Fünf Fragen zu Überwachung und Datenschutz
Fünf Fragen zu Überwachung und Datenschutz
© Fabrizio Bensch, reuters

Fünf Fragen zu Überwachung und Datenschutz

Fünf Fragen zu Überwachung und Datenschutz

Am 29. September findet die Nationalratswahl statt. Um Ihnen bei der Wahlentscheidung zu helfen, hat die futurezone alle neun bundesweit antretenden Parteien zu ihren netzpolitischen Positionen befragt - vom Datenschutz über die Netzneutralität bis hin zu Porno-Filtern und dem Urheberrecht.

Die Ergebnisse der futurezone-Umfrage präsentieren wir Ihnen in der Serie "Fünf Fragen zu ..." in loser Folge in den Wochen bis zur Wahl. Den Auftakt machen die Positionen der österreichischen Parteien zu den Themen Datenschutz und Überwachung.

Unterschiede bei den Standpunkten der befragten Parteien zu Datenschutz und Überwachung lassen sich bei vielen Fragen nur in den Details ausmachen. Mit Abstrichen treten alle neun befragten Parteien dafür ein, dass Bürger der Verwendung ihrer Daten ausdrücklich zustimmen müssen. Hohe Strafen für Unternehmen bei Datenschutzverstößen werden mit Ausnahme der NEOS und Einschränkungen vom Team Stronach von allen Parteien befürwortet.

Mit Ausnahme der ÖVP wollen alle befragten Parteien die Vorratsdatenspeicherung abschaffen. Die ÖVP will sich in dieser Frage an der bis zum Jahresende erwarteten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zu der umstrittenen Datenspeicherung orientieren. Edward Snowden, der in den vergangenen Wochen die Internet-Überwachung durch Geheimdienste aufdeckte, genießt bei fast allen befragten Parteien Hochachtung. Lediglich das BZÖ meint, er müsse sich auch den Vorwurf des Verrats gefallen lassen. Acht der neun befragten Parteien sprechen sich dafür aus, das "Safe Harbor"-Abkommen zum Datenschutz mit den USA zu kündigen oder auszusetzen, weil das Schutzniveau nach den Enthüllungen zur US-Internet-Überwachung nicht mehr gegeben ist.

SPÖ:Die Bestimmungen im österreichischen Datenschutzgesetz sind zwar ausreichend, es fehlen jedoch internationale durchsetzbare Vereinbarungen. Diese Forderung ergibt sich aus dem informationellen Selbstbestimmungsrecht und dem Recht auf Privatsphäre.

ÖVP: Prinzipiell sollen Bürger absolute Hoheit über ihre Daten haben. Daher hat sich Justizministerin Beatrix Karl auch für ein neues Datenschutzgesetz ausgesprochen. Freilich hat uns nicht zuletzt der PRISM-Skandal gezeigt, dass eine nationale Regelung nicht ausreicht. Wir streben also zumindest eine Regelung auf EU-Ebene an, wollen – wie Michael Spindelegger betont – ein Menschenrecht auf Datenschutz. Die genauen Regelungen müssen gründlich und im Detail ausgearbeitet werden. Ein Schnellschuss wäre kontraproduktiv, ebenso eine übereilte Definition.

FPÖ: Ja, jeder Bürger muss das Recht haben die Speicherung und Weiterverarbeitung seiner personenbezogenen Daten durch Dritte zu unterbinden bzw. durch Zustimmung dies auch eindeutig zu ermöglichen.

BZÖ: Im Sinne einer größtmöglichen Selbstbestimmung steht das BZÖ als liberale Partei für ein uneingeschränktes Recht auf Information, wer wann wo welche Daten speichert und übermittelt. Persönliche Daten dürfen demzufolge auch nur mit ausdrücklicher Zustimmung gespeichert und weitergegeben werden.

Grüne: Ja. Dass Daten grundsätzlich nur mit Zustimmung der Betroffenen verarbeitet werden dürfen ist ein wichtiger Grundsatz im Datenschutz. Außerdem muss es auch im Internet ein durchsetzbares Recht auf Löschung und "Vergessen" geben.

KPÖ: Ja, BürgerInnen sollen die Sicherheit haben, dass ihre Daten nur für den Zweck verwendet werden, zu dem sie sich gerade eingetragen oder registriert haben.

