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Diskussion

"Globaler Rückschritt der Bürgerrechte"

Es ist ein düsteres Bild, dass Datenschützer und Netzaktivisten entwerfen: Globale Konzerne entreißen den Bürgern die Kontrolle über hochpersönliche Informationen, während die Politik schweigt oder gar mitmischt. Am Mittwochabend stand bei einer Diskussionsveranstaltung im 21er-Haus im Wiener Arsenal-Gelände die kontroverse Frage im Raum: Steht uns ein Ende der Privatsphäre bevor?  

"Digitaler Graben"
Die Konsumentenschützerin Daniela Zimmer sprach von einem neuen "digitalen Graben", der diejenige, die ihre Privatsphäre im Internet zu schützen vermögen, von jenen trenne, denen das nötige Wissen dazu fehle. Oft helfe auch die Sensibilisierung für das Thema wenig. Der typische Student in Österreich wisse einer neuen Studie zufolge, dass er viele Daten im Internet preisgebe, aber er sehe dazu keine Alternative, sagte Zimmer, die Mitglieder der Datenschutzkommission der österreichischen Regierung ist.

"Technologisch überfordert"
"Wir sind technologisch überfordert", stellte der ehemalige Wikileaks-Aktivist Daniel Domscheit-Berg fest. Als Sprecher der Enthüllungsplattform trat er unter dem Pseudonym Daniel Schmitt auf, um seine Identität zu schützen, bis er mit dem umstrittenen Wikileaks-Gründer Julian Assange in Konflikt geriet. Domscheit-Berg gründete kürzlich die Plattform Openleaks, auf der jeder vertrauliche Materialen von Behörden und Firmen ins Internet stellen kann. "Es gibt das Problem: Wenn Daten gespeichert wurden, sind sie nicht mehr löschbar", sagte der deutsche Publizist. Das müsse den Menschen bewusst sein, wenn sie ihre Daten im Internet publizierten.

Schattenprofile auf Facebook
Einen Spezialfall stellen allerdings Daten da, über die Privatpersonen von vornherein wenig Kontrolle besitzen. Als Beispiel nannte Schrems Facebook, gegen das er mit anderen Wiener Jus-Studenten bei irische Datenschutzbehörde geklagt hat. Das soziale Netzwerk lege auch von Nutzern, die nicht auf der Seite registriert seien, sogenannte Schattenprofile an. Dort werde alles gespeichert - von Fotos und Kontaktdaten bis zu Einladungen in politische Parteien und zu Demonstrationen - was sich an Informationen von auf Facebook aktiven Bekannten sammeln ließe. Der US-Konzern nutze diese Daten kommerziell und gebe sie, so Schrems, in Übereinstimmung mit den Anti-Terrorgesetzen in den USA ("Patriot Act") auch an die Geheimdienste weiter.

"Tugenden von Sklaven"

Für den Direktor des World Information Institutes, Becker, zeigt der Fall Facebook das Gefälle der neuen Informationslandschaft auf. Die Unternehmensdaten von Firmen seien rechtlich wesentlich besser geschützt als die einfachen Bürger. Es gebe "seltsame Verschränkungen" zwischen der Politik und "unsichtbaren Playern" in den Konzernen, die sich durch geschicktes Lobbying erheblichen Einfluss sicherten. Die Schutzlosigkeit des Einzelnen offenbare sich auch in dem neuen Imperativ zur Verfügbarkeit und Erreichbarkeit - "Das sind die Tugenden von Sklaven", so Becker. Die Aufweichung der Bürgerrechte werde auch von Regierungen genutzt: "Für Politiker gilt die Unschuldsvermutung; für Bürger gilt die Schuldvermutung", sagte der Medienforscher.

Ruf nach Gesetzgeber
Als mögliche Gegenstrategie sehen die Fachleute die regulatorische Zähmung der Datenkrake. "Es braucht einen Gesetzgeber, der da einschreitet", forderte der ehemalige Wikileaks-Sprecher Domscheit-Berg. Dazu brauche es generische Lösungen, die über die Regulierung einzelner Techniken und Firmen hinausgingen. Der Facebook-Kritiker Schrems sagte, es müsse ein Bewusstsein für die Absicherung der Privatsphäre geschaffen werden, ähnlich jenem, dass seit dem 1960er Jahren für Umweltthemen verankert wurde.

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