonders brisant sei die Umsetzung des EU-Datenschutzpakets auch deshalb, weil die "Zukunft der Grund- und Freiheitsrechte im Internet entschieden wird".

Wie zuletzt schon Abgeordnete anderer Fraktionen und Datenschützer wie der Facebook-Kritiker Max Schrems (futurezone-Berichte hier und hier) beklagt auch Lichtenberger den besonders aggressiven Lobbyistendruck, der derzeit auf die EU-Pläne ausgeübt werde. Bislang legten bereits rund 50 Interessensverbände und Unternehmen Interventionen bei Lichtenberger ein, die überwiegende Mehrheit lobbyiert dabei massiv gegen das geplante Paket. Nur einzelne, in der Regel eher kleinere Firmen, wie Lichtenberger sagt, forderten bisher ein strengeres Datenschutzrecht. Jene, die sich dafür aussprechen, tun dies laut der Politikerin meist deshalb, weil sie sich durch klarere Regelungen mehr Vertrauen auf Kundenseite erhoffen.

"Wir stehen vor einem der größten Lobbying-Kriege aller Zeiten", so Lichtenberger. Die US-Wirtschaftsorganisation American Chamber of Commerce (AmCham) etwa versuche massiv Druck auszuüben. US-basierte Firmen wollten mit aller Macht auch in der EU ein lockeres Datenschutzrecht durchsetzen, wie es in den USA gilt. Argumentiert wird vor allem damit, dass das neue Datenschutzpaket der gesamten Weltwirtschaft schaden würde.

"Keine Gefahr für Innovationskraft"
Die Grünen weisen diesen Vorwurf zurück. "Datenhandel wird es natürlich trotzdem geben", sagt Lichtenberger, die in dem EU-Vorschlag keine Gefahr für die Innovationskraft sieht. Worum es gehe, seien klare Regelungen. Die Menschen müssten darüber Bescheid wissen, was mit ihren Daten geschehe und sie sollten das Recht bekommen, aktiv zustimmen zu können. "Es soll in Zukunft die Möglichkeit geben, auch differenziert zuzustimmen. So dass man etwa sagt, ja, meine Daten können im jeweiligen Unternehmen, etwa zur Serviceverbesserung herangezogen werden. Dass man aber auch gleichzeitig die Möglichkeit hat, sich gegen die Weitergabe an Dritte auszusprechen", erklärt die EU-Abgeordnete.

Harmonisierung
Die neuen EU-Datenschutzregeln sollen gleiche Datenschutzstandards für alle EU-Staaten bringen. Damit soll es für Firmen nicht mehr möglich sein, sich jenen Mitgliedsstaat auszusuchen, der den niedrigsten Datenschutzstandard hat. Derzeit gibt es für Verstöße kaum ernsthafte Konsequenzen. Lichtenberger betont daher ebenfalls den Ruf nach höheren und strengeren Strafen. "Wir wollen einen Datenschutzausschuss auf europäischer Ebene, der auch Strafen verhängen kann."

Datensparsamkeit
Generell spreche man sich dafür aus, dass "sparsamer" mit dem Datensammeln umgegangen werde, so Lichtenberger weiter. Häufig würden Daten einfach eingesammelt, die eigentlich gar nicht zur Erbringung des Dienstes gebraucht würden. Webseiten-Anbieter sollen außerdem keine Nutzungsprofile erstellen dürfen, wenn Nutzer durch ihre Privatsphäreeinstellungen signalisieren, dass sie das nicht wollen. Auch die in der Regel zu komplizierten AGB kritisiert Lichtenberger. "Die User müssen schon beim Drücken eines Buttons wissen, was das für sie bedeutet. Es muss einfacher ersichtlich sein, welche Rechte derjenige hat, der die Daten sammelt, das muss verständlicher werden."

Klar müsse auch sein, dass Daten nicht für irgendwelche anderen Zwecke weiterverwendet werden dürften. "Ich möchte nicht, dass beispielsweise meine Fluggastdaten plötzlich dazu herangezogen werden, mir Werbung für ein Produkt zu schicken", sagt Lichtenberger. Auch das Recht auf Auskunft und das sogenannte Recht auf Vergessen zählen zum Forderungskatalog der Grünen.