NEOS: Ein eindeutiges Ja – die Weiterverarbeitung der Daten ist außerdem transparent zu gestalten.

Piraten: Ja. Die Piratenpartei ist ein starker Verfechter der informationellen Selbstbestimmung. Um diese Selbstbestimmung verwirklichen zu können, sollen eingegebene Daten nur mit der Einwilligung der Betroffenen in angegebener Weise verarbeitet werden dürfen. Dieses Recht der Bürgerinnen und Bürger auf informationelle Selbstbestimmung darf nicht von bestimmten Unternehmen oder Geschäftszweigen beschnitten oder relativiert werden.

Team Stronach: Ja

SPÖ:Im Prinzip Ja, nur sollte dies auf gesetzlichen Regelungen und nicht auf Richtlinien basieren. Bei Kartellverstößen wird dies bereits mit Erfolg praktiziert.

ÖVP: Ein Verstoß gegen Datenschutzrichtlinien muss klare Konsequenzen haben. Die genaue Höhe der Strafe muss je nach Ausmaß des Verstoßes diskutiert werden. Bei der ganzen Diskussion darf es aber keine Einschränkung auf den EU-Raum geben. Internationale Verträge auch mit den USA sind unerlässlich.

FPÖ: Verstöße gegen diese Richtlinien sollen natürlich geahndet werden. Das Strafausmaß bedarf aber noch einer gesonderten Diskussion.

BZÖ: Das BZÖ bekennt sich zur Notwendigkeit verbesserter Möglichkeiten zur Rechtsdurchsetzung und zu strengeren Sanktionen für Unternehmen bei Datenschutzvergehen. Der Strafrahmen muss dabei so angesetzt werden, dass eine deutlich abschreckende Wirkung erzielt wird.

Grüne: Ja. Für gravierende Verstöße wäre eine solche Bestrafung angemessen. In Österreich müssen dafür auch die Kompetenzen der Datenschutzbehörde gestärkt werden, damit sie von sich aus Verstöße verfolgen und bestrafen kann.

KPÖ: Im Prinzip ja, aber jedes noch so gute Gesetz hilft nichts, wenn sich niemand um die Einhaltung kümmert. Das ist aber letztlich eine (gesellschafts)politische Frage, ob solche Gesetze ernst genommen werden oder nicht.

NEOS: Dazu müssten die Datenschutzrichtlinien vorerst weltweit angeglichen werden – in einer globalisierten Ökonomie ist dies, wenn überhaupt wünschenswert, nicht umzusetzen.

Piraten: Ja. Der Skandal um die von Edward Snowden aufgedeckten Überwachungsprogramme demonstriert, dass bisherige Regelungen wie das Safe-Harbor-Abkommen zwischen der EU und den USA viel zu zahnlos sind. Eine strenge Umsetzung der Datenschutzrichtlinien ist gerade in dieser Zeit der politischen Verfolgung international Aufsehen erregender Whistleblower und deren Unterstützer wie Edward Snowden, Julian Assange oder Bradley Manning um so wichtiger. Das Internet ist mittlerweile zum primären Wissens- und Willensbildungswerkzeug der Menschheit geworden. Daher braucht es nicht zahnlose, sondern durchsetzungsfähige Gesetze zum Datenschutz, die auch exekutiert werden.

Team Stronach: Ja, aber nicht in so hohem Ausmaß.

SPÖ:Ja. Die SPÖ hat dies beim 42. Ordentlichen Bundesparteitag in St. Pölten am 13. Oktober 2012 einstimmig beschlossen.

ÖVP: Die Vorratsdatenspeicherung wird gerade vom EuGH überprüft. Er ist die richtige Instanz, um festzustellen, ob sie zu stark in die Grundrechte der Bürger eingreift.

FPÖ: Ja.

BZÖ: Das BZÖ hat von Anfang an gegen den weiteren Vormarsch des Überwachungsstaates und damit gegen die Vorratsdatenspeicherung gekämpft. Konkret fordert das BZÖ, dass eine richterliche Genehmigung Grundlage jeglicher Datenabfrage sein muss. Problematisch sehen wir zudem sämtliche Bestimmungen, die über die Nutzung zur Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität hinausgehen.

