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EU-Datenschutzreform als "große Chance"

Man dürfe nicht zulassen, dass wir alle zu gelenkten Menschen werden, die mit eingeschränkten Wahlmöglichkeiten im Internet auskommen müssten, sagte Weidenholzer. Die beim Datenschutzseminar anwesenden Datenschutz-Experten waren sich dabei alle einig, dass die Politik durch ein „starkes EU-Datenschutzrecht" gefordert ist. Im Herbst (wahrscheinlich Oktober) wird das EU-Parlament darüber abstimmen, es soll noch in der Legislaturperiode vor der nächsten EU-Wahl im Mai 2014 beschlossen werden. Das sei zumindest der Tenor aller beteiligten Institutionen (Rat, Kommission und Parlament), erklärte Weidenholzer.

Jurist und Facebook-Kläger Max Schrems lobte einige Elemente der Vorlage der EU-Kommission, etwa die geplanten ernsthaften Strafen, die direkte Klagemöglichkeit oder eine einheitliche Rechtsgrundlage. Allerdings seien die Datenschutzprinzipien auch „massiv unter Beschuss", etwa bezüglich der Definition, was überhaupt „Daten" sind, durch „unzählige Ausnahmen" oder durch einen Verweis auf Datenverarbeitung bei „legitimen Interessen".

"Realität und Gesetz liegen meilenweit auseinander"
Ein großes Problem heute sei es zudem, dass „Gesetze fast nicht durchgesetzt" würden und „Realität und Gesetz meilenweit auseinander" liegen würden. Bei seinem Engagement gegen Facebook habe er etwa festgestellt, dass gelöschte Daten nicht wirklich gelöscht worden sind, oder aber dass man nicht genau wisse, welchen Bestimmungen man eigentlich zustimmt, denn diese seien fehlerhaft formuliert und gut versteckt.

Datenschutzexperte Andreas Krisch vom Verein für Internet-Benutzer Österreichs (VIBE!AT) und EDRi-Präsident verwies im Zusammenhang mit dem Bespitzelungsskandal durch US-Geheimdienste auf die Bedeutung der Politik, etwa die Weitergabe von Daten an Drittstaaten zu unterbinden. Krisch referierte über die bisher bekanntgewordenen Möglichkeiten von Geheimdienst-Beobachtungsinstrumenten wie PRISM, Upstream oder TEMPORA, inhaltliche wie Verbindungsdaten entweder direkt aus den Datenkanälen zu saugen, oder von den Providern weitergeleitet zu bekommen.

Anti-FISA-Artikel wieder im Rennen
Krisch betonte zudem, dass man den "Anti-FISA-Artikel" Nummer 42, den die EU-Kommission aufgrund von Druck der US-Lobbyisten noch vor der Veröffentlichung des Entwurfs zur EU-Datenschutzreform entfernt hatten, wieder einführen müsste. Dieser besagt, dass die Weitergabe von Daten nur unter sehr engen und strengen Regeln erfolgen darf und ohne Zustimmung europäischer Behörden keine personenbezogenen Daten außerhalb der EU weitergegeben werden dürfen. Der EU-Abgeordnete Weidenholzer hat diesen "Anti-FISA-Artikel" in einem Abänderungsantrag wieder in die Verhandlungen zur EU-Datenschutzreform eingebracht.

Krisch warnte weiters davor, die Datensicherheit als individuelles Problem zu sehen, dem man bloß durch Verschlüsselungsmethoden oder einen Umstieg auf andere Anbieter begegnen sollte. „Dann ist ein Stück Freiheit schon verloren." Vielmehr seien hier politische Maßnahmen bis hin zur „Beendigung der Massenüberwachung" gefordert. Eva Souhrada-Kirchmayer von der österreichischen Datenschutzkommission wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Datenschutzrichtlinien für Geheimdienste ja gar keine Geltung hätten.

Chancen für die europäische IT-Wirtschaft
Auch Ivona Brandic vom Institut für Informationssysteme der Technischen Universität Wien stellte die Frage, wie man durch Gesetze Datendiebstahl und -missbrauch sowie Internetkriminalität begegnen kann, ohne dabei die technische Entwicklung zu behindern. Gerade auf dem Niveau von Internetdienstleistungen seien ja bereits heute die eigentliche „Währung" die Daten, die man über sich zur Verfügung stelle, gab Brandic zu bedenken. Genauso wie Krisch sah sie allerdings in der heutigen Situation eine Chance für die IT-Wirtschaft, sich durch die Diversität auf dem europäischen Kontinent gerade im Bereich Datenschutz Vorteile zu verschaffen - Krisch nannte dabei „Privacy by Design" als Stichwort.

Mit Maßnahmen wie Datenfragmentierung könne man zudem verhindern, dass die Daten auf dem Weg zum Provider zusammengesetzt und "abgefangen" werden könnten, nannte Brandic als Beispiel, wie man europäische Cloud-Services vor Überwachungsmaßnahmen der NSA wie PRISM schützen könne.

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