Problemfall Cloud Computing
Besondere Herausforderungen ortet Lichtenberger im Trend zum Cloud Computing. Derzeit stehen die meisten Serverfarmen in den USA. "Europa hat es verabsäumt, eine eigene Infrastruktur aufzubauen", so die Kritik. Infolge sei es für Europäer zwar theoretisch möglich, in den USA Rechte geltend zu machen, praktisch jedoch meist unmöglich. "Das liegt allein daran, dass manche Rechte nur für US-Staatsbürger gelten", sagt Lichtenberger, die in dem Zusammenhang von einem "rechtlichen Minenfeld" spricht.

Anpassung zwischen Unternehmen und Behörden
Besonders heikel wird das Thema Datenschutz immer dann, wenn es um potenzielle staatliche Überwachung geht. Was geschieht, wenn Daten, die von einem Unternehmen gesammelt wurden, plötzlich in die Hände von Behörden gelangen und gegen die Bürger ausgespielt werden? Lichtenberger und die Befürworter des Datenschutzpaketes fordern in diesem Zusammenhang, dass die Beschränkungen für Unternehmen und Behörden aneinander angepasst werden. Dies habe ebenfalls für alle Mitgliedsstaaten gleich zu gelten.

Derzeit sei in diesem Bereich vieles zu allgemein formuliert, so Lichtenberger. "Wenn es um Behörden geht, wird zum Beispiel oft mit Beweisnot argumentiert. Das ist viel wenig konkretisiert. Auf diese Weise kann man fast alles einfordern", kritisiert die EU-Abgeordnete. Es müsse klarer reguliert werden, unter welchen Bedingungen auf Daten zurückgegriffen werden dürfe, was gelöscht und was aufbewahrt werden muss. "Gerade im Punkt der so genannten Ausnahmeregeln, wenn es um personenbezogene Daten geht, muss sehr präzise formuliert werden."

Realistische Chancen
"Wir machen Druck, dass das Datenschutzpaket jetzt umgesetzt wird", sagt Lichtenberger, der natürlich auch bewusst ist, dass es gerade mit der Haltung Irlands unter dessen Ratspräsidentschaft eine besondere Herausforderung wird. Irland stellte - wie berichtet - zuletzt zur Diskussion, bei Verstößen statt Strafen lediglich "Verwarnungen" auszusprechen. Kritisch sieht man bei den Grünen die Rolle des EU-Rats. "Die Verhandlungen werden schwierig, weil sich beim Rat informelle Regeln durchgesetzt haben, die sehr undurchsichtig sind. Oft ist es schwierig überhaupt Auskunft zu bekommen", sagt Lichtenberger.

Läuft es aus Sicht der Befürworter ideal, so rechnet Lichtenberger damit, dass vor oder nach dem Sommer eine Schlussabstimmung mit dem Rat vereinbart werden kann. Mit leichten Verzögerungen sei dabei aber jedenfalls zu rechnen. Dass sich im EU-Parlament selbst die nötigen Mehrheiten finden, dem steht Lichtenberger positiv gegenüber. Denn während es zwar Staaten wie Großbritannien gebe, die sich gerne schnell an den USA orientieren würden, habe man auf der anderen Seite Länder wie Österreich und Deutschland, die den Datenschutz schon aus historischen Gründen sehr ernst nehmen würden. Dasselbe gilt laut Lichtenberger auch für Mitgliedsstaaten aus dem ehemaligen Ostblock. Wenn sowohl EU-Parlament als auch -Rat dem Datenschutzpaket zustimmen, würde die Verordnung zwei Jahre danach in den einzelnen EU-Staaten in Kraft treten.

Den Worst Case, dass das Paket komplett scheitert, hält die EU-Abgeordnete für eher unwahrscheinlich. Komplett vom Tisch wäre der Vorschlag dann, wenn am Ende keine Einigung zwischen Parlament und Rat erzielt werden kann.

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Claudia Zettel

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futurezone-Chefredakteurin, Feministin, Musik-Liebhaberin und Katzen-Verehrerin. Im Zweifel für den Zweifel.

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