Grüne: Ja. Die Grünen haben sich von Beginn an gegen die Vorratsdatenspeicherung eingesetzt und die Verfassungsklage, die zum derzeitigen Verfahren beim EuGH geführt hat, mitorganisiert. Diese anlasslose Massenüberwachung bringt nichts weil sie leicht umgangen werden kann, zeichnet aber gleichzeitig viele Details über das Privatleben Unschuldiger auf.

KPÖ: Ja, die KPÖ ist der Meinung, dass diese ersatzlos abzuschaffen ist. Es verstößt gegen die Grundprinzipen unserer Rechtsordnung, dass die Überwachung der BürgerInnen ohne jeden Verdacht durchgeführt wird.

NEOS: Ja - Die Vorratsdatenspeicherung soll abgeschafft werden. Falls jemand anonymisiert kommunizieren will, kann er dies mit dem erforderlichen Wissen jederzeit tun. Es trifft also in der Regel Menschen, die nicht genügend technisch informiert sind.

Piraten: Ja. Die Überwachung von Bürgerinnen und Bürgern ist nur im Falle eines konkreten und begründeten Verdachts vertretbar. Die pauschale, verdachtsunabhängige Vorratsdatenspeicherung stellt einen unverhältnismäßigen Grundrechtseingriff dar. Der Zugriff auf die gespeicherten Daten ist unzureichend geregelt, ist daher missbrauchsgefährdet und erfolgt heute schon nicht im Sinne der EU-Richtlinie. Die Effektivität der Vorratsdatenspeicherung zur Bekämpfung schwerer Straftaten konnte bisher nicht belegt werden. Wir fordern daher die sofortige Abschaffung.

Team Stronach: Ja.

SPÖ: Ja. Seit Jahren wird das Safe-Harbor-Abkommen in Frage gestellt. Notwendig ist ein internationales Abkommen, die USA sollten vorerst aber die Datenschutzkonvention des Europarates übernehmen.

ÖVP: Ein derart hartes Vorgehen ist sicher nicht ein Schritt erster Wahl. Wir setzen darauf, mit unseren US-Partnern eine vernünftige Lösung zu finden, die dem Schutz der Bürgerrechte entspricht. Präsident Obama hat entsprechende Änderungen angekündigt, wir beobachten das sehr genau. Sollte keine Verbesserung eintreten, wird man die Lage neu beurteilen müssen.

FPÖ: Ja.

BZÖ: Bis zu einer vollständigen Aufklärung aller datenschutzrechtlichen Missbrauchsvorwürfe plädiert das BZÖ für eine sofortige einseitige Aussetzung sämtlicher Datenaustauschabkommen mit den USA. Unsere im Vergleich zu den USA strengen Datenschutzbestimmungen dürfen nicht dadurch noch weiter ausgehöhlt werden, dass amerikanische Unternehmen die geforderten Mindeststandards nicht einhalten.

Grüne: Ja. Die Grünen fordern neben der Aufhebung der Safe-Harbor-Entscheidung auch die Aufkündigung der bestehenden Datentauschabkommen (SWIFT, Passagierdaten, Polizeidaten usw.) und die Ermöglichung wirksamer europäischer Kontrollen des Datenschutzes, auch durch Aufbau eigener, von den USA unabhängiger Internet-Infrastruktur.

KPÖ: Ja, durch die Enthüllungen ist die Kritik bestätigt, dass es keinen entsprechenden Schutz für die übermittelten Daten gibt.

NEOS: Das Safe-Harbor-Abkommen war schon vor den Enthüllungen zur NSA-Überwachung einseitig und daher abzulehnen.

Piraten: Ja. Das Abkommen hätte schon seit Einführung des Patriot Act am 25. Oktober 2001 gekündigt oder ausgesetzt werden müssen. Durch dieses Gesetz sind amerikanische Firmen zum Bruch des Safe-Harbor-Abkommens gleichsam verpflichtet, da es dem FBI und anderen US-Behörden ermöglicht, ohne die Kontrolle durch Gerichte und ohne Benachrichtigung der Betroffenen auf sensible Daten ihrer Kundinnen und Kunden zuzugreifen.

Team Stronach: Ja.

SPÖ:Weder Held noch Verräter, sondern Aufdecker. Daher benötigen wir internationale Regelungen zum Schutz von Whistleblowern.

ÖVP: Edward Snowden ist als Whistleblower für uns und aus Sicht von Demokratie und Rechtsstaat ganz klar ein Held, wie etwa Staatssekretär Lopatka betont hat. Das Vorgehen der USA ist für uns weder demokratisch noch rechtsstaatlich hinnehmbar. Ausgerechnet der Friedensnobelpreisträger US-Präsident Obama hat mit seinem Vorgehen die Hoffnung der freien Welt enttäuscht.

FPÖ: Weder ist er ein Held noch ein Verräter. Snowden ist jedoch ein besorgter Bürger, der aufgrund seines Wissens die Initiative ergriffen hat. Durch seine Aufdeckungen wurden einerseits strafbare Vorgänge transparent gemacht die zwischen Regierungen und Geheimdiensten vorgefallen sind, andererseits wurde die Bevölkerung wachgerüttelt und sensibilisiert. Und dafür muss man ihm dankbar sein.

BZÖ: Sowohl als auch. Als liberale Partei tritt das BZÖ für persönliche Freiheit und individuelle Verantwortung ein. Wenn Edward Snowden gegen Gesetze verstoßen hat, hat Amerika das Recht, ein Verfahren gegen ihn einzuleiten, dem sich Snowden auch stellen muss. Indem er sich dieser Verantwortung entzieht, schwächt er seine moralische Position und muss sich auch den Vorwurf des Verrats gefallen lassen.

Grüne: Edward Snowden steht als "Whistleblower" in der guten Tradition von Aufdeckern unrechtmäßiger Zustände, und ist daher nicht "Verräter" sondern, wenn man es so nennen will, "Held". Wichtig wäre es, ihm und allen, die nach ihm kommen werden, Schutz gegen staatliche Verfolgung zu gewähren.

KPÖ: Snowden hat jedenfalls Mut durch sein kompromissloses Agieren bewiesen. Das Aufdecken von Verbrechen und Missständen ist kein Verrat! Denn: Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht! (Bert Brecht)

NEOS: Wir kennen die tatsächlichen Beweggründe von Edward Snowden nicht. Wir halten auch nichts von Glorifizierung oder Verdammung einzelner Menschen. Tatsache ist aber, dass er einen gravierenden Missstand öffentlich gemacht hat und dafür auch ein erhebliches Risiko eingegangen ist.

Piraten: Edward Snowden ist ein Whistleblower. Mit der Aufdeckung von behördlichen Missständen erfüllt er eine elementare Aufgabe in einer funktionierenden Demokratie. Auch aufgrund seiner persönlichen Gefährdung dabei verdient er unsere Hochachtung und unseren besonderen Schutz.

Diese demokratische Basisfunktion hatte jahrhundertelang die Presse inne. Leider wird diese Funktion der Presse durch monetäre Interessenimmer weiter aufgeweicht. Umso wichtiger werden selbstständig denkendeund handelnde Einzelkämpferinnen und Einzelkämpfer für die Freiheitwie Edward Snowden, die unter Einsatz ihres Lebens und ihrer Freiheit die Gefährdung unserer informationellen Selbstbestimmung aufzeigen.

Die EU sollte gegen die öffentliche Hetzjagd auf Edward Snowden durchdie US-Politik und den Missbrauch der US-Diplomatie dazu klar Positionbeziehen und sich nicht durch Beschwichtigungen und Abspeisungen weiter abkanzeln lassen, während sie nach Strich und Faden ausgespäht und ihre Bürgerinnen und Bürger von US-Geheimdiensten bis ins Intimstebespitzelt werden.

Team Stronach: Ein Held

Im nächsten Teil der futurzone-Serie "Fünf Fragen zu ...", der in den kommenden Tagen veröffentlicht wird, werden die Positionen der Parteien zur Netzneutralität und Internet vorgestellt.

Netzpolitische Entscheidungshilfe zur Nationalratswahl 2013 bieten auch der Wahlmonitor der Initiative für Netzfreiheit und die Wahlkabine.

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Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

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